Gegen welche Verpflichtungen des Versailler Vertrages hatte Deutschland verstoßen, und wie reagierte Frankreich darauf?

Ghostwriter2  14.01.2023, 13:04

Kriegsjahr 1923 ???

Emilywelz 
Fragesteller
 14.01.2023, 22:39

1913*

1 Antwort

Deutschland hat seine Lieferverpflichtungen nicht vollständig erfüllt. Diese gehörten zu den Reparationen (Wiedergutmachungsleistungen). Die allgemeine Grundlage waren dafür im Friedensvertrag von Versailles Artikel 231 - 247 (Wiedergutmachungen), die Einzelheiten sind in nachfolgenden Verhandlungen und Verträgen geregelt worden. In diesem Zusammenhang ist der Londoner Zahlungsplan vom 30. April 1921 wichtig, den unter Druck die deutsche Regierung und der Reichstag am 11. Mai 1921 angenommen haben. Die Nichterfüllung wurde durch eine von den Siegermächten nach dem Ertsten Weltkrieg eingerichtete Reparationskommission festgestellt (https://de.wikipedia.org/wiki/Reparationskommission).

Frankreich reagierte mit der Ruhrbesetzung 1923. 

Anlass der Ruhrbesetzung 1923 waren deutsche Lieferrückstände. Die alliierte Reparationskommission stellte am 26. Dezember 1922 und am 9. Januar 1923 Rückstande bei den deutschen Lieferungen von Kohle und Holz für das Jahr 1922 fest. Aufgrund des Friedensvertrages von Versailles (am 28. Juni 1919 unterzeichnet, am 10. Januar 1920 in Kraft getreten) bestanden Bestimmungen über Besatzungen und Reparationen (die Einzelheiten wurden in Folgeabkommen geregelt).

Die aliierte Reparationskommission stellte am 26. Dezember 1922 einstimmig eine nicht vollständige Erfüllung der Lieferungsverpflichtungen für Holz (Schnittholz und Holz für Telegraphenstangen) und Kohle fest, gegen die Stimme des britischen Vertreters eine schuldhafte Nichterfüllung (vorsätzlicher Verstoß) und bei Stimmenthaltung des britischen Vertreters eine allgemeine Verfehlung. Am 9, Januar 1923 erklärte die alliierte Reparationskommission gegen die Stimme des britischen Vertreters eine schuldhafte Verfehlung bei der Holz- und Kohlelieferung (mit genauen Zahlenangaben).

Am 11. Januar 1923 wurde eine französisch-belgisch-italienische Ingenieurkommission mit dem Auftrag entsendet, die Produktion zu kontrollieren und eine strikte Erfüllung der festgelegten Lieferverpflichtungen sicherzustellen. Französische und belgische Truppen, die ihren Schutz übernehmen sollten, besetzten das Ruhrgebiet.

In Deutschland gab es kriegsbedingt und aufgrund von Belastungen und unruhigen Verhältnissen Schwierigkeiten. Unmöglich war eine Erfüllung der Lieferverpflichtungen aber nicht. Die mangelnde Anstrengung war vor dem Hintergrund der Absichten der französischen Außenpolitik dieser Zeit eine Fahrlässigkeit.

Bei den Lieferverpflichtungen von 1922 gab es Verzug/Lieferungsrückstände. Deutsche Vertreter begründeten im Dezember 1922 einen Verzug beim Holz mit der Markentwertung und technischen Schwierigkeiten (vor allem einer Ungebräuchlichkeit der von den Alliierten verlangten Typen und Abmessungen im deutschen Holzhandel) und beantragten eine Aufschiebung bis zum 1. April 1923.

Auf deutscher Seite gab es bei manchen eine Bestrebung, eine Überschreitung der Grenzen der deutschen Leistungskraft durch die Reparationsforderungen aufzuzeigen. Außerdem war die Parole „Erst Brot, dann Reparationen" populär, zuerst vom Reichskanzler Joseph Wirth in einer Rede vor dem Industrie- und Handelstag am 15. September 1922 geprägt, von seinem Nachfolger als Reichskanzler Wilhelm Cuno in seiner Regierungserklärung am 24. November 1922 bekräftigt.

Die Währungsprobleme (Geldentwertung/Inflation) sind sachlich als unüberwindbares Hindernis wenig stichhaltig und auch insgesamt wäre, politischer Wille vorausgesetzt, bei Bemühen die Lieferung in vollem Umfang der Verpflichtungen erreichbar gewesen. Die mangelnde Anstrengung war vor dem Hintergrund der Absichten der französischen Außenpolitik dieser Zeit eine Fahrlässigkeit.

Raymond Poincaré, französischer Ministerpräsident und Außenminister, verfolgte eine Politik der Sanktionen (Strafandrohungen, um ein bestimmtes Verhalten zu erzwingen, und Bestrafung bei Verstößen) und produktiven Pfänder (z. B. Kohlegruben als Garantien). Frankreichs Regierung wollte nicht nur Reparationen sicherstellen, sondern es gab weitergehende Absichten, Gebiete vom deutschen Staat abzutrennen. Poincaré nutzte die Lieferungsrückstände als Anlass/Vorwand für eine Ruhrbesetzung.

französische Maßnahmen;

  • Entsendung einer französisch-belgisch-italienische Ingenieurkommission mit dem Auftrag, die Produktion zu kontrollieren und eine strikte Erfüllung der festgelegten Lieferverpflichtungen sicherzustellen
  • Besetzung des Ruhrgebiets durch französische und belgische Truppen
  • Überwachung des Abtransports von Kohle und Holz durch französische und belgische Truppen
  • Schließung von Zechen und Fabriken wegen fehlender Mitarbeitsbereitschaft der Deutschen
  • Beschlagnahmung von Kassen
  • Strafmaßnahmen gegen Widerstand, darunter Ausweisung vieler Deutscher
  • Einsetzen nichtdeutscher Bergarbeiter und Eisenbahner für Produktion und Transport
  • Abtrennung des linksrheinischen Gebietes Deutschlands und des Ruhrgebiets durch Errichtung einer Zollgrenze zum übrigen Deutschland
  • wohlwollende Duldung oder Unterstützung von Aktionen separatistischer Gruppen im Rheinland und in der Pfalz, die eine „autonome Republik“ ausriefen oder öffentliche Gebäude besetzten

Bücher, in denen zusammenfassend etwas zum Thema steht, sind z. B.:

Eberhard Kolb/Dirk Schumann, Die Weimarer Republik. 8., überarbeitete und erweiterte Auflage. Oldenbourg : München, 2013 (Oldenbourg Grundriss der Geschichte ; Band 16), S. 51 – 56

Gottfried Niedhart, Die Gottfried Niedhart, Die Außenpolitik der Weimarer Republik. 2., aktualisierte Auflage, München : Oldenbourg, 2006 (Enzyklopädie deutscher Geschichte ; Band 53), S. 16 – 17

Heinrich August Winkler, Weimar 1918 – 1933 : die Geschichte der ersten deutschen Demokratie. 3., durchgesehene Auflage. München : Beck, 1998, S. 186 - 202

einige Internetseiten:

https://de.wikipedia.org/wiki/Ruhrbesetzung

https://www.dhm.de/lemo/kapitel/weimarer-republik/aussenpolitik/ruhrbesetzung-1923.html

https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Ruhrbesetzung,_1923

https://www.deutschlandfunk.de/ruhrgebiet-besetzung-100.html