Ich habe von 2004 - 2007 in Dhaka gelebt und hatte vor Ort Kontakte zu Vertretern diverser europ. Bekleidungsfirmen. Sie alle haben behauptet, dass die Firmen, bei denen sie arbeiten lassen würden, sorgfältigst ausgesucht worden wären und man stets die Einhaltung humaner Arbeitsbedingungen kontrollieren und bei Zuwiderhandlung die Firma wechseln würde. Mehrfach hatte ich nachgefragt, ob man eine dieser Firmen besichtigen könnte. Keiner wollte das erlauben, auch nicht Vertreter von Firmen, die für qualitativ hochwertigere Produkte bekannt sind. Da macht man sich so seine Gedanken ...
Bei sogenannten "factory sales" wurden z.B. Jeans, Cordhosen, gefütterte Jacken, Hemden etc. ( u. a. Otto Versand) für umgerechnet 1.40 € und Blusen + Kleider von Erika Mode für ca. 0,50 € verkauft. Da macht man sich noch mehr Gedanken ...
Die Näherinnen kommen oft aus armen ländlichen Gebieten, wo es KEINE Verdienstmöglichkeiten für sie gibt. Sie sind auf jeden Taka (bangl. Währung)angewiesen. Ein monatliches Einkommen von 20 - 30 € ist in diesen Gegenden eine große Hilfe für die ganze Familie. Einige verdienen sich auf diese Weise ihre Mitgift, ohne die sie kein "ordentlicher" Mann nehmen würde. Damit sie schneller wieder heim können, hausen sie mit mehreren gemeinsam in fürchterlichen Löchern und machen gerne Überstunden - unvorstellbar, bei eh schon 10-12 Arbeitsstunden pro Tag in total überhitzten Fabrikhallen. Die Fabrikbesitzer kommen solchen Arbeitswilligen natürlich nicht ungern entgegen. Was wir in unseren Breitengraden als "menschenunwürdige Arbeitsbedingungen" bezeichnen, empfinden die unter ärmlichen Bedingungen lebenden Bangladescher z. T. als nicht so schlimm. Auch in anderen Bereichen sieht es ähnlich (und noch schlimmer) aus. Man denke nur an die Ausschlachtung der Wracks in Chittagong (Film: Iron Crows - Trailer bei youtube.com). Es ist alles so unglaublich traurig! Diese Menschen haben keine andere Wahl, wie Sie schon sagen, Luzivieh. Vom Staat können sie keine Hilfe erwarten, die Reichen im Land sind so immens reich, dass sie längst abgehoben haben und außer kleinen Almosen hier und da nichts rausrücken und die Hilfe aus dem Ausland verschwindet zum Großteil auf Schweizer Konten. Ich habe mir lange schon vorgenommen, keine in Bangladesch, Indien und China hergestellten Produkte zu kaufen. Da das nicht immer erkenntlich ist, ist dies natürlich ein schwieriges Unterfangen. Irgendwie aber sitze ich zwischen zwei Stühlen: Wenn diese Produkte nicht verkauft werden,haben die Armen bald überhaupt kein Einkommen mehr...

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