Kann mir jemand erklären um was es in Der Abschied geht?

1 Antwort

Der Abschied

Johann Wolfgang von Goethe

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Lass mein Aug den Abschied sagen,

Den mein Mund nicht nehmen kann!

Schwer, wie schwer ist er zu tragen!

Und ich bin doch sonst ein Mann.

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Traurig wird in dieser Stunde

Selbst der Liebe süßstes Pfand,

Kalt der Kuss von deinem Munde,

Matt der Druck von deiner Hand.

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Sonst, ein leicht gestohlnes Mäulchen,

O wie hat es mich entzückt!

So erfreuet uns ein Veilchen,

Das man früh im März gepflückt.

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Doch ich pflücke nun kein Kränzchen,

Keine Rose mehr für dich.

Frühling ist es, liebes Fränzchen,

Aber leider Herbst für mich!

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Ein Gedicht aus Goethes jugendlicher Sturm und Drang-Periode, was zunächst verblüfft, liest man den Schluss, da dieser den Eindruck erweckt, dass ein alternder Dichter ("Herbst für mich") sich entschieden hat, dem geliebten jugendlichen "Fränzchen" nicht mehr im Weg zu stehen.

Das Gedicht ist jedoch nicht autobiographisch - der Dichter war damals 21! - , sondern handelt jedoch von einem lyrischen Ich, welches voller Trauer und Einsamkeit von einer Person erzählt, die ihm sehr nahe gestanden hat.  Zu Beginn des Gedichts nimmt das lyrische Ich Abschied, man erfährt, dass das lyrische Ich männlich ist. Dann wird die große Trauer zum Thema und danach schmerzt die süße Erinnerung und das Bewusstsein des künftigen Alleinseins, sodass so süße Momente nicht mehr geschehen werden, da es niemanden mehr dafür gibt. Ob sich der Herbst auf das Alter des lyrischen Ichs bezieht oder eine Metapher für die Einsamkeit im kommenden kalten Dasein bleibt ungeklärt. Der Frühling für das liebe Fränzchen deutet allerdings eher auf einen fröhlichen jugendlichen Ex-Partner. Dass es unter Goethes Liebschaften eine Franziska tatsächlich gegeben hat, ist sehr, sehr unwahrscheinlich.