Etwas spät, hoffentlich aber noch hilfreich für Andere.

Ich habe vor einigen Tagen meinen vierwöchigen (geplat waren 6) Einsatz bei Wesser vorzeitig beendet. Genaue Details bleiben aus, da man sich (wie soll es auch anders sein) vertraglich zur Geheimhaltung verpflichtet.

Es sei so viel zu sagen: Das Werben von Mitgliedern an der Haustüre selbst war noch das "Schönste" an der ganzen Zeit.
Man wird idR für 6 Stunden bei 6 Tagen die Woche bezahlt (plus Prämie für geworbene Leute). Der Rest sei angeblich "Freizeit". Eine dreiste Lüge.

In der Realität geht der Tag um spätestens 9 Uhr los, das gemeinsame Frühstück ist eine Pflichtteilnahme. Anschließend wird jeden(!) Morgen eine "Verkaufssimulation" durchgeführt, in welcher 2 Leute sich vor dem Rest der Gruppe (variierte zwischen 10 und 15 Personen) in ein Rollenspiel begeben und eine Verkaufssituation vorspielen mussten. Auch wenn man sich weigerte, musste man es tun, da man sonst "direkt nach Hause fahren könne". Anschließend prasselte es natürlich für jeden viel Kritik. Selbst bei Leuten, die mehr Zahlen als die Teamleiter selbst geschrieben haben. Auch auf Anbitte von insgesammt 7 Leuten weigerte sich der "Teamleiter", diese völlig unsinnige Methode abzuschaffen oder sie wenigstens in Kleingruppen zu gliedern. Auf Lehramtsstudenten müsse er wohl nicht hören. Richtig, ist ziemlich Berufsfremd für Pädagogen. ;)

Waren diese Unnötigkeiten dann geklärt, wurden die Einsatzgebiete verteilt, man wurde vom Teamchef in sein Gebiet gefahren und es war immer relativ genau 13:30. "Um 21.00 hole ich dich wieder ab", hieß es jeden Tag. Dass dies aber mehr als 6 Stunden seien, wurde mit der stumpfen Antwort "kannst ja dann 1 1/2 Stunden Pause machen" beantwortet. Bei Wind und Wetter ist das natürlich eine wahre Freude! (Rechtlich gesehen verboten, Stichwort: Unnötig lange Pausen.)

War man dann wieder um 22.00 daheim, wurde gemeinsam gekocht. Relativ. Die "neuen" mussten schneiden, der Teamchef hat Sachen in den Topf geworfen. Es wurde ausschließlich Vegan gekocht, da 2 Veganer in der Gruppe waren. Auf meine Frage bezüglich Mangelernährung wurde mir angeraten, dass ich mir ja Nahrungsegänzungstabletten kaufen könne, wenn ich so großen Wert auf gesunde Ernährung legen würde.

Zeit um selbst zu kochen blieb natürlich nicht, da nach dem Essen sofort die Nachbesprechung des Tages stattfand, in der man sich "nackt machen" und seine aufgeschriebenen Leute auf den Tisch legen musste.

Die Nachbesprechung war meist zwischen 23.30 und 0.00 beendet. In Angesicht der Tatsache, dass man am nächsten Tag wieder um 9 auf der Matte stehen musste, wäre dies eigentlich "Bettzeit". Natürlich nicht! "Wenn du nicht noch ein paar Bier mit uns trinkst, wäre das schon etwas unfreundlich."
Dass der Teamleiter selbst meist 30-60 Minuten zu spät zum Frühstück kam, wurde immer kommentarlos hingenommen.

Sehen wir also die realistischen Zeiten: 09:00-22:00. 13 Stunden. Dreizehn.
Man wird für 6 Stunden bezahlt (die Prämien aussen vor) und dies mit dem Mindestlohn von 8,50€. Bei der Zeit, die man eingebunden ist, wären es also eigentlich knappe 4€ pro Stunde.

Abgesehen davon, dass die gesamte Wohnsituation (keine Einzelzimmer, kein einziger "Ruheraum" um eventuell mal Privatsphäre zu haben, etc) passiver Psychodruck war der wohl ein (Zwangs-)Gefühl von "Familie" vermitteln sollte, wurde auch noch jede Woche eine Mail mit den "besten Verkäufern Deutschlandweit" rumgeschickt, damit man sich auch ja anstrengt, bessere Zahlen zu schreiben. Ob ein armer Mensch nun sein letztes Geld für Spenden ausgeben möchte, überlasse ich dann doch lieber ihm selbst, anstatt ihn dafür "zu überzeugen".

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