Wohnmöglichkeit für Obdachlose - Gemeinde in der Pflicht?

2 Antworten

Von Experte DianaValesko bestätigt

Ich war mal Gemeinderat und kann das zum Teil bestätigen. Es gibt sogenannte Obdachlosenwohnungen oder auch Armenwohnungen, die auch relativ kleine, ländliche Gemeinden lange Zeit vorhalten mussten. Viele wurden allerdings per Gremienbeschluss und Zustimmung oder Ausnahmegenehmigung von Verwaltungsverbänden, Landkreisen usw. über die Jahre aufgegeben oder zweckentfremdet etwa als Lager oder Vereinsräume, weil der Bedarf praktisch nie vorhanden war. Das sind letztlich meist primitive Behausungen, die in den 50ern entstanden, um Kriegsheimkehrern, Flüchtlingen und Vertriebenen oder Kriegerwitwen usw. eine einfache, bezahlbare Unterkunft zu bieten. Meist sind sie baulich heute auch so schlecht, dass sie - sofern noch erhalten - abbruchreif sind. Eine einzelne (!) dieser barackenartigen Anlagen ("Behelfsheime") gedenkt mir noch, die es wohl noch gibt, aber auch da wohnte seit 20 Jahren niemand mehr und es ist eine Frage der Zeit, bis die Bagger rollen. In den letzten Jahren nutzte das nur noch die Feuerwehr für Übungen und manch anderer Verein sowie der Bauhof zur Lagerung von Materialien.

Heute werden derartige Anfragen meist über Sozialwohnungen geregelt, die in Kommunalbesitz sind, aber auch hier tendiert die Nachfrage gegen Null. Speziell außerhalb der Städte gibt es hier kaum Bedarf. Die Mehrzahl der Obdachlosen möchte an ihrer Situation zudem gar nichts ändern und zieht ein solches Leben einer relativen Sesshaftigkeit vor, mit der sie meist auch nicht mehr zurecht kommen würde.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
Regina3 
Fragesteller
 27.03.2022, 00:28

Danke Dir für die ausführliche Antwort! Angenommen, ich lerne eine Obdachlose kennen - ab und an ein Kaffee + Brötchen beim Bäcker - und sie erzählt, dass sie eigentlich gerne wieder wohnen würde ... wo soll sie sich hin wenden? Kann ich sie auf ihrem Weg in eine eigene, kleine Wohnung begleiten? Was tun? Welche Schritte?

Das örtliche Ordnungsamt oder sonst eine Ordnungsbehörde ist hier zur Hilfe verpflichtet, in Berlin dieses Amt:

Das Amt für Soziales ist im Hinblick auf die Vermeidung von Obdachlosigkeit auch Ordnungsbehörde gemäß des ASOG Berlin (Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz) tätig. Die diesbezüglichen Befugnisse des Amtes erstrecken sich auf die Akquise von Unterkünften, um durch die Beseitigung von akuter Obdachlosigkeit Gefahren für Leib und Leben vorzubeugen. Das Amt für Soziales kooperiert mit Einrichtungen bzw. Heimen, um obdach- bzw. wohnungslosen Menschen eine Unterkunft anbieten zu können. Die Zuweisung zu einer Unterkunft auf der Grundlage des ASOG kann allerdings nur auf dem Prinzip der Freiwilligkeit erfolgen. Menschen, die infolge unfreiwilliger Wohnungslosigkeit auf öffentlichen Plätzen und Flächen campieren, unterbreitet das Amt für Soziales Beratungsangebote zur Beendigung der Obdachlosigkeit sowie Angebote zur Unterbringung.

Gruß aus Berlin, Gerd

Regina3 
Fragesteller
 27.03.2022, 01:12

Vielen Dank, Gerd. Und Grüße nach Berlin!