Faust 1: Kann Faust aus dem Bündnis mit Mephisto als Gewinner hervorgehen?

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Hallo,

was erhofft sich Faust denn, warum läßt er sich überhaupt auf den Kontakt mit der Geisterwelt ein? Weil er merkt, daß sein bisheriges Wissen, seine Bücher, seine Experimente ihn nicht weiterbringen. Möchte er doch erkennen, was die Welt im Innersten zusammenhält, was die tiefsten Geheimnisse der Welt sind.

Dabei ahnt Faust, was wir als Leser wissen: Mephisto wird ihm nicht wirklich helfen: Der Teufel ist ein Egoist und tut nicht gern um Gottes willen. Er kann sich bestenfalls erhoffen, daß Mephisto ihm - sicher ohne es zu wollen - den Zugang zu Bereichen öffnet, die Faust als einem sterblichen Menschen normalerweise verschlossen blieben. Vielleicht aber treibt ihn auch nur die Langeweile, der Wille, aus dem täglichen Einerlei auszubrechen. 

Was Mephisto will, ist klar. Gott selbst spricht es aus:

Zieh diesen Geist von seinem Urquell ab und führ ihn, kannst Du ihn erfassen, auf deinem Wege mit hinab. 

Gewinnen werden weder Faust noch Mephisto. Faust kann bestenfalls bleiben, was ihn auszeichnete, ein nach Erkenntnis strebender, sich seines Verstandes bedienender Mensch auf der Suche nach Wahrheit.

Mephisto wird am Ende nicht über dessen Seele verfügen können. Die Barmherzigkeit Gottes, die Liebe Gretchens, die nach ihrer Hinrichtung zur Una Poenitetiarum, zur einen Büßerin wird, werden Faust, der während seiner Jahre mit Mephisto viel und schwere Schuld auf sich geladen hat, vor dem Zugriff Mephistos retten.

Ohnehin hatte Faust seine Wette mit Mephisto nicht verloren. Er hat sich nicht 'mit Genuß betrügen' lassen; nie sagte er zum Augenblick: Verweile doch, du bist so schön, auch nicht während seiner Romanzen mit Gretchen und Helena.

Fazit: Faust konnte nicht gewinnen, weil Mephisto den Zugang zu dem Wissen, das allein Gott besitzt, nicht hat. Er ist nicht allwissend, wenn ihm auch viel bewußt ist; er ist nicht einmal einer von den Großen, wie er selbst zugibt. Faust konnte es bestenfalls schaffen, nicht zu verlieren.

Herzliche Grüße,

Willy