Interpretation Georg Heym 'Der Mond hat sich in gelben Rauch gehüllt' - Wer kann helfen?

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Hier frisch aus dem Internet:

Das Sonett „Die Stadt” von Georg Heym aus dem Jahre 1911 beschreibt auf teils düstere Weise das nächtliche Stadtleben aus der Sicht eines all überschauenden Ich-Sprechers. Das Gedicht ist sowohl formal, als auch inhaltlich durch eine Zäsur1 zwischen den beiden Quartetten und Terzetten geteilt. Es hat einen umarmenden Reim abba in den ersten beiden Strophen und einem Dreifachreim in der dritten und vierten Strophe.

Die Szenerie wird zunächst als eine dunkle, bewölkte Mondnacht eingeleitet (Z. 1f) und mit rot beleuchteten Häuserfenstern (Z. 3f). Stilistisch sind Vers 1 und 2 über ein Enjambement2 auseinander gerissen, denn beide Verse gehören eigentlich zusammen. Was noch auffällt sind die Personifizierungen der Häuserfenster (Z. 3f) und die Wahl von positiven Adjektiven; die Wortwahl wirkt geradezu verniedlichend.

Die zweite Strophe beschreibt den Stadtverkehr, er wird sehr lebhaft und verflochten als „Aderwerk” beschrieben (Z. 5), als auch das pulsartige Treiben der Menschen. Die Verse 7 und 8 des letzten Quartetts bilden eine Brücke zu dem inhaltlich zweiten Teil des Sonetts, die sehr vitalen positiven Beschreibungen weichen und der Ich-Sprecher nimmt das stumpfe Geräusch der Stadt wahr, welches vom „stumpfen Sein” - vom möglicherweise monotonen, langweiligen Leben in der Stadt - herrührt.

Wie in Sonetten häufig üblich, stehen auch hier die nachfolgenden Terzette ganz im Kontrast zu den vorangegangenen Quartetten. Es kommen erst einige Antithesen3, bei denen Gebären und Tod gegenüber gestellt werden und dem Sprecher nur als „gewirktes Einerlei” erscheinen. Trotz dieser völligen Gegenüberstellung von Kontrasten, nämlich von zwei unterschiedlichen Lebensabschnitte, bei dem der eine lebenseinleitend und der andere lebensbeendend ist, nur das lyrische Ich nur ein diffuses Ganzes wahrnehmen und ist außer stande, beides voneinander zu differenzieren. Im nächsten Vers folgt dann ein Parallelismus, welcher eine ebensolche Antithese enthält: „Lallen der Wehen” und „Langer Sterbeschrei”. Der Sprecher könnte sich in einer Lethargie oder Verdrießlichkeit zu befinden, dieser „blinde Wechsel” von Gegensätzlichkeiten geht am Sprecher teilnahmslos und „dumpf” vorbei (Z. 11). Heym verdeutlich in dieser Strophe die Kurzlebigkeit und Bewegung in der Stadt, in dessen Tempo das lyrische Ich nicht mehr mitkommt. Diese Strophe könnte jedoch auch eine Kritik an der Großstadt-Anonymität darstellen, da der Sprecher kein Interesse an den Einzelschicksalen seiner Mitmenschen zeigt (selbst bei solchen wichtigen Einschnitten in der Vita eines jeden Menschens wie Tod und Geburt) und wegen der Masse an Menschen auch gar nicht zeigen kann.

Die letzte Strophe beschreibt ein Bild der Bedrohung. Feuer, Fackeln und Brand sind von der Ferne aus sichtbar und gefährden die Existenz Stadt. Der stark aufsteigende schwarze Rauch und in dem sich reflektierende Feuerschein unterstreichen die Bedrohung (Z. 14). Es handelt sich wahrscheinlich um einen Waldbrand.

Das lyrische Ich bleibt im Hintergrund. Über ihn/sie wird nur über die auffällig expressive Sprache wie dem Substantiv „Aderwerk” was über das Gefühlsleben bekannt. Augenscheinlich wird die Stadt als sehr lebendig und besinnlich geschildert, weiter in das Leben der Menschen hineindringend wird ein Gefühl von Eintönigkeit und Dumpfsinn, vielleicht auch Einsamkeit und Anonymität vermittelt. Auffallend ist, dass der Beobachter die Stadt mit einem menschlichen Körper vergleicht. Sie ist in den beiden Quartetten ein pulsierender Körper mit „blinzelnden Lidern”. Auf die beiden Terzetten zugehend wird ihr „Sein” jedoch „stumpf” und der Körper ist hin- und hergerissen zwischen Leben und Tod. Es ist zu vermuten, dass der Sprecher wenigstens seit einiger Zeit in der Stadt lebt, so dass man der Person Unzufriedenheit mit seinem Alltagsleben in der Stadt unterstellen könnte. Es ist auch nicht bekannt, bzw. es gibt keine Anhaltspunkte, welche oder ob überhaupt eine bestimmte Stadt gemeint ist.

Sehr typisch für den Expressionismus greift dieses Gedicht von Heym das Motiv der Naturkatastrophe und des Weltuntergangs im biblischen Stil auf; das existenzbedrohende Feuer stellt nämlich in der Bibel eine Art apokalyptischer Vorbote dar. Darüber hinaus ist ebenso das Thema Großstadt ein beliebtes Thema zeitgenössischer Expressionisten. Insgesamt ist die Sprache sehr metaphorisch (Z. B. Z. 3ff und Z. 14) und gefühlsbetont. Dem Leser werden nicht nur optische, sondern auch akustische Schilderungen gegeben. Die Form und der Reim sind streng, das Gedicht wird in die Form eines festen Schemas „gepresst” und steht im Kontrast oder wird gerade zur Verstärkung zum häufig wechselhaften Inhalt expressionistischer Lyrik verwendet. Zusätzlich können wir die für den Expressionismus typischen Farben schwarz (Z. 1: „Nacht”) und rot (Z. 4: „blinzeln mit den Lidern rot und klein”, Z. 5: „Aderwerk”, Z. 12: „Feuer, Fackeln rot und Brand”) entdecken, genauso wie häufig in expressionistischen Werken auftauchende Stilmittel wie Personifikationen5 (Z. 3ff), Metaphern (Z. 5f, Z. 14) und Verfremdungen (Z. 1: „Sehr weit ist diese Nacht”, Z. 8: „Eintönig kommt heraus in Stille matt”).

Abschließend können wir feststellen, dass an diesem Gedicht typische Großstadtkritik der Expressionisten deutlich wird. 00b2ea72

Anmerkungen 1 (Inhaltlicher) Einschnitt 2 Zeilensprünge. Ein Satz wird hier häufig gegen die Logik des Lesers mittendrin umgebrochen und auf zwei Verse verteilt. Je nach Kontext und Art der Umbrechung kann der Satz damit abgehackt (da man wegen der Unlogik zu Gedanken- und Sprechpausen gezwungen wird) oder auch temporeich wirken. 3 Gegenüberstellung von Gegensätzen; Behauptungen die sich zu widersprechen scheinen. 4 Unscharf, undeutlich, ungenau 5 Bei der Personifikation wird ein lebloser oder ein abstrakter Begriff, oder aber auch ein Tier, „vermenschlicht“. Personifikationen treten z.B. immer in Fabeln auf (da Tiere wie Menschen handeln). Anderes Beispiel: Der Mond schaut zornig drein; der Mond nimmt hier also charakteristische menschliche Züge an.

lunanuova  06.03.2011, 08:17

Die Stadt (1911) - Georg Heym

Home Lyrik Die Stadt

  1. Sehr weit ist diese Nacht. Und Wolkenschein
  2. Zerreißet vor des Mondes Untergang.
  3. Und tausend Fenster stehn die Nacht entlang
  4. Und blinzeln mit den Lidern, rot und klein.

  5. Wie Aderwerk gehn Straßen durch die Stadt,

  6. Unzählig Menschen schwemmen aus und ein.
  7. Und ewig stumpfer Ton von stumpfem Sein
  8. Eintönig kommt heraus in Stille matt.

  9. Gebären, Tod, gewirktes Einerlei,

  10. Lallen der Wehen, langer Sterbeschrei,
  11. Im blinden Wechsel geht es dumpf vorbei.

  12. Und Schein und Feuer, Fackeln rot und Brand,

  13. Die drohn im Weiten mit gezückter Hand
  14. Und scheinen hoch von dunkler Wolkenwand.

Dazu passt Dein Text.

Aber was hat das mit dem Text oben in der Frage zu tun?

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