Erregungsleitung am Soma?

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Hi,

dazu muss man wissen, dass Nervenzellen zwei Methoden verwenden, um Signale zu verarbeiten.

1.) Die Aktionspotentiale, die praktische verlustfrei, nach dem sog. Alles-oder-Nichts-Prinzip sich durch ein Axon fortpflanzen. Sie kommen genau in der Qualität am Ende des Zellabschnittes an, den sie durchlaufen, wie sie gestartet sind, sie erleiden dabei keinen Verlust ihrer gemessenen Auslenkung auf der Y-Achse (Amplitude).

Das unterscheidet sich ganz gravierend vom Somapotential. Im Soma kommt eine ganz andere Methhode zur Anwendung.

2.) Die graduierte Potentialänderung. Ich werde erklären, was es damit auf sich hat, es hört sich schlimmer an, als es ist.

Erstmal läuft das AP nicht ins Soma hinein, weil nach der Neuronentheorie, die Leitungsbahnen distinkte Abschnitte sind, die auf die Länge von Nervenzellen beschränkt sind und gezwungenermaßen Lücken (Zell-Zell-Kontakte) haben, die von den Signalen überquert werden müssen. Vor der Neuronentheorie dachte man noch, die Nervenbahnen seien durchgängig.

D.h. also, wenn ein AP auf den Abschnitt einer Nervenzelle beschränkt sei, an dem es generiert wird, dem sog. Axonhügel und dem Abschnitt, durch den es fortgeleitet wird, dem Axon, so bleibt das AP auf diesen Zellausläufer beschränkt und endet dort, wo auch die Nervenzelle endet. Feierabend.

Es kommt also nicht direkt im Soma der nächsten Nervenzelle an, sondern es gibt dort erst mal einen spezialisierten Zell-Zell-Kontakt, der die Information des ankommenden AP auf die nächste Nervenzelle überträgt. Diese Region nennt man gewöhnlich eine Synapse. Hier wird teils auf ganz ulkige Art und Weise, nämlich auf chemischem Wege, die Information über einkommende AP`s weitergegeben, durch Freisetzung von sog. Transmittermolekülen, die an der Membran der empfangenden Nervenzelle ("postsynaptisch") eine Potentialänderung verursachen.

Diese postsynaptische Potentialänderung findet entweder am Soma statt oder erreicht das Soma über zuleitende Ausläufer, den Dendriten. Dieses Somapotential ist ein graduiertes synaptisches Potential und unterscheidet sich grundlegend von Aktionspotentialen.

Wir werden sehen weshalb. Bitte mal die Abb. "C" anschauen "Membrane potential in the soma" https://www.researchgate.net/figure/A-EPSP-generated-with-equation-1-with-the-weight-w6mV-the-firing-time-tf2ms-the_fig1_216473934 wie man im Unterschied zu Aktionspotentialen erkennen kann, wird dieses Somapotential über seine Amplitude (die Höhe der Auslenkung auf der Y-Achse) charakterisiert, es ist "amplitudenmoduliert", während die AP`s durch die Anzahl ihres Auftretens als jeweils gleichförmige Signale, charakterisiert sind, sie sind "frequenzmoduliert", wie man hier z.B. sieht https://www.spektrum.de/lexika/images/neuro/fff358_w.jpg die Reizstärke wird bei AP`s nicht über die Auslenkung auf der Y-Achse wiedergegeben, die ist überall gleich hoch, sondern über die Anzahl ihres Auftretens.

Wir haben es also mit zwei ganz unterschiedlichen Methoden zu tun, mit denen eine Nervenzelle Signale, je nach Zellabschnitt, verarbeitet und diese Methoden wechseln sich immer wieder ab, über die verschalteten Nervenzellen hinweg.

Das sog. Rezeptorpotential sensorischer Nervenendigungen in Sinnesorganen ist auch ein graduiertes Potential mit veränderlicher Amplitude, die die Reizstärke abbildet, hören, riechen, schmecken, fühlen. Das reizabbildende Potential von Sinneszellen hat den Spezialnamen Rezeptorpotential, ist aber ein glasklares Somapotential, es breitet sich passiv über den Zellkörper (das Soma) aus und löst nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip sich fortpflanzende AP`s am Axon aus. Diese AP`s enden mit dem Axon und werden durch eine Synapse auf das Soma der nächsten Nervenzelle übertragen, wo es wieder als graduiertes synaptisches Potential in Erscheinung tritt, ähnlich dem Rezeptorpotential löst es nach dem Alles-oder-Nichtsprinzip sich fortpflanzende AP`s am Axon aus, diese enden mit dem Axon und werden durch eine Synapse auf das Soma einer nächsten Nervenzelle übertragen, u.s.w.

Das bedeutet, bezugnehmend auf die Fragestellung, im "Soma" trifft man nicht auf Aktionspotentiale, sondern auf graduierte synaptische Potentiale oder bei Sinneszellen, auf reizabhängige Rezeptorpotentiale, die beide amplitudenmoduliert sind.

Synaptische Potentiale und Rezeptorpotentiale, die im Soma erzeugt werden, haben, im Unterschied zu AP`s, den gravierenden Nachteil , dass ihre Amplitude mit der Entfernung rasch abfällt. Das ist aus physikalischen Gründen so. Sie können sich nur über geringe Entfernungen ausbreiten, selbst die Ausbreitung von weit entfernten Dendriten zum Soma hin, können sie bereits ~50% ihrer Stärke (Amplitude) kosten. Das liegt an den elektrischen Eigenschaften (u.a. elektrischer Widerstand) des Zellmaterials, namentlich des Zytoplasmas und der Zellmembran. Nach einer kurzen Distanz ist von einem sich passiv ausbreitendem Somapotential nichts mehr übrig.

Im Unterschied zu der ausgeklügelten Technik eines sich selbst erhaltenden AP`s und seiner Forpfalnzung über lange Distanzen, spricht man bei einem Somapotential, von einer "elektrotonischen Ausbreitung" (passive Ausbreitung), welche sich gut eignet, über den Zellkörper des Neurons (das Soma) auszubreiten, aber aufgrund schnell eintretender Verluste, mit zunehmender Entfernung, rasch auf 0 fällt.

Überschreitet das Somapotential einen Schwellenwert am Axonhügel, löst dies wiederum AP`s aus, die als "Langstreckenläufer", die Distanz zum nächsten Neuron überbrücken. Gruß, Cliff


CliffBaxter  08.04.2019, 08:52

ich glaub, jetzt hab ich so viel geschrieben, dass du genauso schlau bist, wie vorher :D

ich versuche es nochmal ganz kurz auf den Punkt zu bringen:

AP`s laufen nicht ins Soma, sondern Synapsen depolarisieren das Soma der nachgeschalteten Nervenzelle, aufgrund ankommender AP`s.

Das Somapotential entsteht nicht auf dem selben Weg, wie Aktionspotentiale, die sich durch das lawinenartige Öffnen spannungsgesteuerter Ionenkanäle, verlustfrei, selbsterhaltend, über große Distanzen fortpflanzen.

Das Somapotential entsteht zwar auch durch das Öffnen von Ionenkanälen am synaptischen Spalt, breitet sich von dem Ort der lokalen Depolarisation der Membran jedoch nur passiv ("elektrotonisch") aus.

Aufgrund der begrenzten elektrischen Eigenschaften (Widerstand) von Zytoplasma und Membranen, kommt es zu einem raschen Abfall der Amplitude des Somapotentials, mit der Entfernung.

Ein sich elektrotonisch ausbreitendes Membranpotential reicht allenfalls, um den Zellkörper eines Neurons (Soma) zu depolarisieren, ist jedoch für längere Distanzen ungeeignet. AP`s und elektrotonisch ausbreitende, graduierte (synaptische) Somapotentiale sind zwei unterschiedliche Arten von Nervensignalen, die je nach Zellabschnitt verwendet werden. Gruß

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jaykee07 
Fragesteller
 08.04.2019, 22:45

Vielen Dank. Du bist der Beste!

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