Es liegt an Deiner Frage: was heißt denn "echt? Wenn Du meinst, dass Gottes Worte wie nach einem Diktat aufgezeichnet wurden - dann ist die Bibel nicht echt. Weder das Alte noch das Neue Testament noch der Koran sind Protokolle einer wörtlichen Offenbarung. Wenn Du meinst, dass inspirierte Menschen (also für den Geist offene Menschen) das gesagt oder niedergeschrieben haben, was sie für wichtig und richtig hielten? ...wenn sie also dem Stimme verliehen hatten, was sie für Gottes Gedanken hielten? - dann ist die Bibel in aller Vielfalt echt. Denn Menschen übersetzen verschieden und widersprüchlich, nicht nur Texte, auch Motive, und immer übersetzen sie sich dabei selber auch nicht wenig mit. Die Bibel spricht also nicht mit einer Stimme, ist eher ein Chor. Und welche der Stimmen im Chor Du für die wesentlichen hältst, bestimmt Dein Gewissen, nicht die Dogmenhüter in Rom und nicht die auf Geheimnis und Verschlüsselungen Fixierten vom Wachtturm.

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Das Problem ist: Man muss den Text verstehen, und dazu reichen Frömmigkeit und guter Wille allein nicht immer aus. Die Absicht des Textes habe ich in einer modernen Fassung versucht heruaszuarbeiten: JONA Er nahm es mit den Vorschriften genau, obwohl er sah, daß andere mit ein bißchen Mogelei besser durchkamen. Bei der Steuererklärung schwindelte er nicht, die Rechnungen bezahlte er pünktlich. Er achtete drauf, daß man ihm nichts nachsagen konnte. Doch war er gar zu eigensinnig, er liebte außer sich selbst kaum jemanden, war noch empfindlich dazu und schnell beleidigt. Kein Mann für Freundschaften also, und man kann vermuten, daß ihm viele aus dem Weg gingen - bis auf den einen, der nicht locker ließ. Der hatte eine dringende Bitte an ihn, er brauchte ihn, um ein Ultimatum zu überbringen. Da war eine Weltstadt im Osten, die es gar zu bunt trieb mit ihrer Sittenlosigkeit, daß man es nicht mehr mit ansehen konnte. Sie sollte eine letzte Warnung erhalten. Doch der Angesprochene mochte die große Welt nicht, und die arroganten Großstädter schon gar nicht. Er hörte den ungeliebten Auftrag, dachte aber nicht daran, ihn zu befolgen, und setzte sich in die andere Richtung ab. Er floh nach Westen ans Meer und buchte auf dem nächstbesten Schiff. Nur weit weg, er wollte den Fremden nicht ins Gewissen reden, sollten sie doch verrecken. Sein Auftraggeber brauchte wieder mal Geduld und mußte sehr nachsichtig bleiben bei dem Theaterstück, das er nun inszenierte - nicht ohne Spott und Humor. Zunächst unterbrach er die Flucht, indem er einen Sturm aufziehen ließ. Die ahnungslosen Mitspieler wider Willen, der Kapitän nämlich und die Matrosen, reagierten erschreckt auf den Unwillen der Götter. Sie erleichterten das Schiff, warfen die Ladung ins Meer, und als das nichts nützte, konnten sie nur beten und taten's auch. Der aber, um den es wirklich ging, und der das auch wußte, der schmollte und schlief aus Trotz in der Kajüte. Ein derart Gefühlloser in einer Katastrophe fällt auf. Man beschwor ihn, auch er solle sich gefälligst dem Flehen zu sämtlichen Schutzgöttern anschließen. Welcher Gott fühle sich denn für ihn zuständig? Da wühlte er sich aus den Decken: verstecken konnte er sich nicht mehr. Wütend klärte er die Leidensgenossen über den Unerbittlichen und die wahren Ursachen des Unwetters auf. Das Gefühl, daß er der Allgewalt nicht entgehen konnte, daß der am längeren Hebel saß, steigerte seinen Zorn, der sich plötzlich gegen sich selbst richtete. Jetzt wollte er nicht mehr leben, er wollte durchaus zugrunde gehen; sterben wollte er, jawohl, warum ließ man ihn nicht in Ruhe. Er wollte über Bord geworfen werden. Die Offiziere, noble Herren, ließen das nicht zu, legten sich ins Zeug, strengten sich an, und erst als sie sahen, daß sie nichts ausrichteten, bekreuzigten sie sich und ließen ihn über die Reeling gehen. Augenblicklich legte sich der Sturm. Was geschah mit dem Schwierigen? Da er, obwohl auf eine absonderliche Art widerspenstig, nun einmal gebraucht wurde, mußte er auf eine absonderliche Art auch eingefangen werden: Ein Fisch verschluckte ihn, schwamm mit dem Schiffbrüchigen im Bauche Richtung Osten, spuckte ihn dort unversehrt an Land. Ist das nicht Märchen und Theater? Klar doch, Lehrtheater mit viel Requisite, und schließlich hatte der Eingefangene auch Theater gespielt, nur nicht so einfallsreich. Er war nun wieder da, wo er schon einmal gestanden hatte. Er hörte: Verkünde den arroganten Beherrschern der Welt mein Ultimatum - sie überleben es nicht, wenn sie so weitermachen. Nun dachte der Eingefangene nicht mehr an Ausflüchte, aber er machte es sehr kurz. Er ging in die Stadt, nahm die U-Bahn, stieg an irgendeiner Station aus, stellte sich an die nächste Straßenecke neben einen Dealer, der sich verdrückte, und schrie wie einer der zahllosen Verkünder des Weltuntergangs: Noch vierzig Tage, und die Welt geht unter! Dreimal tat er das, dann wollte er wieder nach Hause und in der Zeitung nachlesen, was daraus geworden war. Aber die Leute blieben stehen und waren sehr betroffen. Er wurde in die Ämter gebeten, zum Bürgermeister, am Ende gar zum Premier. Man nahm ihn ernst. Das Leben in der Stadt veränderte sich augenblicklich. Der Lärm im Rotlichtviertel erstarb, die Nepplokale mußten schließen, die Caritas konnte die Spendenberge nicht mehr bewältigen, und selbst im Feierabendverkehr tippte sich keiner mehr schreiend an die Stirn. Ihn verdroß das sehr. Er war baff, aber seine Wut war noch größer als sein Erstaunen. Die Wendehälse, schien es, kamen wieder mal davon. Er hatte es geahnt. Ein bißchen Bereitwilligkeit heucheln, und schon wird einem verziehen. Kein Donnerwetter, das ihn gefreut hätte, kein Erdbeben, keine Vulkaneruption, kein Chemieunfall. Stattdessen Nachsicht mit dieser arroganten Mischpoke. Er schmollte heftig. Vom Durchgreifen verstand der da oben nichts, dieser Dilettant in Sachen Konsequenz. Wenngleich zornig, ganz sicher war er doch nicht. Er verließ die Metropole, stieg hinauf in die Parkanlagen im östlichen Bezirk, wo er auf die Millionenstadt hinabsehen konnte, und setzte sich auf eine Bank unter ein großblättriges exotisches Gewächs. Da er seinen Hut vergessen hatte, genoß er den Schatten, der seiner geröteten Glatze wohltat. Er wartete auf die Katastrophe, die nicht kam. Stattdessen verdorrte der Gummibaum über seinem Lieblingsplatz, die Sonne stach, und das ärgerte ihn so maßlos wie die Geschichte seiner mißglückten Flucht. Er fühlte sich mißbraucht. Wozu waren seine Entbehrungen, seine zwanghaften Einschränkungen gut, wenn andere mit leichter Hand und ganz nebenbei dasselbe erreichten?

Hier endet ganz unvermittelt das Märchen vom Propheten Jona. Ein offener Schluß. Wir erfahren nicht, was Jona DemDaOben antwortete, als er darauf hingewiesen wurde, dass ein Strafgericht doch gar zu viel Leben vernichten würde und dass doch eigentlich er, Jona, denen aus Ninive beibringen könnte, was verantwortliches Handeln sei - schließlich könne er das Gesetz auslegen und den Heiden erläutern, wo das Rechts und das Links im Leben läge.

Der das Buch geschrieben hat, beherrscht das Flunkern und Augenzwinkern, aber es ist ihm sehr ernst mit seinen Aussagen: Die Weltkinder, die mit der leichten Hand und der problemlosen Wende werden nicht immer gestraft. Denn sie sind gar nicht so verstockt, wie der üble Ruf, der ihnen vorauseilt, es glauben macht. Und die Erwählten, die Frommen, die mit den zusammengebissenen Zähnen sind nicht immer vorbildlich, bei genauem Hinsehen sogar abschreckend. In den höheren Rängen hat man seine Not mit ihnen, nicht nur hier auf Erden. Gott aber stellt beiden nach, den Weltkindern wie den Frommen. Die Spuren, die die Flüchtenden und der Verfolger hinterlassen, sind alles andere als geradlinig. Das Jonamärchen ist ein humorvolles und versöhnliches Buch im Alten Testament, doch harmlos und gefällig ist es nicht. Die von den Fanatikern so mühsam gezogenen Grenzen zwischen den Guten und den Bösen sind auf einmal ungültig, und der Herr achtet nicht auf die Demarkationslinien, die wir ihm liefern zu müssen glauben: er läßt es regnen auf Gerechte und Ungerechte, zur Erbitterung derer, die es gerne klarer hätten. Nein, gefällig ist das Buch nicht. Es ist anstößig, weil es Anstöße gibt, über unsere Vorurteile nachzudenken. Der Fisch ist dabei das kleinste Problem.

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