Hilfe bei der Interpretation des Gedichtes "Ich bin die Nacht" von Selma Meerbaum-Eisinger. Kennt sich hier jemand aus?

1 Antwort

Du solltest vielleicht damit anfangen, ein paar Worte über die Dichterin zu sagen. Wenn Du darüber nichts weißt, schau Dir vielleicht mal bei Wikipedia oder sonstwo ihre Biografie an. Sie ist 1924 geboren, im Lager sehr jung an Fieber gestorben und ihr Leben als Jüdin war vermutlich ab 1933 für sie und ihre Eltern, da war sie 9 Jahr alt, kein Zuckerschlecken. In Wikipedia steht z. B. auch:  "Bei Selma Merbaums überlieferten Gedichten handelt es sich vorwiegend um impressionistische Liebes- und Naturlyrik von beachtlicher Stilsicherheit, die durchgängig von einer melancholischen
Grundstimmung geprägt sind. Hilde Domin gestand einmal, die Gedichte
Selma Merbaums, die „so rein, so schön, so hell und so bedroht seien“,
„weinend vor Aufregung“ gelesen zu haben. Das schmale Werk der jungen
Autorin gehört neben den Gedichten Rose Ausländers und Paul Celans zum großen literarischen Erbe der ausgelöschten deutsch-jüdischen Kultur der Bukowina."

Vor diesem Hintergrund könnte man dann vielleicht darauf eingehen, dass in der Literatur/Lyrik (vor allem vor der Erfindung des elektrischen Lichts) die Nacht immer auch als bedrohlich, angstauslösend gesehen wurde oder man liegt - wie bei Mörikes In der Frühe (1828) schlaflos und grübelnd im Bett und wartet auf den Morgen.

Hier aber (und das kann man dann wieder mit den Lebensumständen der Dichterin und dem Zitat nach H. Domin verbinden) ist es nicht der Morgen, das Licht, das Erlösung bringt; es die Nacht, die mit ihren weichen Schleiern jedes "heiße Weh" (später heißt es auch mal "Fieber")  wegnimmt in "ihr kühles Boot". Der weiße Tod und das kühle, schwarze Boot sind natürlich dichterische Metaphern, die einen weiteren Gegensatz zum Ausdruck bringen: das Boot fährt sanft auf dem Wasser dahin, der Tod ist weiß und grell (vielleicht sollte man auch daran denken, dass es Kulturen gibt, in denen weiß die Farbe des Todes, der Trauer ist).

Demjenigen, den die Nacht hier erlöst, der "Geliebte", sind die Begriffe "langer Weg" und "Wanderer" zugeordnet, man denkt also an den, der lange unterwegs war, von des Tages Mühen müde ist (s. Leben der Dichterin), das Vermähltsein deutet auf die unauflösliche Verbindung hin; das seidenweiche schwarze Haar ist wieder eine Metapher für Nacht, für Schlaf, für Vergessen.

Das sind - denke ich - die wesentlichen Grundmotive. Man könnte vielleicht dann auch noch etwas mehr auf den Gegensatz zwischen Nacht und Tod (hat auch z. B. weiche Schleier, aber die der Nacht sind weicher, Gegensatz weiß - schwarz, dunkel usw.) eingehen und ein wenig noch die einzelnen Metaphern (süß wie Fliederduft, kühle weiße Hände auf der heißen Stirn usw.) beleuchten und dann am Ende/zum Abschluss vielleicht eine Einordnung in den Impressionismus (auch dazu findet man einiges in Lexika und Internet) vornehmen und etwas Lobendes über Gedicht und Dichterin sagen.