Frage an die DeutschkönnerInnen: Welche Wortwahl ist richtig?

4 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Hallo SvetaAkhatova,

Viele sagen dazu "Hast Du mich erschrocken!". Aber einige sagen auch "Hilfe, hab ich mich erschrocken!" Müsste man nicht sagen "Hilfe! Ich bin erschrocken?"

Oh, Du hast hier eine wahre Delikatesse der Deutschen Sprache gefunden, meinen Glückwunsch dazu 👍.

Nachdem Du hier bislang leider eher nicht ganz so aussagekräftige Antworten bekommen hast, wage ich mich da nun dran:

Die Deutsche Sprache kennt unter anderem sogenannte "starke Verben" und "schwache Verben", siehe dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Starkes_Verb und https://de.wikipedia.org/wiki/Germanisches_schwaches_Verb .

Wenn Du jetzt im Duden nachschlägst, dann wirst Du eventuell überrascht feststellen, dass es das Verb "erschrecken" in beiden Verbal-Formen gibt, siehe https://www.duden.de/suchen/dudenonline/erschrecken .

In der von Dir beschriebenen Situation ist beides gleichermaßen zu sagen möglich: "Ich habe mich erschrocken" und "Du hast mich erschrocken".

Wenn Du beim schwachen Verb https://www.duden.de/rechtschreibung/erschrecken_einschuechtern_bedrohen runterscrollst, dann findest Du dort unter "Bedeutung"

in Schrecken versetzen

Wenn Du beim starken Verb https://www.duden.de/rechtschreibung/erschrecken_erschaudern_entsetzen

runterscrollst, dann findest Du dort unter "Bedeutung"

in Schrecken geraten, einen Schrecken bekommen

Bei beiden findest Du bei "Grammatik" unter anderem

3. Beim (umgangssprachlich) reflexiven Gebrauch von „erschrecken“ treten sowohl starke als auch schwache Flexionsformen auf:
  ich erschreckte / erschrak mich
  ich habe mich erschreckt / erschrocken;
  erschreck[e] / erschrick dich nicht!

In der Praxis und für das richtige Leben heißt das – insbesondere im Blick auf Deine Frage

Man kann sich doch eigentlich nicht selbst erschrecken.

Sprachlich gesehen kann man das schon. Das ist zum Beispiel das, war mir jeden Morgen passiert, wenn ich nach dem Aufstehen in den Spiegel schaue ... 😉 da erschrecke ich mich selbst ... um es mal so zu sagen.

Umgangssprachlich kannst Du "ich habe mich erschrocken" oder "ich bin erschrocken" – wie Du auch am Duden siehst – ziemlich gleich nebeneinander hernehmen. "Ich habe mich erschrocken" oder "Du hast mich erschrocken" würde man eventuell eher in der unmittelbaren Situation sagen, wenn man nach dem ersten Schreck wieder atmen kann und dem Schrecken dann gleich Luft machen will.

"Ich bin erschrocken" würde man eventuelle eher aus einer gewissen Distanz zum Ereignis sagen, wenn man jemand darüber erzählt: "Ich bin erschrocken, als ich den Brief vom Finanzamt gelesen habe" ... .

Ob Dir diese Erklärungsversuche zu dieser wunderbaren Delikatesse der Deutschen Sprache weiterhelfen, weiß ich jetzt nicht so ganz, auch wenn ich mir das jetzt immer und immer wieder durchgelesen habe. Aber ich hoffe es zumindest sehr.

Zögere bitte nicht, sehr gern einfach nachzufragen, wenn Du dazu noch etwas wissen möchtest oder ich versuchen soll, es genauer zu erklären; oder auch wenn es etwas anderes gibt, das ich für Dich tun kann.

Liebe Grüße 🙂

SvetaAkhatova 
Fragesteller
 02.02.2023, 19:44

Hui, was für eine erschöpfende Antwort und mit Quellenangaben! Super, Danke!

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Ralph9  03.02.2023, 09:56
@SvetaAkhatova

Hallo SvetaAkhatova,

Hui, was für eine erschöpfende Antwort und mit Quellenangaben! Super, Danke!

Bitte, sehr gern 🙂.

Ich hab dann noch weiter gedacht und naja; das in meiner Antwort war der Bereich der "gesicherten Aussage" zu Deiner Frage über die Deutsche Sprache; und jetzt verlasse ich den gesicherten Bereich der Deutschen Sprache und habe schlicht noch eine Hypothese, welcher "Vorgang" hinter Deiner völlig zutreffenden Aussage "Man kann sich doch eigentlich nicht selbst erschrecken" stehen könnte – über mein Beispiel mit dem morgendlichen Selbst-Anblick im Spiegel hinaus:

Der Unterschied der beiden Verwendungen liegt ja daran, ob man entweder selbst der "aktive" Part dabei ist ("ich bin erschrocken" => in Schrecken geraten) oder ob etwas oder jemand anderes der "aktive" Part und man selber der "passive" Part ist ("Du/ich habe mich erschrocken" => ich bin in Schrecken versetzt worden). Allerdings wird in der Umgangssprache wie gesagt im Moment des Schreckens häufig die Form verwendet, in der man selbst der "passive" Part ist. Denn wenn "ich mich erschrecke", dann wird der Schrecken in diesem Moment durch etwas "Äußeres" ausgelöst, also irgendetwas erschreckt mich, und deswegen habe ich mich erschrocken ... weil ich im Moment des Schreckens der "Passive" bin.

Vielleicht - Vermutung zum Hintergrund dazu - liegt das wiederum daran , dass im Moment eines Schrecken im Körper psychophysische Reaktionen ablaufen, die je nach Intensität des Erschreckens durchaus bis zu einem massiven, von der Umgangssprache sogenannten (psychischen) "Schock" bzw. gemäß medizinischer Klassifikation zu einer "Akuten Belastungsreaktion" führen können (in der medizinischen Fachsprache meint "Schock" etwas ganz anderes als im umgangssprachlichen Gebrauch). Und in solchen Momenten erlebt man sich nicht selbst als die "Handelnde Instanz", sondern unerwartete, bedrohlich wirkende Eindrücke, die von außen einstürzen, machen kurzzeitig "handlungsunfähig". Das kann Millisekunden dauern, aber in massiven Fällen auch Stunden oder bei besonders schweren Verläufen sogar die ersten Tage hinweg. In solchen Phasen schaltet das Gehirn vereinfacht gesagt auf eine Art "Notbetrieb", in welchem auch manche körperlichen Vorgänge nicht mehr willentlich gesteuert werden können.

Du bringst das andersrum ja auch mit Deinem Satz "Man kann sich doch eigentlich nicht selbst erschrecken." ganz präzise zum Ausdruck: Aus der "willentlichen" Sicht ist das völlig korrekt beobachtet, denn man kann sich in der Tat nicht selber willentlich und vorsätzlich einen Schrecken einjagen, weil es beim Erschrecken nunmal in der Natur der Sache liegt, dass es unwillentlich und "von außen" geschieht. Und deswegen ist man in solchen Momenten der "passive" Part und bemerkt in diesem Moment, dass aufgrund der äußeren Eindrücke der eigene Körper heftig reagiert, was man dann, wenn man wieder Luft bekommt und reden kann, in die (aus der eigenen Sicht passive) Feststellung kleidet: "Ich habe mich erschrocken", im selben Sinn gemeint wie "Du hast mich erschrocken", also dass man selber der "passive" dabei ist.

Im zeitlichen Abstand zum Schreckensmoment hingegen, wenn diese Schrecksekunde (in der unter Umständen das Gehirn sich je nach Intensität auch zunehmend vom eigenen Körper entkoppeln kann - deswegen erlebt das Gehirn sich ja passiv) vorbei ist und das Gehirn wieder die volle Kontrolle über sich selbst und die Situation hat, wird man dann hingegen in der Rückschau eher sagen "ich bin erschrocken (...als das und das passierte...)".

Ein "psychischer Schock" (=Akute Belastungsreaktion) kann bei Menschen, die ihn erleben, je nach Intensität des erlebten Schreckens durchaus sehr massive Auswirkungen haben; z.B. kann es sein, dass man selbst bei schweren Verletzungen keinen Schmerz spürt, dass man sich später nur mehr bruchstückhaft erinnern kann, dass "Automatismen" ablaufen, die nicht willentlich gesteuert werden ("nur weg von hier!"), und dass auch der Körper selbst heftig reagiert, mit Zittern, Schüttelfrost und noch einiges mehr. Deswegen erlebt sich das Gehirn in einer solchen Phase als "passiv", weil diese Dinge nicht willentlich ablaufen; und das könnte auch durch diese sprachliche Verwendung zum Ausdruck kommen.

Wie gesagt keine gesichertes Faktum (zumindest mir nicht bekannt), daher diesmal ohne Quellen, aber aus meiner Sicht plausibel begründet.

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Ralph9  03.02.2023, 09:58
@Ralph9

Wenn ich Dir bitte bei dieser Gelegenheit noch kurz etwas anderes sagen darf?

Ich muss zugeben, dass Du mir hier sehr positiv auffällst, mein Kompliment 👏. Ich schaue mir bei jeder Frage, auf die ich antworte, auch das Nutzerprofil des Fragestellers an und was sie/er ansonsten alles schreibt, Meinungen vertritt und sie begründet, wie sie/er sich ausdrückt und welche Umgangsformen zum Vorschein kommen usw.. Du stichst da meines Erachtens durchgehend stets überaus positiv heraus. Meinen großen Respekt dafür.

Ich muss zugeben, dass ich auch zu Deiner Frage https://www.gutefrage.net/frage/definitive-frage-zum-ukraine-russland-konflikt-wer-traegt-wieviel-schuld-wieso-kam-es-zum-krieg

Definitive Frage zum Ukraine-Russland-Konflikt: Wer trägt wieviel Schuld? Wieso kam es zum Krieg?

einiges an fundierter Information für Dich haben würde. Dort hast Du um sachliche Informationen mit einer ausführlichen und differenzierten Begründung einschließlich der geschichtlichen Hintergründe und seriösen Quellen gebeten. Ich hab da nicht angefangen zu schreiben, weil es den technischen Platz einer Antwort gesprengt hätte, das so darzustellen wie von Dir gewünscht und Dir und Deiner Frage dabei gerecht zu werden. Es geht dabei auch darum, wie tief Du am Ende tatsächlich in die Materie einsteigen wollen würdest und was Du selber schon alles gesichert für Dich weißt; denn das brauche ich dann gar nicht erst groß darzustellen, wenn es für Dich allenfalls eine Wiederholung wäre.

Falls Du Interesse haben solltest, zu Deiner anderen Frage noch ein wenig sachliche Informationen zu bekommen, dann gib mir einfach gern Bescheid. Da können wir dann schon Wege finden, wie wir das trotz der technischen Beschränkungen hier machen. Genauso auch, wenn es etwas anderes gibt, wo ich vielleicht etwas für Dich tun kann.

Ich habe aber auch gesehen, dass Du Dich gerade auf Dein Abitur vorbereitest. Da wirst Du jetzt vermutlich 1000 andere Dinge im Kopf und zu tun haben; und das ist ja auch ganz normal. Jedenfalls, wenn Du noch Interesse hast, dann sehr gern, und natürlich völlig stressfrei und so wie es Dir passt; denn Deine schulischen Herausforderungen gehen natürlich vor. Selbstverständlich drücke ich Dir dafür ganz fest die Daumen und wünsche Dir ganz viel Erfolg und alles Gute; und dass Du alles erreichst, was Du Dir vornimmst.

Und falls es etwas geben sollte, mit dem ich Dir irgendwie weiterhelfen oder Dich unterstützen könnte, dann zögere bitte nicht, Dich einfach jederzeit bei mir zu rühren, egal ob irgendwo in einem Kommentar oder mit einer Freundschaftsanfrage oder wie auch immer.

Nochmals ganz herzlichen Dank für Deine ⭐⭐, ich weiß das wirklich sehr zu schätzen 👍, ganz viel Erfolg und liebe Grüße 🙂

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Ralph9  03.02.2023, 11:39
@SvetaAkhatova
Ich komme auf das Angebot gerne zurück!

Das freut mich zu lesen 😃 und es wird mir – aufrichtig und ehrlich – stets eine Ehre sein. 👍

Du machst den Eindruck, dass Du ein hochintelligenter und zielstrebiger junger Mensch mit klaren, sinnvollen Idealen und Werten bist, der darüber hinaus im Stande ist, analytisch, kritisch, konsequent und differenziert zu denken, was Dich allein bereits sehr wohlwollend heraushebt (noch dazu schon in jungen Lebensjahren – laut Deinem Profil bist Du an Neujahr volljährig geworden; wenn ich noch darf, gratuliere ich Dir dazu hiermit nachträglich sehr herzlich). Darüber hinaus machst Du den Eindruck einer charaktervollen und starken Persönlichkeit, die respektvolle und angemessene Umgangsformen und Verhaltensweisen souverän beherrscht sowie eine ausgeprägte Wesens-Reife besitzt.

Dafür nochmals meinen aufrichtigen Respekt. 👏 Ich finde solche jungen Menschen wie ich hier von Dir den Eindruck gewonnen habe höchst unterstützenswert (was aber natürlich nicht bedeutet, dass nicht genauso jeder Mensch, der sich Unterstützung wünscht und sie auch annehmen möchte; Unterstützung verdient hätte).

Daher nochmals mein Angebot: Zögere bitte nicht, Dich wann auch immer Du magst jederzeit sehr gern bei mir zu rühren, wenn Du z.B. irgendwann mal mehr Fakten und Hintergründe zu Deiner oben verlinkten anderen Frage wissen möchtest oder wenn Du eine andere Frage hast oder ich etwas für Dich tun kann; völlig egal ob zeitnah zu jetzt oder erst in einem zeitlichen Abstand [falls ich mal nicht soviel online sein kann und es daher nicht gleich sehe, dann evtl. einfach über ein "Kompliment" oder eine "Freundschaftsanfrage", weil ich dann eine eMail-Benachrichtigung erhalte und nachschaue].

Wo auch immer ich kann, werde ich Dich gern unterstützen, und Du wirst von mir stets nur absolut fundierte und bestens belegbare Statements, Stellungnahmen und Antworten bekommen. Einiges weiß ich zu verschiedensten Bereichen selbst auf kompetentem Niveau; und da wo ich es nicht selber weiß, habe ich ein kleines Repertoire an absolut renommierten und qualifizierten Leuten, von denen ich mir verlässliche Auskunft auf solidestem Niveau einholen und an Dich weitergeben kann. Es ist für mich nie ein Aufwand und das kann und werde ich gern machen.

Nochmals ganz viel Erfolg alles Gute derweil, liebe Grüße 🙂

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In erster linie, sind beides keine Redewendungen.
das erstere legt offen, dass man erschrocken wurde, von einer anderen Person, und das zweite, legt lediglich den Fakt offen, dass du dich erschrocken hast

https://languagetool.org/insights/de/beitrag/erschreckt-oder-erschrocken/#:~:text=Sich%20erschrecken%20gibt%20es%20daher,Ich%20habe%20mich%20erschreckt%2Ferschrocken

Sich erschrecken gibt es daher nicht. Umgangssprachlich sagen viele, sie hätten sich erschrocken, auch wenn sie genau genommen erschrocken sind oder sie jemand erschreckt hat. Folgende Formulierungen sind standardsprachlich nicht korrekt:
Ich habe mich erschreckt/erschrocken

DeutschkönnerInnen ist schon einmal falsch. Großbuchstaben stehen nicht IN Wörtern.