Ittens Farbmodell ist künstlerisch geprägt. Es geht ihm um Farbkontraste und Farbwirkungen. Physikalisch gesehen stimmt es nicht!

Physikalisch ist die Sache eigentlich klar:

  • Wenn man sich mit Lichtfarben beschäftigt (auch beim Monitor), gibt es die Grundfarben Rot, Grün, Blau, kurz RGB. Da gilt das additive Prinzip. Alles zusammen ergibt weiß.
  • Wenn man sich mit Körperfarben beschäftigt (Pigmentfarben, beim Drucken, Malen und Lackieren), gibt es die Grundfarben Cyan, Magenta, Yellow (Gelb), kurz CMY. Kennt man heutzutage vom Farbdrucker. Alles zusammen ergibt schwarz. Hier gilt das subtraktive Prinzip. Das Entscheidende ist nämlich, was von den Pigmenten absorbiert wird. Nur der Rest wird reflektiert und von uns dann gesehen.
  • Mischt man die jeweiligen Grundfarben, bekommt man Sekundärfarben, die dann auch die Grundfarben des anderen Farbsystems sind.
  • Beim Mischen von Malfarben bekommt man aus Cyan und Gelb die Farbe Grün. Aber nur, wenn man die reinen Farben verwendet!
  • Itten (und in der Folge der Pelikan-Malkasten) bekommt in seinem Farbkreis beim Mischen aus Blau und Gelb die Farbe Grün. Das erscheint erst mal als ein Widerspruch zur Physik. Das liegt aber daran, dass Itten keine reinen Farben verwendet, sondern dass die Itten-Farben selber schon Mischfarben sind! Das Itten Blau ist z.B. eine Mischung aus Blau und Cyan, das Itten Rot ist eine Mischung aus Rot und Magenta. Wenn man die mischt, gibt es eine Art Grün. Das ist dann auch nicht mehr verwunderlich. Aber es ist kein reines Grün, sondern ein etwas schmutziges Olivgrün.
  • Der Itten Farbkreis so wie man ihn üblicherweise sieht ist modern gesagt ein Fake. Er kann so nicht durch Mischen entstanden sein! Aufgeflogen ist das seinerzeit, als sein Buch gedruckt werden sollte. Wäre er korrekt, hätte man die drei Mischfarben aus den drei Grundfarben von Itten mischen können. Dies erwies sich aber als unmöglich. Man musste für die drei Grundfarben und die drei angeblichen Mischfarben 6 Farben beim Drucken nehmen! Das ist lange bekannt, damit hat sich der Drucker und Medientheoretiker Küppers in seiner Kritik an Itten beschäftigt (siehe Wikipedia).

Fazit: Der Itten Farbkreis ist eine Illusion (ein Fake), aber mit großer Wirkung.

Leider hat Itten mit seinem Farbkreis und dem Pelikan-Malkasten millionenfach die Illusion erzeugt, beim Mischen von Blau und Gelb entstünde Grün und beim Mischen von Rot und Blau entstünde Violett. Dies entsteht höchstens beim Mischen der Mischfarben Itten-Blau, Itten-Gelb und Itten-Rot (aber auch das nicht wirklich). Eigentlich wissen alle, die mit Wasserfarben, Acrylfarben oder Lacken gemischt haben, dass einerseits aus reinem Blau mit reinem Gelb kein Grün entsteht. Und dass umgekehrt aus Itten-Pelikan-Blau mit Itten-Pelikan-Gelb kein sauberes Grün entsteht, sondern eine Art Olivgrün. Das hat man dann (man 'weiß' ja vom Farbkreis, dass da grün rauskommen soll) mental beiseite gedrückt (nicht gut gemischt, Pinsel nicht sauber, schlechte Grundfarben, ...).

Man muss einfach klarhaben: Bei Itten und im Pelikan-Malkasten gibt es kein reines Rot, kein reines Blau, kein reines Gelb! Das wird auch nicht direkt verheimlicht (das Pelikan-Blau heißt cyanblau, das pelikan-Rot heißt Magentarot, das Pelikan Gelb ist Cadmiumgelb). Aber an den entscheidenden Stellen, wo man sich im Kunstunterricht wundert, warum die Physik auf einmal nicht gelten sollte, wird es auch nicht offensiv mitgeteilt.

Und einem richtigen Künstler ist es auch egal. Dem kommt es drauf an, dass es in seinem Sinne schön aussieht.

Und ein moderner Künstler wird sich auch kaum Grün aus Blau/ Cyan mit Gelb selber mischen, sondern bestellt sich das passende Grün im Fachhandel. 

...zur Antwort