Geschichte Hausaufgabe?

2 Antworten

Aufgabenstellung

Mit dem Bewerten ist offenbar ein Sachurteil gemeint. Dabei wird eine Einordnung in den geschichtlichen Zusammenhang vorgenommen und etwas auf der Grundlage sachlich überprüfbarer Maßstäbe beurteilt. In diesem Fall geht es beim Bewerten hauptsächlich darum, ob die Aussage der Quelle (Die Revolution ist gemäß den Grundsätzen ihres Anfangs beendet.) richtig oder falsch ist. Dabei kann auch ein Ergebnis vorkomme, in welchem Ausmaß die Aussage richtig oder falsch ist.

Einordnung in den geschichtlichen Zusammenhang

Napoleon Bonaparte ist durch einen Staatsstreich (https://de.wikipedia.org/wiki/Staatsstreich_des_18._Brumaire_VIII) am 9. November 1799 (18. Brumaire des Jahres VIII nach dem französischen Revolutionskalender) an die oberste Macht in Frankreich gekommen.

Oberste Beamte wurden zunächst als vorläufige Konsuln Napoleon Bonaparte, Emmanuel Joseph Sieyès und Roger Ducos.

Am 13. Dezember 1799 (22. Frimaire des Jahres VIII nach dem französischen Revolutionskalender) wurde ein neue Verfassung beschlossen, die sogenannte Konsulatsverfassung (https://de.wikipedia.org/wiki/Franz%C3%B6sisches_Konsulat ;

http://www.verfassungen.eu/f/fverf99-i.htm). Diese Verfassung ist am 24. Dezember 1799 (3. Nivôse des Jahres VIII nach dem französischen Revolutionskalender) in Kraft getreten.

Am 15. Dezember (24. Frimaire des Jahres VIII nach dem französischen Revolutionskalender) wurde Napoleon Bonaparte Erster Konsul, Jean-Jacques Régis de Cambacérès Zweiter Konsul, Charles-François Lebrun Dritter Konsul.

Dies sind die drei Konsuln, von denen die Proklamation an dem Tag kommt, als sie ihr Amt angetreten haben. Die meiste Macht hat von ihnen Napoleon Bonaparte.

Die Quelle ist ein Verkündung an die Öffentlichkeit, die zugleich eine gewisse Selbstdarstellung der politischen Spitze ist.

Die drei Konsuln nehmen für sich in Anspruch, Errungenschaften der Revolution zu befestigen und zu sichern, andererseits erklären sie die Revolution für beendet und damit abgeschlossen. Die Proklamation ist doppelseitig. Sie möchte ein Einverständnis der Anhänger der Revolution, denen einige am Anfang stehende Grundsätze wichtig sind und die inzwischen eingetretene Eigentumsverhältnisse bewahrt sehen möchten. Anderseits greift sie Wünsche nach einer Stabilisierung (sowohl gegenüber radikalen Revolutionären als auch royalistischer Gegenrevolution) und ein Ende von Wirren und revolutionären Exzessen auf. Das Beenden kann auch als ein Stoppen revolutionärer Dynamik, wie sie vor allem 1793 - 1794 auftrat, verstanden werden.

Überlegungen zu Sachurteil (Bewertung der Aussage der Quelle, die Revolution sei gemäß den Grundsätzen ihres Anfangs beendet)

Es geht um die Grundsätze der Französischen Revolution (1789 – 1799), wobei ihr Anfang der Maßstab ist.

Bei den Aussagen der Proklamation kann überprüft werden, ob die Konsulatsverfassung und die politische Praxis damit übereinstimmen.

Die Aussage einer Übereinstimmung mit den Grundsätzen am Anfang der Revolution ist bei den einzelnen Grundsätzen teils richtig, teils falsch.

Richtig ist die Aussage bei:

  • Schaffung einer schriftlichen Verfassung
  • gesicherte Rechte des Eigentums
  • Abschaffung der Privilegien (Vorrechte) einer Ständegesellschaft
  • Rechtsgleichheit/Gleichheit vor dem Recht beim bürgerlichen Recht
  • Freiheit zum Abschließen von Verträgen und freier Spielraum in der Wirtschaft

Nach der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte vom 26. August 1789, Artikel 1 sind die Menschen sind von Geburt frei und gleich an Rechten und und bleiben es. Soziale Unterschiede dürfen nur im allgemeinen Nutzen begründet sein.

Nach Artikel 2 ist das Ziel jeder politischen Vereinigung die Erhaltung der natürlichen und unveräußerlichen Menschenrechte und diese Rechte sind Freiheit, Eigentum, Sicherheit und Widerstand gegen Unterdrückung.

Am 11. August 1789 wurde von der Nationalversammlung die Abschaffung der Feudalität (französisch: féodalité) in schriftlichen Bestimmungen beschlossen, wodurch die Privilegien (Vorrechte) der Ständegesellschaft beseitigt waren.

„Liberté, Égalité, Fraternité“ („Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“) war ein Motto der französischen Revolution.

mehr oder weniger falsch ist die Aussage bei:

  • Volkssouveränität (vom Konsulat stark eingeschränkt)
  • politische Freiheit (teilweise eingeschränkt)
  • Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte (so etwas war kein ausdrücklicher Bestandteil der Verfassung von 1799, diese enthielt nur einige Bestimmungen, die inhaltlich zu solchen Grundrechten gehören)
  • parlamentarische/repräsentative Regierung (stark eingeschränkt)
  • demokratische Wahlen (stark eingeschränkt)

Den Grundsatz der Volkssouveränität enthielt die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte vom 26. August 1789, Artikel 1, die vorläufige Verfassung vom 5. Oktober 1789, Artikel 1, und die Verfassung vom 3. September 1791, Titel 3, Artikel 2.

Den Grundsatz der parlamentarischen/repräsentativen Regierung enthielt die vorläufige Verfassung vom 5. Oktober 1789, Artikel 8, und die Verfassung vom 3. September 1791, Titel 3, Artikel 2.

Im Konsulat galt ein Grundsatz der Volkssouveränität, diese war aber in der Verfassung und der politischen Praxis stark eingeschränkt. Volksabstimmungen (Plebiszite) dienten nur noch als plebiszitäre Bestätigung des schon Beschlossenen.

Die Direktoren Louis-Jérôme Gohier und Jean-François Moulin, die beim Staatsreich 1799 nicht abdanken wollten, wurden von Soldaten in ihrem Amtssitz festgehalten und überwacht, bis der Staatsstreich sich durchgesetzt hatte. Ab 1800 gab es Presszensur. Dies ist eine Einschränkung der politischen Freiheit gewesen.

Es hat ein Machtverlust des Parlaments stattgefunden. Die Volksvertretung, das Parlament, hatte kaum machtpolitische Bedeutung. Napoleon Bonaparte konnte die Zusammensetzung stark beeinflussen und das Parlament war in zwei Kammern mit jeweils begrenzten Befugnissen bei der Gesetzgebung aufgeteilt. Die „wahren Prinzipien“ einer parlamentarischen/repräsentativen Regierung sind nur ziemlich eingeschränkt Grundlage der Verfassung gewesen.

Es gab keine tatsächliche Teilhabe an politischen Entscheidungen durch echt demokratische Wahlen, weil in einem mehrstufigem Verfahren auf der untersten Stufe aus einer Liste gewählt wurde, aber die zentrale Staatsmacht aus der Liste der Gewählten aussuchte, wen sie zur Ausübung öffentlichen Funktionen (z. B. als Mitglieder eines Parlaments) ernannte.

Es gab eine Art Parlament aus zwei Kammern, dem Tribunat und der gesetzgebenden Körperschaft (Corps législatif), am 1. Januar 1800 begann ihre Tätigkeit. Das Tribunat (100 Mitglieder, seit 1802 nur noch 50) hatte als Befugnis die Diskussion von Gesetzesvorschlägen und das Vorschlagen von Gesetzen, die gesetzgebende Körperschaft das Anhören von Gesetzesvorschlägen und die Entscheidung über Gesetze durch Abstimmung.

Tribunat und gesetzgebende Körperschaft (Corps législatif) wurden vom Volk aus einer Liste von Wahlmännern (in mehrstufiger Wahl) gewählt, bei der das allgemeine Wahlrecht nur ein Vorschlagsrecht mit der Möglichkeit war, eine lokale Liste von Männern mit einem Mindesteinkommen bzw. der entsprechenden Steuerleistung aufzustellen.

Es gab ein dreistufiges Vorgehen.

Männer mit französischem Bürgerrecht ab 21 Jahren, die mindestens 1 Jahr in der Gemeinde wohnten, wählten in ihrem Arrondissement (Verwaltungsbezirk) Vertreter. Sie konnten durch diese Wahl eine Liste (Namensverzeichnis) mit einem Zehntel der Anzahl der Stimmberechtigten zusammenbringen. Aus dieser Liste mussten die genommen werden, die öffentliche Funktionen in dem Arrondissement ausübten.

Die in Arrondissements in eine solche Liste gewählten Männer brachten durch Wahl für das Département (Gebietskörperschaft) eine Liste (Namensverzeichnis) mit einem Zehntel der Anzahl auf den Listen der Arrondissements zusammen. Aus dieser Liste mussten die genommen werden, die öffentliche Funktionen in dem Département ausübten.

Die in Département in eine solche Liste gewählten Männer brachten durch Wahl für die nationale Ebene eine Liste (Namensverzeichnis) mit einem Zehntel der Anzahl auf den Listen der Arrondissements zusammen. Aus dieser Liste mußten die genommen werden, die öffentliche Funktionen auf nationaler Ebene ausübten.

Diese Wahlen geschahen alle drei Jahre.

Ein Verfassungsrat/erhaltender Senat (Sénat conservateur) wählte aus der Liste auf nationaler Ebene die gesetzgebende Körperschaft (Corps législatif), das Tribunat, die Konsuln, die Kassationsrichter und die Rechungskommissare. Beim Verfassungsrat/erhaltender Senat (Sénat conservateur) war zuerst die Mehrheit der Mitglieder von den (vorläufigen) Konsuln ernannt worden. Der Verfassungsrat/erhaltender Senat konnte dann zur Auffüllung auf die vorgesehene Anzahl weitere Mitglieder hinzuwählen.

Bei gesetzgebender Körperschaft (Corps législatif) und Tribunat wurde zuerst jährlich ein Teil der Mitglieder erneuert, ab 1802 bei der gesetzgebenden Körperschaft (Corps législatif) alle 5 Jahre und beim Tribunat alle 3 Jahre.

Die Nationalversammlung hatte am 22. Dezember 1789 mit 453 gegen 443 Stimmen ein Gesetz beschlossen, das ein Zensuswahlrecht enthielt. Sogenannte Aktivbürger waren Franzosen (nur Männer, keine Frauen), die seit mindestens 1 Jahr in Frankreich ansässig waren, mindestens 25 Jahre alt waren und direkte Steuern im Wert von mindestens 3 Arbeitstagen (2 - 3 Livres jährlich) zahlten Die am 3. September 1791 beschlossene Verfassung enthielt ein Wahlrecht mit diesem Gesetz ähnlichen Bestimmungen (Titel III, Kapitel 1, Abschnitt 2, Artikel 2 – 7). Das Wahlrecht er Anfangszeit der Revolution war nicht voll demokratisch, aber es gab kein Aussuchen und Ernennen von Abgeordneten durch die zentrale Staatsmacht.

In einem Buch wird die Konsulatsverfassung als sehr wenig demokratisch beurteilt.

Johannes Willms, Napoleon : eine Biographie. München : Beck, 2005, 237 – 238:

„Angesichts der unbeschränkten Machtfülle der Exekutive war die Legislative ein gut dotierter Herrenklub, dessen Mitglieder nur sich selbst repräsentierten. Es war allein Bonaparte, der die Gesetze, die meist im Conseil d'État ausgearbeitet und von den hundert Mitgliedern des Tribunats den dreihundert »stummen« Mitgliedern des Corps législatif abgenickt wurden, nach eigenem Gusto anwandte. Mit anderen Worten: der gesamte Verfassungstext enthielt nur eine valide, unabänderliche Bestimmung, in einem Wort, einem Namen ausgedrückt: Bonaparte. So und nicht anders sah er sich selbst, als er den Mitgliedern der Legislative einmal mit unverhüllter Verachtung bescheinigte: »Ich allein bin der einzige Repräsentant des Volkes.« Die offiziellen Repräsentativorgane hatten lediglich eine Fassadenfunktion, die das Verschwinden einer der wichtigsten Errungenschaften der Revolution, die Souveränität des Volkes, das seinen Willen in Wahlen artikulieren konnte, zu kaschieren hatte.“

Zusammenfassend kann festgestellt werden: Die Aussage der Quelle, die Revolution sei gemäß den Grundsätzen ihres Anfangs beendet, ist weder völlig richtig noch völlig falsch. In Bezug auf einige Grundsätze ist die behauptete Übereinstimmung richtig, in Bezug auf einige andere Grundsätze mehr oder weniger stark falsch. Dabei gibt es eine starke Einschränkung bei den wichtigen politischen Grundsätzen einer parlamentarischen/repräsentativen Regierung und demokratischer Wahlen.

Die Anfangsforderungen und Ziele der Revolution waren Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit sowie die Abschaffung der Vorrechte von Adel und Klerus gegenüber dem Bürgertum.

Die 3 Konsuln stellen fest, dass diese Ziele mit der vorgelegten Verfassung erreicht sind, weshalb die Revolution als beendet betrachtet werden kann.