Ich habe auch selektiven Mutismus aber ich habe es glaube ich nicht so schlimm. Ich habe es auch nie therapiert. In der Grundschule wollten einige Lehrpersonen nicht einsehen, dass ich mich nie im Unterricht melde und deshalb wollte man mich mit anderen schlechteren Schülern aus der Klasse schicken. Man vermutete, dass ich in kleinen Gruppen eher spreche. Aber das hat mich nur noch mehr aus der Klasse ausgeschlossen.
Ich hatte in meiner ganzen Schullaufbahn aber immer gute Noten. Besonders im Schriftlichen. In der Grundschule waren noch keine mündlichen Prüfung und nur wegen einer negativen Mitarbeit kommt man trotzdem weiter. Die Mitarbeitsnote zählt meist nur 50%. Und wenn man immer in der ersten Reihe sitzt, dann sieht es automatisch so aus, als ob man mitarbeitet. Sogar mehr als die, welche in der letzen Reihe sitzen und nur mit dem Banknachbarn quatschen.
Später kamen dann natürlich auch mündliche Prüfungen dazu. Ich wusste ja, dass, wenn ich bei der mündlichen nicht rede, dass ich dann keine gute Note bekomme. Wenn ich also unbedingt musste, dann redete ich schon. Den Stoff kann ich ja und gelernt habe ich auch. Meist rede ich dann vielleicht nicht so laut aber ich rede bei jeder Prüfung. Nur freiwillig nicht.
Mit Klassenkammerraden rede ich auch nicht freiwillig. Deshalb mögen mich alle Lehrpersonen, weil ich nie den Unterricht störe. Man könnte sagen, ich habe eher einen Vorteil in der Schule, weil ich so brav bin.
Und auch in anderen Situationen, wo viele Leute sind, rede ich nicht. Wie zum Beispiel im Bus. Ich sitze einfach nur da, obwohl ich zum Beispiel mit meiner Mutter neben mir reden könnte. Aber im Bus hört jeder zu und das mag ich nicht. Außerdem ist es für mich stressig zu reden, wenn ich nicht will. Und ich rede in der Öffentlichkeit nur, wenn ich wirklich muss oder will. Es ist doch so gemütlich einfach nur still zu sein und die Ruhe zu genießen. Man muss doch nicht immer reden oder sich melden und was sagen. Ich denke mir die Sachen einfach. Wenn Lehrer in der Schule was fragen, denke ich mir die Antwort aus, ich überlasse es aber jemand anderen, die Antwort zu geben.
Zuhause rede ich sehr viel mit meinen Eltern. Geschwister habe ich keine.
Freunde habe ich nicht viele, weil ich nie rede und niemand hatte je die Chance, mich näher kennen zu lernen. Ich bin ein Geheimnis, weil ich nicht viel über mich sage. Ich will aber auch keine Freunde, weil ich eigentlich keine Lust zum Reden habe. Nur mit ganz engen Bezugspersonen möchte ich reden. Um mit mir Freundschaft zu schließen, sodass ich gleich viel wie zu Hause rede, muss man erst Mal Bezugsperson werden. Und das geht bei mir nur, wenn man wirklich fast die gleichen Hobbys hat. Und ich sage ja niemanden, welche Hobbys ich habe. Also ist es ganz zufällig, ob ich jemanden treffe, der die gleichen Hobbys wie ich hat und dann kann diese Person langsam Bezugsperson werden und dann könnte ich stundenlang reden.
Das war so eine kurze Einführung in meine Erfahrung und meine Gedanken als Person mit selektiven Mutismus. Gerade heute hatte ich meine schriftlichen Abitur Prüfungen und am Montag habe ich die Mündliche. Das wird aber schon gehen. Aufgeregt bin ich glaube ich, sogar weniger als andere aus meiner Klasse.
