Charakterisierung Mädchen mit Zierkamm?

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Beschreiben und charakterisieren 2. Eine Person beschreiben: im literarischen Porträt Botho Strauß: Mädchen mit Zierkamm Botho Strauß (geboren 1944), deutscher Schriftsteller, zielt mit seinen Dramen, Gedichten, mit Prosa und Essays auf die Durchbrechung fester Wahrnehmungsmuster in unserer Gegenwart erhielt er den renommierten Büchner- Preis. spuchtig (niederdt.): zart, mager Es ist Mittag, und sie sonnt sich in der kleinen Anlage vor der U-Bahnstation. Sie bückt sich nach einem Teil, einem Haarschmuck, etwas, das verloren neben der Bank am Boden liegt. Sie selbst trägt ein stakig kurzes Punkhaar, steife Strähnen, wie in einer Alb-Nacht gezaust und zu Berge stehen geblieben. Vanilleton mit schneeweißen Streifen. Dazu ein violetter Pulli mit schlappem Schalkragen, ein sehr knapper Lederrock, schwarze Strumpfhose, schwarze abgelaufene Stiefeletten, auch die Augen in schwarz ausgemalten Höhlen. Sehr kleines Gesicht, dünne, mondbleiche Haut, so dass an der Schläfe die Ader blau hervorschimmert. Zierliche, glatte Nase, bleigrün gestrichene Lippen, ein etwas zu breiter Mund, abfallendes Kinn. Was also anfangen mit der kleinen Schildpattharke? Sie betrachtet sie, sie wendet sie, kratzt mit dem Daumennagel am Lack. Echt oder nicht? Sie lehnt sich zurück, nimmt das hübsche Fundstück zwischen die spuchtigen Finger, spielt damit, als riefe es irgendeine Erinnerung herauf, an eine Freundin, eine Schwester vielleicht oder auch an die eigene Frisur, wie sie vor Jahren war Dann werden die Ellbogen hochgezogen und auf die Banklehne gestützt, die Beine überkreuz, der rechte Fuß wippt angeregt. Die lasch herabhängende Hand schaukelt das Ding, zwischen Zeige- und Ringfinger geklemmt, immer noch schielt sie hin mit leicht geneigtem Kopf, hält es anhänglich im Blick. Ein denkwürdiges, ein willkommenes Ding, eine kleine Freude offenbar. Das Ding ist keine Spange. Wie heißt es? Haarklemme? Wie sagt man genauer? Steckkamm. Die einfachsten Dinger, die man immer vergisst, verliert. Das Mädchen ist bisher schlecht und recht mit den Menschen ausgekommen. Ihrer Meinung nach haben sie alle zu viel von ihr verlangt. Sie hat sich immer in der Lage befunden, irgend jemand anblaffen zu müssen. Sie hat ein loses Mundwerk, sagte man früher. Aber das ist es nicht. Ihr Mund hat sich zu einer kleinen schnellfeuernden Schallwaffe entwickelt. Sie lässt sich nichts gefallen, aber ihr gefällt auch von vornherein nie etwas. Alle wollen irgendwas von ihr, das sie absolut nicht will. Weil einfach nichts von ihr gewollt werden soll. Was sie aber will, versteht sowieso keiner. [ ] Es gäbe die Möglichkeit, wirklich die Frisur zu wechseln. Die Haare wachsen lassen, einfach ein anderer Typ sein. Sie beugt sich vor, hebt die Hand, sieht sich das Stück von nahem an. Schildkrötenpanzer. Braungelb geflecktes Horn. Drecksding. Schildkrötenmörder. [ ] Jedenfalls müssten die Ohren frei bleiben. Man kann sich ja auch mit dem Ding die Haare bloß an der Seite hochstecken. Aber ich habe ein viel zu kleines Gesicht für lange Haare. Früher ja. Aber im Sommer ist es die Hölle. Das Mädchen nimmt, was es zuerst einen Steckkamm genannt hat, zwischen die Ballen der rechten und linken Hand. Sie spreizt die Ellenbogen und drückt zu. Das Horn zerbricht, sie lässt beide Teile zwischen ihren Beinen zu Boden fallen. [ ] DO _069_078.indd :29:23

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