Hmm - also. Ist nicht ganz so einfach zu beantworten. Es ist eine sehr alte Geschichte.
Sie stammt aus einer Zeit, als es nicht nur keine moderne Naturwissenschaft, sondern noch nicht mal griechische Philosophie gab. Sie orientiert sich nicht an einem modernen, kausal-linearen Weltbild, sondern fragt nach der Herkunft des Menschen und seiner Verfasstheit in der Welt.
Wie alle Geschichten hat sie nicht einfach eine einzige Aussage. Keine gute Geschichte kannst Du auf eine Botschaft reduzieren. Deshalb sind solche Geschichten auch dem "wissenschaftlichen" Zerstören wehrlos ausgeliefert, wenn man versucht, daraus abstrakte "Wahrheiten" ab zu leiten.
Stell Dir vor, Du würdest nach der Aussage von Star Trek gefragt werden. Da würdest Du es für eine absurde Frage halten. Aber bei biblischen Geschichten finden viele Menschen nichts dabei, daraus selbst solche Aussagen zu extrahieren, die auf Fragestellungen antworten, die nur in einem modernen Weltbild überhaupt Sinn ergeben.
Einen möglichen Erlebens-Hintergrund (also der reale Rahmen, durch den eine Geschichte den ursprünglichen Hörern plausibel und nachvollziehbar ist) hat Wasserhut beschrieben. Das erklärt nur nicht, weshalb die Ereignisse an den Anfang der Menschheit verlegt und als existentielle Geschichte weiter erzählt wurden.
Die Geschichte enthält solche Dinge wie: Der Mensch ist geschaffen als Mann und Frau. Der Mensch braucht ein Gegenüber. Wir sind aus "Erde" gemacht und werden wieder zu Erde usw.
Was schwieriger ist, ist die Sache mit der Frucht vom Baum der Erkenntnis und dem draus folgenden Rausschmiss aus dem Garten Eden. Daraus ist alles mögliche schon gemacht worden.
Die Schlange - das "klügste Tier" - verführt Eva, etwas von Gott verbotenes zu tun; sie gibt auch Adam davon, der die angebotene Frucht auch isst. Der Verstoß gegen Gottes Verbot allein wäre jedoch nicht das Problem. Nun passiert jedoch etwas: Sie schämen sich - vor Gott und vor einander. Sie verstecken sich. Gehen auf Distanz. Erst damit sind sie quasi "schon draußen" aus dem paradiesischen Garten, der für die Nähe zu Gott und ihre harmonische Gemeinschaft steht.
Es ist viel spekuliert worden, wie diese Trennung von Gott - das ist, was Sünde bedeutet - weiter gegeben wird, da ja wir auch außerhalb des Garten Eden sind. Allerdings gibt eine Geschichte, die eben auch mythische Züge hat, keine Antwort auf historische Fragestellungen, sondern darauf, wie der Mensch sich selbst vorfindet und sich selbst verstehen kann.
Ich denke, die Geschichte erzählt, dass wir dann, wenn wir alt genug sind, um uns überhaupt als schuldig wahr zu nehmen, immer schon aus dem "Paradies"-Garten draußen sind.
Mit biologischer Weitergabe einer "Erbsünde" hat das für mich nichts zu tun. Die Idee, bei Vererbung an einen biologischen Vorgang zu denken, ist relativ neu - Erben ist erst mal ein gesellschaftlich verankerter, sozialer Akt der Weitergabe von Gütern.
Genauso wird unsere Grundbefindlichkeit, mit Angst durchs Leben zu gehen, uns zu schämen, uns ungeliebt zu fühlen usw. auf sozialem Weg weiter gegeben.
Wenn wir erwachsen genug sind, um die Verantwortung für unser Leben zu übernehmen, sind wir immer bereits an anderen schuldig geworden. Deshalb gibt es keine Zustand, in dem jemand von sich selbst rechtmäßig sagen könnte: Ich bin ein gänzlich unschuldiger Mensch.
Daraus ist nicht zu schließen, dass Kinder "böse" oder "schuldig" auf die Welt kommen, sondern dass wir immer schon in Strukturen leben, in denen wir Dinge tun, die wir nicht verantworten können oder wollen, was uns dazu bringt, uns von Gott zu distanzieren.
Setz für Gott mal "der Blick aufs Ganze" und "bedingungslose Liebe" - beides wird Gott zugeschrieben - dann verstehst Du, wie real das ist.