Sicher. Von Anfang an wurde alles versucht, um jegliche Religiosität zurüchzudrängen (dafür trieb man dann mit Karl Marx, W.I. Lenin, Rosa Luxemburg und Ernst Thälmann einen Kult, der einer neuen Religion gleichkam). Zwar gab es laut Verfassung Religionsfreiheit, und es war auch nicht verboten, in die Kirche zu gehen. Aber es wurde z. B. hart daran gearbeitet, dass Jugendliche nicht mehr zur Konfirmation, sondern zur Jugendweihe gingen. In der Generation meiner Eltern, als sich die meisten Jugendlichen noch konfirmieren ließen, erhielten Jugendliche, die zur Jugendweihe gingen, manche Vorteile, wie z. B. den erwünschten Studienplatz. Als ich in diesem Alter war, gingen fast alle Schüler zur Jugendweihe, schon, um keine Nachteile bei Abitur und Studium zu haben. Manche davon ließen sich ein Jahr darauf noch konfirmieren.
In der Schule habe ich Lehrer erlebt, die sich Teile aus der Bibel herauspickten, um sie und damit den ganzen Glauben lächerlich zu machen und Leute, die daran glaubten, als hinterwäldlerische Trottel darzustellen. Der Marxismus-Leninismus galt als "wissenschaftliche Weltanschauung", also die einzig wahre Weltanschauung. Dabei sind Wissenschaft und Weltanschauung zwei verschiedene Paar Schuhe.
Ich denke, die alte "Volkskirche" beruhte vor allem auf Traditionen, die man in der DDR durch neue Traditionen ersetzt hatte. Da war es dann vielen Leuten letztendlich egal, ob das Kind zur Taufe oder zur sozialistischen Namensgebung getragen wurde oder ob man Konfirmation oder Jugendweihe feierte. Vor allem wollte man modern und kein hinterwäldlerischer Trottel sein.
In einigen Arbeiterhochburgen wie z. B. Chemnitz setzte auch schon weit vor dem 2. Weltkrieg eine Kirchenaustrittswelle ein, denn die Jugendweihe ist keine Erfindung der DDR. Nur waren diese Leute damals noch eine Minderheit.
Durch die 40-jährige antireligiöse Erziehung wissen heute viele Leute in Ostdeutschland mit Religion nichts mehr anzufangen, weshalb es dort auch die meisten Atheisten gibt.