Kann man Plutarchs Werke als Sekundärquellen sehen?

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Für eine Zuordnung bei einer Einteilung kommt es auch darauf an, was für ein Begriff von Sekundärquelle verwendet wird.

Die Unterscheidung kann auf die Nähe zum Geschehen ausgerichtet sein. Wer kein Zeitgenosse war, sondern später lebte und auch nicht direkt auf Befragung von Zeitzeugen zurückgreifen konnte, ist mit seiner Darstellung dann eine Sekundärquelle. Plutarch ist mit etwas mehr als fünfhundert Jahren Abstand zu Perikles keine Primärquelle, sondern hat sich auf Überlieferung gestützt (daneben auch Bauten und Kunstwerke in Athen besichtigt).

Daneben kann das Überlieferungsverhältnis von Quellen die Zuordnung begründen. In einem Begriffspaar ist eine Primärquelle die ursprüngliche Quelle, eine Sekundärquelle eine spätere Wiedergabe von etwas, das in der Primärquelle stand. Nach diesem Maßstab sind Plutarchs Werke an manchen Stellen Sekundärquelle, also nur teilweise, nämlich dort, wo er eine von ihm herangezogene Informationsquelle wiedergibt. Wieviel die genau ist, hängt davon ab, was als Wiedergabe gezählt wird. Wörtliche Zitate (z. B. von Versen des Komödiendichters Kratinos) gehören sicherlich dazu, freie/sinngemäße Wiedergabe wohl auch noch, wenn nur sehr ungefähre Rückschlüsse darüber, was in der Informationsquelle stand, möglich sind, wird es unsicher und zweifelhaft.

Barbara Wolbring, Neuere Geschichte studieren. Konstanz : UVK-Verlags-Gesellschaft, 2006 (UTB : UTB basics ; 2834), S. 84:
„Bei der Unterscheidung in Primär- und Sekundärquellen handelt es sich in beiden Fällen um Quellen. Eine Sekundärquelle ist die Wiedergabe einer Quelle in einer anderen Quelle.“

Sekundärquelle kann auch eine Bezeichnung für sekundäres Quellenmaterial sein, wobei sowohl die Nähe zum Geschehen (zeitlicher Abstand, nicht Teil des Geschehens) als auch Formung einer Überlieferung Kriterien sind. Plutarch ist dann eine Sekundärquelle. Er wählt aus, hat ein Darstellungsziel, will in den Biographien allgemein einen Charakter schildern, bei dem Lebensbild die Verwirklichung von Verhaltensweisen zeichnen. Plutarch hat – von anderen dazu angeregt und dann selbst davon überzeugt – 96 n. Chr. begonnen, βίοι πα�?άλληλοι (lateinisch: „Vitae parallelae“; deutsch: „Parallele Lebensbeschreibungen) zu schreiben, bei denen er berühmte Griechen und Römer paarweise zusammenstellte.

Seine Zielsetzung war vor allem eine moralisch-pädagogische. Plutarch hatte die Absicht, den Charakter der Personen deutlich hervortreten zu lassen. Tugenden und Fehler sollten erkennbar werden. Diese bildeten für das Publikum Beispiele (Exempel), als vorbildhaft oder abschreckend. Am Ende steht gewöhnlich ein Vergleich (σύγκ�?ισις; lateinisch: comparatio). Daneben wollte Plutarch Personen lebendig schildern und unterhaltsam schreiben. Außerdem hatte Plutarch das Ziel, Römern und Griechen etwas von Politik und Kultur (einer bewunderten Vergangenheit) des anderen Volkes zu vermitteln und sie so näherzubringen (Vgl. insgesamt C.hristopher B. R. Pelling, Plutarchos (Πλο�?τα�?χος). I. Leben und Werküberblick. II. Biographien. Übersetzung: T. Heine. In: Der neue Pauly (DNP) : Enzyklopädie der Antike ; Altertum. Herausgegeben von Hubert Cancik und Helmuth Schneider. Band 9: Or - Poi. Stuttgart ; Weimar : Metzler, 2000, Spalte 1159 – 116).

Klaus Meister, Einführung in die Interpretation historischer Quellen, Schwerpunkt: Antike, Band 2: Rom: Paderborn ; München ; Wien ; Zürich : Schöningh, 1999 (UTB für Wissenschaft : Uni-Taschenbücher ; 2056), S. 16 – 17:
„(c) Primäres und sekundäres Quellenmaterial

Weit verbreitet ist die Einteilung in primäres und sekundäres Material. Der Unterschied zwischen beiden Kategorien läßt sich folgendermaßen definieren: Das primäre Material, das auch als ungeformte Überlieferung bezeichnet wird, ist ein Teil des aktuellen historischen Geschehens; das sekundäre hingen, bestehend aus der geformten Überlieferung, sucht eben jenes Geschehen aus einer gewissen zeitlichen Distanz heraus zu rekonstruieren.

Zum primären Material gehört entsprechend die gesamte nicht-schriftliche Überlieferung, also die materiellem und archäologischen Quellen, aber auch die ganze schriftliche Überlieferung, soweit sie dem aktuellen Geschehen zuzurechnen ist, u. a. Urkunden, Volksbeschlüssen, Staatsverträge, Privatkontakte, Reden, Flugschriften, Memoiren, Rechtsaufzeichnungen. Unter Sekundärquellen ist dagegen die gesamte Überlieferung zu verstehen, die mit Hilfe der Primärquellen das historische Geschehen nachträglich zu rekonstruieren sucht. Dies gilt vornehmlich für die Geschichtsschreibung und Biographie, […].“

S. 17: „Zur sekundären Überlieferung zählen, wie bereits erwähnt, außer den Geschichtsschreibern u. a. die Biographen. Für die Thematik der folgenden Interpretationen ist besonders Plutarch (ca. 45-120 n. Chr.) von Bedeutung.“

Hallo LETSTHINK,

ich habe Plutarch zwar nicht gelesen, aber weil er vor 2000 Jahren gelebt würde ich Plutarch als Primärquelle sehen, denn in den 2000 Jahren, die vergangen sind, kann sich die auf Perikles im Vergleich zu damals stark verändert haben. Eine Sekundärquelle, bzw. ein Text der Sekundärliterartur, wie es heute heißt, ist ein Sachtext, der in nicht allzu ferner Vergangenheit über einen Sachverhalt oder eine Person geschrieben worden ist. Also kann ich nur nochmals betonen, dass Plutarch einfach zu alt ist, um als Text der Sekundärliteratur gelesen zu werden.

Albrecht  25.10.2012, 22:18

Sekundärquelle und Sekundärliteratur dürfen nicht sachlich gleichgesetzt werden. Für Geschichtswissenschaft ist die Unterscheidung zwischen Quellen und Literatur grundlegend. Sekundärliteratur ist für das methodische Herangehen der Geschichtswissenschaft unpassend, Der Begriff gehört zum Fach Deutsch/Germanistik/Philologie/Literaturwissenschaft und ist auf dem Gebiet des Faches Geschichte nur aus einer fortgesetzten schlechten Gewohnheit verbreitet.

Bei der Frage kommt es auf den zeitlichen Abstand von Plutarch zu Perikles an, nicht auf den von Plutarch zur Gegenwart. In der Antwort ist die Richtung genau verkehrt herum. Die Zeit des Perikles ist gegenüber der des Plutarch eine deutlich ältere Vergangenheit und dies kann ein Grund sein, Werke Plutarchs als Sekundärquelle einzuordnen.

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