Mangelnde Kritikfähigkeit?

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Manche Menschen fühlen sich bei negative Kritik angegriffen, weil sie angegriffen werden.

So mancher Kritiker will nur etwas Negatives loswerden - hat jedoch keinen wirklichen Verbesserungsvorschlag.

RinMari 
Fragesteller
 18.11.2021, 18:55

Mag sein, aber es gibt ja auch berechtigte Kritik, die dazu dienen soll zB die Arbeitsprozesse zu optimieren. Unangenehm sind solche Gespräche vermutlich überwiegend, aber die Frage ist, warum manche sich persönlich angegriffen fühlen und absolut nicht nachvollziehen möchten, dass es nicht um die Person geht, sondern um die Sache. Vlt. weil man sich ertappt fühlt, vlt. weil man denkt, man sei unantastbar. Gibt sicherlich einige Gründe.

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Nordlicht979  18.11.2021, 19:05
@RinMari

Wer negative Kritik äussert - ohne einen echten guten Verbesserungsvorschlag zu haben - ist lediglich ein Kritiker bzw. umgangssprachlich ein Klugscheißer. Oft liegt das Problem nicht darin, dass Nachteile nicht gesehen werden, sondern dass praktikable Alternativen nicht bekannt sind.

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RinMari 
Fragesteller
 18.11.2021, 19:21
@Nordlicht979

Naja, man könnte ja auch sagen, dass zB ein bestimmtes Verhalten schlitweg nicht richtig ist. Akzeptieren muss man nichts, rechtfertigen muss man sich auch nicht. Fraglich ist nach wie vor, warum Betroffene teilweise austicken. Man kann Kritik äußern ohne Verbesserungen vorzuschlagen. Ich könnte beispielsweise sagen, dass ein langjähriger Mitarbeiter diverse Fragen nicht mehr stellen sollte bzw. sich bei einem Vorgesetzten nicht immer absichern muss, um eine Entscheidung zu treffen. Man darf ja wohl noch seine Meinung sagen dürfen, ohne gleich als Mobber oder sonst was abgestempelt zu werden. Die Betroffenen können das so hinnehmen oder die Gründe nennen, dann würde man einen Weg finden. Für manche bricht dann aber eine Welt zusammen, das ist echt anstrengend.

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Nordlicht979  18.11.2021, 19:27
@RinMari

Sicher, eine Überreaktion ist unangenehm. Trotzdem sollte man sich vor einer negativen Kritik prüfen und den Fragen nachgehen

  1. ob die Kritik uneingeschränkt der Wahrheit entspricht?
  2. ob es dem anderen hilft, wenn man ihn kritisiert?
  3. ob die Art und Weise sowie der Zeitpunkt gut gewählt sind?
Ich könnte beispielsweise sagen, dass ein langjähriger Mitarbeiter diverse Fragen nicht mehr stellen sollte bzw. sich bei einem Vorgesetzten nicht immer absichern muss, um eine Entscheidung zu treffen. 

Wenn Du das so machst, stellt sich die Frage: Wo ist die Begründung im Sinne der Frage 2?

Ohne nachvollziehbare Begründung bzw. ohne Berücksichtigung der o.g. drei Fragen läuft Kritik schnell auf Mobbing hinaus. Du könntest zumindest aus Gründen der Höflichkeit fragen: Darf ich Dir zu dem Vorfall X meine Meinung sagen?

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RinMari 
Fragesteller
 18.11.2021, 19:37
@Nordlicht979

Mobbing würde ich nicht sagen, da dies letztlich auch wirklich darauf abzielt, den anderen zu verletzten. Dem Rest stimme ich zu. Bspw. könnte ich mit meinem Verbesserungsvorschlag bezwecken, dass die Person etwas selbstbewusster arbeitet. Ich erwarte von einer Person, die seit 20 Jahren nichts anderes macht, eine gewisse Eigenverantwortung. Unser Chef hat von uns verlangt, mal alles zu sammeln, was in unseren Fällen so aufgefallen ist, weil wir nicht mehr Personal bekommen und effektiver arbeiten sollen. Mir ist dabei nicht entgangen, dass insbesondere erfahrene Arbeitnehmer Fragen an Vorgesetzte stellen, die wirklich selbst beantwortet werden können oder sich einfach absichern möchten, insbesondere in Vertretung :D. Von einer solchen Bearbeitungsweise muss man sich irgendwie trennen. Naja, seit dem ich das gesagt habe, spricht die Person kein einziges Wort mehr mit mir, was ich sehr schade finde, wir sind ja keine Kinder.

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Nordlicht979  18.11.2021, 20:09
@RinMari
Mobbing würde ich nicht sagen, da dies letztlich auch wirklich darauf abzielt, den anderen zu verletzten.

Ja, wenn der Kritiker keinen Verbesserungsvorschlag hat und nur seinen Unmut über das Verhalten loswerden will, etwas Gutes für die kritisierte Person nicht anstrebt, dann ist das schon verletzend und damit Mobbing.

Ich denke, dass ich das von Dir umschriebene Problem verstehe. Es gibt nun mal Menschen, die ohne nachzudenken alles mögliche erfragen, worauf sie zumindest teilweise selbst eine Antwort finden könnten. Man könnte sagen: Sie sind zu faul zum Denken.

Da jedoch sollte sich der Vorgesetzte wehren. Er könnte z.B. sagen: "wer mir überflüssige Fragen stellt, der stiehlt mir damit meine Arbeitszeit." Es ist eine Frage der Regeln "wie gehen wir miteinander um?"

Auch kann ich im Allgemeinen erwarten, dass gut eingearbeitete (langjährig arbeitende) Mitarbeiter zu wissen haben, ob man X so macht oder anders. Wenn jedoch die Realität zeigt, dass eben auch langjährige Mitarbeiter unsicher sind, wo ich sicheres Entscheiden erwarte, dann zeigt dies, dass "ich als Vorgesetzter" mich irre, meinen Pflichten in Sachen Einarbeitung nicht gut genug nachkam.

Es ist eine Sache der Definition: Für mich ist ein guter Vorgesetzter eine Person, die dafür sorgt, dass sich Mitarbeiter optimal einarbeiten (eingearbeitet werden) und möglichst erfolgreich tätig sind. Ist ein Mitarbeiter unterhalb des Durchschnitts, unterhalb der Erwartungshaltung des Vorgesetzten, dann fällt das zuerst immer auf die mangelhafte Führungsleistung des Vorgesetzen zurück. Wird in so einer Situation der Mitarbeiter kritisiert, schiebt man ihm den Fehler zu, der dem Vorgesetzten anzulasten ist.

Unsicherheiten in der Entscheidungsfindung der Mitarbeiter hat meist mindestens eine Ursache. Zu den Ursachen zählen:

  • es gibt einen Wechsel der Vorgesetzen. Der Neue macht manches anders als der Alte. Was bis dahin richtig war, ist nun auf einmal falsch - und umgekehrt.
  • Neue Regeln werden nicht ausreichend erklärt.
  • Der Sinn mancher Regel ist unklar.
  • Die Neuerungen setzen ein Entscheidungsniveau (Wissen) voraus, was bei den vorhandenen Stelleninhabern nicht vorhanden ist. Nachschulungen erfolgen nicht.

Ich war über viele Jahre in Führungsverantwortung. Wenn ich einen Arbeitsauftrag gab, verlangte ich, dass Mitarbeiter mit Stift und Papier zu mir kamen, damit sie aufschreiben konnten, worauf sie zu achten hatten. Dies tat ich deswegen, weil ich um die mangelnde Merkfähigkeit mancher Mitarbeiter wusste. Ein guter Vorgesetzter kennt Stärken und Schwächen seiner Mitarbeiter und berücksichtigt diese bei den Arbeitsaufträgen ==> stellt sich darauf ein.

In ganz seltenen Fällen habe ich jemandem in der Probezeit gekündigt. Meine Begründung war: Bei der Einstellung habe ich mich geirrt und meine Fähigkeiten überschätzt, sie vollständig einzuarbeiten, damit Sie die verlangte Arbeitsleistung erbringen können. ==> ich habe versagt!

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RinMari 
Fragesteller
 18.11.2021, 20:38
@Nordlicht979

Wow, vielen lieben Dank für die ausführliche Antwort. Ich habe jetzt verstanden, was mein Fehler gewesen ist. Zwar habe ich auch die Vorgesetzten kritisiert und gesagt, dass ich von diesen auch mal ein "Nein, ich antworte darauf nicht." erwarte, habe mir aber nie Gedanken darüber gemacht, wieso ein langjähriger Sachbearbeiter einfache Fragen stellt oder unsicher ist. Die eigentliche Schuld sah ich also tatsächlich beim Sachbearbeiter und nicht beim Vorgesetzten. Ich werde das morgen bei meinen Vorgesetzten noch mal ansprechen, jetzt habe ich ja ziemlich gute Tipps von Dir bekommen. :)

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Nordlicht979  18.11.2021, 20:46
@RinMari

Mein Tipp: Geh vorsichtig vor. Wenn der Vorgesetzte nur über mangelnde Führungseigenschaften verfügt oder einen schlechten Charakter hat, machen es sich Vorgesetzte oft einfach, indem sie sich auf die Position stellen: §1 der Chef hat immer Recht §2 Sollte der Chef mal nicht Recht haben, tritt automatisch §1 in Kraft.

Überlege Dir vorher: 1) Was hast Du davon, wenn Du dem Vorgesetzten Tipps gibst? 2) was kann passieren, wenn der Vorgesetzte Deine Hinweise ignoriert? Wenn Du ihm keine klaren Vorteile verkaufen kannst, wenn er Deine Hinweise annimmt, stehst Du schnell als Klugscheißer da und bringst Dich in Mißkredit. Das Mindeste, was Du tun solltest: Frage, ob er Dir erlaubt, zum Problem X Deine Meinung zu sagen.

Bedenke auch die Vorsichtsregel: "Gehe nie zu Deinem Fürst, wenn Du nicht gerufen wirst"

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RinMari 
Fragesteller
 18.11.2021, 21:08
@Nordlicht979

Oh man, Du hilfst mir echt weiter! Meine Vorgesetzten sind relativ offen und möchten tatsächlich auch regelmäßig kritisiert werden, da habe ich großes Glück. Ich würde sagen, dass ich meine Verbesserungsvorschläge ergänzen möchte und werde dann auf Deine o.g Punkte eingehen. Ob meine Kollegin mir jemals verzeihen wird, weiß ich leider nicht, ich gebe mein Bestes. Demnächst werde ich auch mal die andere Seite reflektieren, aber nur Dank Dir. :)

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Nordlicht979  18.11.2021, 21:10
@RinMari

Mit Diplomatie arbeitest Du Dich auf eine Führungsposition hoch.....

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Ja, das ist wirklich weit verbreitet...

wir haben es möglicherweise nie wirklich gelernt und unser Verhalten so bei unseren Eltern abgeschaut... d.h. unsere Eltern waren uns hier keine optimalen Vorbilder.

Ich würde mir wünschen daraus ein "Unterrichtsfach"/in der Schule anzusiedeln um sich seiner eigenen Persönlichkeitsentwicklung zu widmen, anstatt immer zu schauen, wen man dissen kann, um sich aufgewertet zu fühlen.

RinMari 
Fragesteller
 18.11.2021, 18:47

Coole Idee...:)

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Man kann da viel probieren aber ich die müssen da an sich arbeiten. Man kann zwar auf gutes Vorbild machen und sagen "ich empfinde so und so und das verletzt mich" aber manchmal trifft man auf Taube Ohren weil sich diese Menschen selbst nicht zuhören. Also sie hören sich wirklich nicht selbst zu und dabei kommt manchmal verletzend Sülze bei raus. Sie fühlen sich nicht gehört und deswegen hören sie nicht zu deswegen Grenzen setzen! Geht jemand weiter hat das entsprechende Konsequenzen