Also ich sehe es einfach nicht ein, sich als SozialarbeiterIn mit Hungerlöhnen und prekären Arbeitsbedingungen abspeisen zu lassen!

Mittlerweile sind SozialarbeiterInnen in einer verhältnismäßig günstigen Position, da (zumindest in Berlin) es eine unglaublich hohe Nachfrage nach SozialarbeiterInnen gibt. Nichtsdestotrotz stimmt die Einschätzung, dass die Bezahlung oftmals eher dürftig ist.

Die tariflichen Standards, die aus meiner Sicht die geleistete Arbeit auch nur so gerade eben angemessen entlohnen, werden dabei sogar noch von sogenannten Haustarifen um etliche Prozentpunkte unterlaufen. Dabei ist, wenn man mal nach Marktregeln gehen würde, dass doch irgendwo paradox. Bei jeder anderen Ware wäre doch die lehrbuchmäßige Folge, dass bei steigendem Bedarf und mehr oder weniger gleichbleibendem Angebot der Preis steigen müsste. Das zurzeit Arbeitskräftemangel im Sozialen Bereich herrscht (zumindest in Berlin), kenne ich aus dem Innenleben einiger sozialer Träger, die Wochen bis Monate brauchen, bis sie SP/SA Stellen besetzen können. Also warum steigt der Wert der Ware Arbeitskraft nicht oder nicht merklich?

Natürlich sind viele Träger gewissen finanziellen Sachzwängen ausgesetzt. Aber auf der anderen Seite habe ich das Gefühl, dass arbeitssuchende SP/SA´lerInnen es Ihnen zu leicht machen, dass diese Sachzwänge de fakto sakrosankt in Stein gemeißelt sind bzw. von dieser Seite zu wenig Druck ausgeübt wird, sich Gedanken um die eigene Finanzierungsstruktur zu machen, um SP/SA angemessen zu bezahlen.

Einen wichtigen Mechanismus dabei sehe ich die krasse Intransparenz was Wert der Ware Arbeitskraft angeht. Ich halte es für eine typisch deutsche Unsitte in Stellenausschreibungen wenn überhaupt nur vage anzudeuten, was denn eigentlich finanziell so dabei rumkommt. Nein, es wird erwartet, dass ich mir erst mal blind den Aufwand zumute, Zeit und Energie in eine ansprechende schriftliche Bewerbung zu stecken, zu hoffen zum Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden und, so kommend, mich dafür auch entsprechend vorzubereiten, um dann dort am Ende zu erfahren, dass die Bezahlung unter aller Kanone ist…hallo geht’s noch??!

Das wäre ja wie in ein Elektrofachgeschäft zu gehen, dort viele verschiedene Modelle meines gewünschten Gerätes ohne Preisschild vorzufinden, mich quasi blind für eines zu entscheiden, mich dann an eine lange Schlange an der Kasse anzustellen um dann erst von der Kassenfachkraft zu erfahren, was denn das Gerät überhaupt kosten soll…absurd oder etwa nicht??

Nur um´s mal klar zu machen, ich bin selbst Sozialarbeiter, ich halte mich sogar für einen von der idealistischen Sorte. Aber weder bin ich naiv, noch habe ich eine Abneigungen gegen Zahlen. Und ich will nicht hinnehmen, „Arbeitnehmer“ zu sein, also quasi Bittsteller, der sich darüber freuen darf, Arbeit empfangen zu dürfen. Bin ICH nicht derjenige, der was zu GEBEN hat? Der seine Ware Arbeitskraft verkauft bzw. verkaufen muss? Warum bin ich dann nicht der ArbeitGEBER??? …und derjenige, der was von mir will - nämlich meine Arbeitskraft - der Arbeit(skraft)NEHMER??

Auch das Verhalten von Gewerkschaften ist sicher manchmal problematisch – besonders wenn sie Tarifabschlüsse als Erfolg darstellen, der für viele ArbeitnehmerInnen keiner ist (Stichwort Haustarif). Aber die Sache dahinter, nämlich für (unter anderem) gerechte und faire Löhne zu streiten, da kann sicher jeder und jede mit beitragen, in dem die durchaus an erster Stelle stehenden Kriterien der Arbeitsplatzwahl wie Arbeitsfeld, konkrete Aufgaben und Anforderungen offensiv durch das Kriterium der Bezahlung ergänzt wird. Eine gute Orientierung bietet besonders für SP/SA der TVÖD. Hier sind entweder SuE 11 oder TVÖD 9 absolutes Minimum, auch für frisch Ausgebildete. Was das in Zahlen bedeutet, kann gegoogelt werden.

Und wer sich nicht traut (was natürlich verständlich ist), auf eine Stellenanzeige erstmal zum Telefonhöhrer zu greifen und zu fragen „interessante Stelle haben Sie da anzubieten, aber wie ist denn die Bezahlung?“ , der/die kann sich auch ein freundliches Schreiben ausdenken und das von einer (anonymen) Zweitmailadresse verschicken. Sicherlich gibt´s dann irritierte, entschuldigende bis unfreundliche Rückmeldungen…aber das ist auch gut so. Und wenn man dann wenigstens die finanziellen Konditionen des Stellenangebotes erfährt, kann man immer noch abwägen, ob man eher seinen nicht-monetären Präferenzen (sprich Arbeitsfeld, konkrete Aufgaben usw.) folgen möchte oder doch das Finanzielle zur Entscheidungsgrundlage macht.

Der unsichtbare Konsens, dass im Sozialen Sektor Idealismus mal mehr mal weniger zur naturgegebebenen Subvention prekärer Arbeitsbedingungen herhält und sich letzten Endes gut ausgebildete und motivierte Leute regelrecht verbrennen, muss aufgebrochen werden!! Aber das geht nur, wenn SP/SA´lerInnen sich nicht nur hingebungsvoll für ihre Klienten einsetzen, sondern auch kollektiv und individuell für die Anerkennung ihrer Profession, ihres Berufsstandes und für ihre Kollegen

...zur Antwort