Lange stand die kalabrische Mafia im Schatten der Cosa Nostra und Camorra. Mittlerweile hat die 'Ndrangheta beide überflügelt. Die Hydra des organisierten Verbrechens im rückständigen Süden Italiens hat drei grosse Köpfe: die sizilianische Cosa Nostra, die neapolitanische Camorra und die kalabrische 'Ndrangheta. Letztere, die als gefährlichste Mafia Europas gilt. Der kalabrische Ableger der Krake Mafia wurde zu Unrecht lange unterschätzt und konnte so im Schatten der beiden anderen grossen Mafia-Organisationen nahezu ungestört expandieren. In den Neunzigerjahren legte sich die Cosa Nostra mit dem italienischen Staat an und verübte schlagzeilenträchtige Bombenattentate, während die Camorra noch 2005 einen blutigen Bandenkrieg ausfocht. Davon profitierte die 'Ndrangheta, die längst ein global operierendes Unternehmen geworden ist, das in ganz Europa, Nord- und Südamerika sowie in Russland und Australien von Emigranten gegründete Zweigstellen unterhält. Das römische Institut Eurispes schätzte 2007 den jährlichen Umsatz der kalabrischen Mafia auf 44 Milliarden Euro — mehr als das Bruttoinlandsprodukt beispielsweise von Slowenien.Erwirtschaftet werden die Milliarden mit Waffenhandel, Prostitution und Erpressung, zu rund zwei Dritteln aber im Kerngeschäft der 'Ndrangheta: dem weltweiten Drogenhandel, früher mit Heroin, heute vor allem mit Kokain. Dank ihrer guten Beziehungen mit den kolumbianischen Drogenkartellen beherrscht die 'Ndrangheta den europäischen Kokain-Markt. Die ungeheuren Gewinne aus diesen illegalen Geschäften transferiert die Mafia in legale Wirtschaftsbereiche, etwa indem sie im Baugeschäft investiert, Geld in Immobilien steckt oder Restaurants kauft.Die Polizei tut sich schwer bei der Verfolgung der kalabrischen Mafia, denn deren Struktur ist archaischer als jene ihrer sizilianischen und neapolitanischen Schwester-Organisationen. Die schätzungsweise 6000 bis 10 000 Mitglieder der 'Ndrangheta sind in 90 bis 160 Clans organisiert, denen jeweils nur Blutsverwandte angehören. Dies macht die Einschleusung von Spitzeln nahezu unmöglich und verstärkt die Loyalität des einzelnen «'Ndrinu», wie ein Mitglied der 'Ndrangheta genannt wird, gegenüber seiner «'Ndrina», also seinem Clan. Deswegen gibt es auch kaum Kronzeugen, die mit der Justiz zusammenarbeiten. Zusätzlich erschwert der im Vergleich zu den anderen kriminellen Organisationen stärker föderale Aufbau der 'Ndrangheta deren Bekämpfung.

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