Ich hab irgendwie keine Lust mehr, mit anderen Menschen zu reden / Diskussionskultur?
Umso mehr ich studiere, desto mehr geht mir die Gesellschaft auf den Keks. Und dabei ist es eigentlich erstmal unerheblich, dass ich Theologie studiere. Es könnte auch Philosophie oder Politik sein.
Aber jedenfalls legen unsere Professoren immer sehr großen Wert auf fachliche Diskussionen. Auf das Reflektieren verschiedener Meinungen. So hat gestern z.B. jemand bei uns einen Vortrag gehalten, der das Menschenbild der Kirche massiv kritisiert hat. Und dann gibt es eine Diskussion dazu.
Und das ist für mich der Sinn und Zweck einer Fakultät. Sich Wissen aneignen, darüber Reflektieren, diskutieren und an der Diskussion wachsen, um neues Wissen zu erlangen. So werden wir im Theologie-Studium ja auch extra dazu aufgefordert, atheistische Schriften zu lesen, um uns eben damit auseinander zu setzen.
Und dann bekomme ich mit, wie es in Unis an Großstädten aussieht, wie in den Medien heute diskutiert wird, wie Personen zum Abschuss freigegeben werden...
Wenn ein Atheist oder ein Muslim zu uns kommt, um uns einen Vortrag zu halten, ja blockiere ich dann den Hörsaal, weil mich das "triggert"? Verbanne ich atheistische Schriften aus der Bibliothek, weil sie mich "triggern?" Nein, denn das ist gerade der Sinn und Zweck.
Ich habe das Gefühl, gerade in Großstädten wollen viele Leute immer mehr in einer Komfortzone leben. Wenn es da ein Buch gibt, dass Transsexualität wissenschaftlich hinterfragt, dann muss es aus der Bibliothek raus, weil es mich "triggert"! Wenn ein Dozent kommt, der eine konträre Meinung zu meinem Weltbild hat, werden die Hörsäle blockiert.
Universitäten werden immer öfter zum Schutzraum "vor Meinungen", als ein Schutzraum "von Meinungen".
Eine kopftuchtragende Studentin, die sich von einem Islam kritischen Vortrag eines Gastredners "getriggert" fühlt und einen Rassismus-Skandal vom Zaun bricht, ist nur eines der Beispiele.
Wer als Politiker mit einem Menschen kommuniziert, der nicht im Mainstream ist, heißt es, er habe "Verbindungen ins rechte/linke Lager". Sollte z.B. ein SPD Politiker mit einem AfDler essen gehen, könnte das zum medialen Abschuss reichen.
Aber auch junge Studenten, die in den Medien ihre Sicht über Gender und Rassismus mit einer solchen Unfehlbarkeit verkünden, dass der Papst blass aussieht.
Ich persönlich habe auf das alles irgendwie keine Lust mehr. Mich nervt das alles.
Wie seht ihr das alles?
Und es werden auch hier wieder Leute kommen, die keine zwei Sekunden für den Text verschwenden, sondern direkt mit "Bullshit" antworten.
4 Antworten
Ich persönlich habe auf das alles irgendwie keine Lust mehr. Mich nervt das alles.
Das ging mir so in einer Zeit, in der ich gemerkt habe, dass ich mit den Leuten in meiner Heimatstadt nicht mehr klar komme, weil ich ihnen nicht mehr nach dem Mund redete und "erwachsen" geworden bzw. aufgewacht bin und selbstbewusst meine eigenen Gedanken vertreten konnte. Ich habe mich nicht mehr am Leben dort beteiligt, wollte keine Gespräche mehr führen, fühlte mich unwillig, unsicher, wollte einfach nichts mehr mit der Umwelt zu tun haben. Ich war mürrisch, unfreundlich, mauerte hier und da, war auf der Arbeit frustriert, habe angefangen meine Kunden zu verachten (so wie die Verachtung mir vorher entgegen schlug); ich nutzte jede Gelegenheit um nicht zuhause sein zu müssen. Zufrieden war ich nur, wenn ich wirklich woanders war und dort blühte ich auch auf.
Seit ich 2019 umgezogen bin, ist jedoch ALLES besser, bin ich ausgeglichener denn je, habe Spaß am Leben, an meinen Hobbys, an meiner Arbeit und fühle mich total positiv, führe wieder gern Gespräche auch politischer Hinsicht, lange Gespräche auch gern mal ... ich bin einfach zufrieden und weiß genau, in meiner Heimat wäre es NIE so weit gekommen.
Ich habe es schon mal vermutet, dass dein Theologie-Studium das Hauptübel für deine Probleme ist. Es gefällt dir offenbar nicht wirklich, das Umfeld dort ist schwierig und liegt dir nicht, du eckst an wegen deiner anderen Ansichten (für die dein Umfeld eventuell nicht reif ist oder so, ich weiß es nicht) und die anderen ecken im Gegenzug bei dir an, weil man sich nichts zu sagen hat ... wie es bei meinen damaligen Kunden und mir war - es passt menschlich einfach nicht zusammen und das sollte man aus meiner Sicht alsbald ändern, damit es keine tiefgreifenden und ggf. längerfristigen psychischen Probleme verursacht.
Die Gesellschaft geht dir nur auf den Keks, weil du mit deiner Gesellschaft nicht im Reinen stehst und das dein ganzes Weltbild verfremdet inklusive deiner latenten Unzufriedenheit mit der im Grunde inakzeptablen Gesamtsituation. Aber da musst du selbst tätig werden, anstatt in tautologischen Gedanken zu verfallen - bringt alles nix. Alles Gute!
Ich habe schon zahlreiche andere Fragen dieser und ähnlicher Art gelesen - deswegen habe ich den Gedanken mit dem Studium auch schon mehrfach geäußert, weil ich diesen Eindruck habe.
Ja. Seh ich ebenso. Die in den letzten Jahren hat sich immer mehr ein denken der extreme durchgesetzt. Die Leute können Meinungen und Fakten immer schlechter unterscheiden. Die Meinungen sind so stark verhärtet, dass kaum eine Diskussion mehr möglich ist. Du bist entweder für mich, oder gegen mich. So machen Diskussionen kaum noch Sinn und rauben nurnoch Energie.
LG.
Ich teile deine Wahrnehmungen nicht. Ich kenne viele kontroverse Diskussionen zwischen Menschen, die verschiedene Meinungen haben, die respektvoll und sachlich sind.
Wenn dich die aggressive und ausschließende Diskussionskultur nervt, dann mache das doch einfach anders.
Ich pflichte Dir bei. Mehr kann ich dazu auch gar nicht schreiben. Du hast es wunderbar formuliert.
Ich mag das Wort "triggern" nicht, aber genau darum geht es ja auch.
Ich sehe nicht die Ursache im Theologie-Studium. Das schreibt er doch auch gar nicht.
Das reflektierte Studium zeigt ihm, wie es außerhalb seiner Uni in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung zugeht, nämlich leider ganz anders.