Und inwiefern funktioniert der Kapitalismus? Der kapitalistische Normalbetrieb beinhaltet Ausbeutung, Unterdrückung, Entfremdung, Imperialismus, Krieg und zyklische Krisen.

Das langanhaltende Wirtschaftswachstum in den Nachkriegsjahrzehnten hat in den kapitalistischen Metropolen (und wohlgemerkt nur dort) die ausbeuterischen Mechanismen des Kapitalismus ganz gut verschleiert und auch Teilen der Arbeiterschaft eine Hebung ihres Lebensstandards verschafft, aber diese Zeiten waren eine historische Ausnahme, sind nun vorbei und kommen nicht mehr wieder.

Seit den 80er Jahren wird der ehemals starke Sozialstaat Stück für Stück auseinandergenommen, die Verelendung, Obdachlosigkeit und Hunger steigt auch in den reichsten Industrienationen wieder stetig an und wir steuern geradewegs auf eine globale Rezession und einen dritten Weltkrieg zwischen den imperialistischen Blöcken zu, während die kapitalistischen Marktmechanismen keine Antwort auf die Auswirkungen des Klimawandels haben.

Die Alternative zu diesem Irrsinn ist eine bedürfnisorientierte Planwirtschaft, die auf materieller und sozialer Gleichheit, demokratischer Kontrolle und Gemeinbesitz beruht. Nichts anderes ist Kommunismus.

Überall dort, wo kommunistische Parteien an die Macht gekommen sind, hat das zu einer direkten Besserung der Lebensbedingungen der Masse der armen und arbeitenden Bevölkerung geführt, in Bereichen wie sozialer Absicherung, Verteilungsgerechtigkeit, Gesundheitsversorgung, Zugang zu Bildung und Gleichstellung der Geschlechter.

Die Sowjetunion entwickelte sich nach der Oktoberrevolution innerhalb von wenigen Jahrzehnten von einem rückständigen Agrarstaat zur ersten Raumfahrernation der Welt, und der kleine und ressourcenarme sozialistische Inselstaat Kuba übertrifft heute trotz jahrzehntelanger Wirtschaftsblockade und Destabilisierungsversuchen die kapitalistische Supermacht USA in Lebenserwartung und unterbietet sie in Sachen Kindersterblichkeit, Obdachlosigkeit und Analphabetismus. Und das sind nur zwei von vielen Beispiele.

Ja, auch sozialistische Staaten sind und waren nicht perfekt und viele von ihnen waren von wirtschaftlichen Problemen, politischen Repression und teilweise staatlicher Willkür geplagt. Was aber gern vergessen wird, ist dass sich nichts davon im luftleeren Raum ereignete.

Kommunismus soll die Verwaltung von Überfluss bedeuten, aber historisch sind kommunistisch regierte Staaten nur in einigen der ärmsten und unterentwickeltsten Teile der Welt entstanden, wo das nicht von Anfang an möglich war.

Die Hungersnot in der Sowjetunion in den 30er Jahren und die Hungersnot im maoistischen China 1959-1961 sind weithin bekannt und wurden zu Propagandazwecken aufgebauscht, aber die Realität ist, dass die kommunistischen Regierungen bemüht waren, die kleinteilige Landwirtschaft zu industrialisieren und zu modernisieren und damit gerade die Ernährungsunsicherheit zu beseitigen, die jede vormoderne Gesellschaft plagt. Seitdem hat es weder in der Sowjetunion noch in China eine Hungersnot gegeben. Die Restauration des Kapitalismus bewirkte hingegen direkt eine Hunger- und Versorgungskrise in Russland und den übrigen postsowjetischen Staaten:

Russian mortality trends for 1991-2001: analysis by cause and region - PMC

Hungersnöte wurden auch von den kapitalistischen Großmächten in ihren Kolonien teilweise bewusst herbeigeführt, z.B. in Indien 1943. Auch heute, wo der Kapitalismus sich weltweit Bahn gebrochen hat, hungern über 700 Millionen Menschen, und das obwohl genügend Lebensmittel vorhanden sind. Offensichtlich handelt es sich also um ein Verteilungsproblem, das die kapitalistische Logik nicht bewältigen kann.

Ein weiterer Punkt ist, dass die kapitalistischen Großmächte nie eine Systemalternative in Form des Sozialismus geduldet haben. Jeder einzelne sozialistische Staat wurde von ihnen mit Embargos belegt, militärisch bedroht und destabilisiert. Nach der Oktoberrevolution in Russland 1917 intervenierten ein Dutzend ausländischer Mächte, um die antisemitische und protofaschistische Weiße Armee im Bürgerkrieg gegen die letztendlich siegreichen Kommunisten zu unterstützen.

Die USA haben in jedem einzelnen Land in der Karibik und in Lateinamerika interveniert, rechtsextreme Todesschwadrone hochgerüstet oder Militärdiktaturen unterstützt, nur um eine sozialistische Wende zu verhindern. In Vietnam führten sie zu diesem Zweck einen brutalen Krieg und bombardierten nebenher heimlich die neutralen Staaten Laos und Kambodscha, um dort das gleiche zu erreichen, und in Indonesien unterstützten sie die Militärdiktatur beim Massenmord an zwei Millionen Kommunisten. Diese Aufzählung lässt sich lange so fortsetzen und auch die europäischen kapitalistischen Großmächte haben in der gleichen Art in Afrika Apartheidsregime unterstützt, sozialistische Präsidenten ermordet und rechte Milizen hochgerüstet.

Wenn eine sozialistische Revolution oder auch die Wahl eines sozialistischen Präsidenten in einem armen Land durch die Intervention kapitalistischer Großmächte im Blut ertränkt wird, ist das das ein Scheitern des Sozialismus?

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Tja, wenn ein Kommunist selbst Geld hat, wird ihm Scheinheiligkeit zum Vorwurf gemacht, und wenn ein Kommunist arm ist, dann wird ihm Neid zum Vorwurf gemacht. Da könnte man doch glatt auf die Idee kommen, es geht bei solchen Polemiken gar nicht um die moralische Integrität einer Person, sondern darum, den Kommunismus insgesamt zu diskreditieren.

Der traditionelle harte Kern der kommunistischen Bewegung war jahrzehntelang vor allem die Industriearbeiterschaft, aber mit dem Verschwinden bzw. der bürgerlichen Wende der ehemals großen Arbeiterparteien kommunistischer und sozialdemokratischer Ausrichtung sind die Universitäten heute eine der letzten gesellschaftlichen Nischen, in denen kritisches Hinterfragen der bestehenden Verhältnisse noch möglich ist und (im gewissen Rahmen) gefördert wird. Da kann es nicht verwundern, dass Studenten in der bestehenden kleinen linksradikalen Bewegung überrepräsentiert sind. Es wäre wünschenswert und notwendig, dass die Bewegung besser die tatsächliche Diversität der Arbeiterklasse widerspiegelt, aber daraus kann man keinen Vorwurf gegen kommunistische Studenten machen.

Die Mehrheit der Studenten studiert schließlich für eine zukünftige Lohnabhängigkeit oder finanziert sogar ihr Studium durch gleichzeitige Lohnarbeit. Auch wenn studierte Lohnarbeiter in der Regel (nicht immer) besser dastehen als nichtstudierte Lohnarbeiter, bleiben sie in einem Ausbeutungs- und Abhängigkeitsverhältnis gefangen und der Kommunismus ist dadurch ehrlicher Ausdruck ihres Klasseninteresses.

Und solange man im Kapitalismus lebt, ist der Konsum von Waren, die unter kapitalistischen Bedingungen hergestellt wurden, unvermeidlich. Daraus ergibt sich ja gerade die kommunistische Kritik. Es geht nicht darum, abgeschieden von der Gesellschaft zu leben und ja nichts zu konsumieren oder zu besitzen, sondern darum, die Eigentumsverhältnisse zu verändern. Der Kapitalismus hat mit der Industrialisierung die Grundlage für eine kommunistische Überflussgesellschaft geschaffen, aber seine Nützlichkeit hat er schon lange überlebt.

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Natürlich ist das nicht schlimm.

Die kommunistische Bewegung ist die Antwort der Ausgebeuteten und Entrechteten auf das kapitalistische System, das den Profit für eine kleine Minderheit über das Wohl der Masse der Menschen stellt. Kapitalismus bedeutet Armut, Unterdrückung, Entfremdung, Umweltzerstörung, Krieg und Krise. Seit der Finanzkrise 2008 steckt der Kapitalismus in einer solchen Dauerkrise, dass Jugendliche und junge Erwachsene nichts kennen außer einem ständigen Ausnahmezustand und Verzweiflung.

Die Alternative zum kapitalistischen Irrsinn ist eine bedürfnisorientierte Wirtschaft, die auf Gemeinbesitz und demokratischer Planung beruht. Nichts anderes ist Kommunismus. Für die absolute Mehrheit der Menschheit, die im Kapitalismus ausgebeutet und unterdrückt wird, wäre der Kommunismus natürlich eine bessere Alternative als das derzeitige kapitalistische System. Eine Bedrohung stellt der Kommunismus nur für die kleine Minderheit dar, die vom Kapitalismus als herrschende Klasse profitiert.

Gerade weil diese Klasse der Kapitalisten aber die wirtschaftliche und gesellschaftliche Macht auf sich konzentriert und der Staat in ihrem Interesse handelt, hat sie auch die Möglichkeiten, unter der breiten Bevölkerung Rechtfertigungen für ihre privilegierte und herrschende Stellung zu streuen, ihre Widersacher zu verteufeln und ihre eigenen Verbrechen zu vertuschen, mit anderen Worten Ideologie und Propaganda zu verbreiten.

Mit kapitalistischer Ideologie ist man z.B. in der Schule oder in den Massenmedien ständig konfrontiert und auch viele der übrigen Antworten hier geben solche Vorstellungen wieder, wie z.B. folgende:

  • dass der Kapitalismus Leistung belohnen würde und jeder reich werden könnte, wenn er sich nur genügend anstrengt. Tatsächlich basiert immenser Reichtum nicht auf der eigenen Arbeit, sondern auf der Ausbeutung der Arbeit anderer Menschen. Die Chance, tatsächlich aus bescheidenen Verhältnissen in den Club der Reichen aufzusteigen, ist verschwindend gering (und viel geringer als z.B. die Gefahr der Obdachlosigkeit), trotzdem bringt diese Aussicht viele Leute dazu, sich selbst mit ihren Ausbeutern zu identifizieren und aus diesem Grund z.B. Vermögenssteuern abzulehnen, obwohl sie selbst davon profitieren würden.
  • dass der Kapitalismus schon immer existiert hätte und der menschlichen Natur entsprechen würde - hat er nicht und tut er nicht. Kapitalismus und mit ihm profitorientiertes Wirtschaften und Lohnarbeit sind in Europa erst seit wenigen Jahrhunderten vorherrschend und wurden in anderen Erdteilen noch später eingeführt. Die menschliche Natur ist eben nicht festgelegt, sondern wird von den gesellschaftlichen Bedingungen geformt. Im Kapitalismus werden Eigenschaften wie Gier und Egoismus stärker an die Oberfläche gekehrt und gefördert als Solidarität und Kooperation, zu denen der Mensch ebenfalls fähig ist. Aber soll man von einem Zirkuslöwen darauf schließen, dass es die Natur des Löwen ist, durch brennende Reifen zu springen?
  • dass Kommunismus mit stalinistischer Diktatur gleichzusetzen ist - ist er nicht. Tatsache ist, dass überall dort, wo ein kommunistisches Programm umgesetzt wurde, dies eine Verringerung der Ungleichheit, eine Hebung des Lebensstandards der breiten Bevölkerung und massive Verbesserungen der Gesundheitsversorgung, des Zugangs zu Bildung und der Stellung der Frauen bewirkt hat. Tatsache ist auch, dass kommunistische Revolutionen bisher nur in armen und unterentwickelten Teilen der Erde erfolgreich waren - dem russischen Zarenreich, dem halbfeudalen China und diversen ehemaligen Kolonien in Asien, Afrika und Lateinamerika, und dass diese Revolutionen stets durch wirtschaftliche Blockaden und militärische Gewalt vonseiten der kapitalistischen Großmächte bedroht und in vielen Fällen durch Interventionen niedergeschlagen wurden. Es ist nicht das kommunistische Programm selbst, sondern es sind diese spezifischen Bedingungen, die in der Sowjetunion und anderswo dafür gesorgt haben, dass revolutionäre Regierungen Mangel verwalten mussten statt Überfluss, dass demokratische Strukturen nicht lebensfähig waren und dass Funktionäre von der Art eines Stalin ihre eigene Stellung über die Entwicklung des Sozialismus gestellt haben.
  • dass der Kapitalismus sich bändigen lassen würde, z.B. in Form einer "sozialen Marktwirtschaft". An den grundlegenden Spielregeln und Widersprüchen ändert auch ein Grundmaß von sozialer Absicherung nichts, dadurch kann die Zunahme der Ungleichheit nur verlangsamt werden, aber nicht aufgehalten oder umgekehrt, und auch Krisen und imperialistische Kriege bleiben unvermeidlich. Zudem sollte man sich vor Augen führen, dass alle sozialen Regelungen durch harte Kämpfe dem Kapitalismus abgerungen wurden und in Momenten der Schwäche der Arbeiterbewegung deshalb auch wieder verloren gehen können, wie es in Deutschland im Zuge des Neoliberalismus seit den 80er Jahren der Fall ist. Auch war die Phase des enormen Wirtschaftswachstums nach dem Zweiten Weltkrieg eine historische Ausnahme, die einen ausgebauten Sozialstaat erst ermöglichte, während wir heute auf eine globale Rezession zusteuern.
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Die Weltwirtschaftskrise war eine typische Überproduktionskrise. Die Verbindung aus Produktivitätssteigerung durch den Taylorismus und dem geringen Lohnniveau führten zu einem Überangebot an Waren, dadurch zu einem Preisverfall, Entwertung von Kapitalanlagen und Massenarbeitslosigkeit. Durch die entwickelte Weltwirtschaft griff die Krise auf fast die gesamte kapitalistische Welt über.

Nur unter der kurzsichtigen Profitlogik des Kapitalismus wird Überproduktion zur Ursache einer Krise. Das Phänomen der Überproduktionskrise wurde schon von Karl Marx ausführlich beschrieben und als eine Folge der Irrationalität des Kapitalismus benannt. Dass gerade die Sowjetunion mit ihrer Planwirtschaft der Krise entging und im Gegenteil unter dem ersten Fünfjahresplan eine rasante Industrialisierung und Wirtschaftswachstum erlebte, während der Kapitalismus unter seinem eigenen Gewicht strauchelte, wurde von vielen Zeitgenossen als die Bestätigung von Marx' Analysen gesehen.

Wohlgemerkt war die Wirtschaft der Sowjetunion zu dieser Zeit zwar zentral geplant, stand aber nicht unter demokratischer Kontrolle, wie sozialistische Prinzipien verlangt hätten, sondern unter der einer bürokratischen Parteispitze um Josef Stalin. Die Industrialisierung der Sowjetunion wurde deshalb ohne Rücksichtnahme auf die Gegebenheiten vor Ort durchgeführt, was zu ganz eigenen Problemen führte, die nichts mit der Weltwirtschaftskrise zu tun hatten, aber zeitgleich abliefen.

Die USA entdeckten den Handel mit der Sowjetunion als eine neue Möglichkeit, die Krise abzumildern. Die Sowjetunion unter Stalin exportierte vor allem Getreide im Gegenzug gegen Maschinen, die für die weitere Industrialisierung benötigt wurden. Diese Prioritätensetzung verschärfte die Hungersnot, die Anfang der 30er Jahre durch mehrere Missernten verursacht wurde.

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Funktionieren Demokratien?

Es existiert in der Natur keine absolute Gleichheit – Gleichheit besteht nur unter Gleichen. Erst wenn Wesen hinsichtlich ihrer Fähigkeiten, ihrer Voraussetzungen und ihrer Umweltbedingungen vergleichbar sind, kann man von einer echten Gleichwertigkeit sprechen. Unter Ungleichen hingegen wird niemals eine tatsächliche Gleichheit oder Gleichwertigkeit existieren. Dies scheint ein grundlegendes Naturgesetz zu sein, das durch evolutionäre Mechanismen wie Selektion und Anpassung gestützt wird.

Es ist anmaßend, wenn der Mensch glaubt, sich über diese natürlichen Gesetzmäßigkeiten erheben zu können. Bereits Charles Darwin wies in seiner Evolutionstheorie darauf hin, dass Vielfalt und Ungleichheit zentrale Triebfedern der natürlichen Entwicklung sind. Auch moderne Studien in der Evolutionsbiologie und Anthropologie legen nahe, dass der Mensch sich seit der Zeit des Neandertalers biologisch nur in begrenztem Maße weiterentwickelt hat - unsere kognitive Architektur ist noch immer auf Stammesdenken, Hierarchien und Gruppenidentitäten ausgelegt (vgl. Dunbar, 1998; Henrich, The Secret of Our Success, 2015).

Demokratien hingegen beruhen auf der normativen Idee, dass alle Menschen gleichwertig sind - rechtlich, politisch und moralisch. Diese Vorstellung ist ethisch hochstehend, aber realistisch betrachtet oft schwer umsetzbar. Bereits Platon kritisierte in seinem Werk Politeia die Demokratie als ein System, das die Herrschaft der Unwissenden ermöglicht und langfristig in Chaos und Tyrannei münden kann, wenn keine objektiven Kriterien für Führung und Urteilskraft angesetzt werden.

Wenn man davon ausgeht, dass Menschen in vielerlei Hinsicht ungleich sind – in Intelligenz, Charakter, Bildung, Selbstdisziplin -, stellt sich die Frage, ob eine politische Ordnung, die alle Stimmen gleich gewichtet, auf Dauer tragfähig ist. Tocqueville warnte bereits im 19. Jahrhundert vor der „Tyrannei der Mehrheit“, wenn Gleichheit als absolutes Prinzip missverstanden wird.

Demnach ist es zumindest diskutabel, ob Demokratien - trotz ihrer ethischen Ideale - langfristig stabile, gerechte und nachhaltige Systeme sein können, wenn sie die natürlichen Unterschiede zwischen Menschen ausblenden oder leugnen.

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Diese Argumentation, Ungleichheiten als natürlich darzustellen, wurde über Jahrhunderte genutzt, um die Ordnung im Sinne der herrschenden Klassen zu rechtfertigen. Mit der angeblichen Minderwertigkeit, fehlenden Zivilisation und Bildungsferne bestimmter Gruppen wurde die Sklaverei ebenso begründet wie der Ausschluss von Frauen, Kolonialvölkern, befreiten Sklaven und den arbeitenden Klassen von politischen Rechten. Im 19. Jahrhundert waren extrem diskriminierende Zensus- und Klassenwahlrechte die Norm in Europa.

Oft wurde dieser Ausschluss damit beschönigt, dass diese Gruppen mit unmündigen Kindern verglichen wurden - aber während Kinder irgendwann mündig werden und ihre Eltern für ihren Schutz verantwortlich sind, durften die unmündigen Armen ein Leben lang schuften und sich in Kriegen gegenseitig umbringen.

Erst zur Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wurden das allgemeine und gleiche Wahlrecht nach und nach für immer weitere Teile der Bevölkerung erkämpft. Nach dem Ersten Weltkrieg gab es in Westeuropa eine Welle von Wahlrechtsreformen als Reaktion auf die Revolutionen in Russland und Deutschland, die zeigten, wohin die Unterdrückung der Massen führt, wenn man ihnen kein Ventil lässt.

Das Wahlrecht für Arbeiter in einer bürgerlichen Republik war genau dazu gedacht, deren revolutionäre Gesinnung zu neutralisieren und in kontrollierbare Bahnen zu lenken. Die bürgerliche Demokratie beruht nicht auf tatsächlicher Gleichheit, sondern hat einen Klassencharakter, indem sie formelle rechtliche Gleichheit bei gleichzeitiger materieller und ökonomischer Ungleichheit zugesteht. Auch wenn Arbeiter nun wählen dürfen, stammen die Politiker aus dem Bürgertum und vertreten ihr eigenes Klasseninteresse, und in der wirtschaftlichen Sphäre abseits des Parlaments geht es sowieso diktatorisch zu.

Die Behauptung, eine "Tyrannei von unten" zu verhindern, war gerade die Losung des Faschismus, als die Armen, organisiert in sozialistischen und kommunistischen Parteien und Gewerkschaften, anfingen ihre politischen Rechte zu nutzen, um auch soziale Rechte einzufordern und damit die bürgerliche Eigentumsordnung herausforderten. Die Faschisten, die in Italien, Portugal, Österreich, Spanien und Deutschland an die Macht kamen, kassierten das Wahlrecht nicht wegen seiner Schwäche, sondern gerade wegen seines Potenzials ein, und verstärkten mit der gleichen naturalisierenden Argumentation von Ungleichheit die alten Hierarchien.

Stabil, gerecht und nachhaltig kann ein demokratisches System nur sein, wenn es sich nicht auf formelle Gleichheit beschränkt, sondern auch die soziale Gleichheit garantiert. Dazu gehört, dass auch das Eigentum unter kollektive, demokratische Kontrolle gestellt wird. Die Minderheit der Besitzenden schreien angesichts dieser Perspektive von Tyrannei, während sie selbst eine Tyrannei über die Mehrheit der Bevölkerung ausüben.

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Meinung des Tages: Neue alarmierende Zahlen - Sollte die neue Bundesregierung die Bekämpfung von Armut zur obersten Priorität machen?

(Bild mit KI erstellt)

Steigende Armut in Deutschland

Die Armutsquote hierzulande ist im letzten Jahr auf 15,5 Prozent gestiegen, was rund 13 Millionen Menschen betrifft. Hauptursache ist laut dem Paritätischen Gesamtverband die Inflation, durch die vor allem einkommensschwache Haushalte massiv an Kaufkraft verloren haben.

Das mittlere Einkommen armutsbetroffener Menschen ist auf inzwischen 921 Euro pro Monat gesunken. Besonders alarmierend ist, dass auch Menschen mit Vollzeitjob zunehmend unter die Armutsgrenze fallen. Die Folge: Viele Menschen können sich grundlegende Dinge wie Heizung, neue Kleidung oder Internetzugang nicht mehr leisten.

Betroffene und regionale Unterschiede

Am häufigsten betroffen sind Alleinerziehende, junge Erwachsene zwischen 18 und 24 Jahren sowie Rentnerinnen. Zu den von Armut Gefährdeten gehören zudem 1,1 Millionen Kinder und Jugendliche. Haushalte ohne deutsche Staatsangehörigkeit sind überdurchschnittlich oft von Armut betroffen.

Während in Bremen fast jeder vierte von Armut betroffen ist, ist es in Bayern nur ungefähr jeder achte.

Forderungen an die Politik

Sozialverbände fordern von der neuen Bundesregierung entschiedene Maßnahmen zur Bekämpfung von Armut, darunter bessere Löhne, stärkere Renten, mehr sozialer Wohnungsbau und gerechtere Vermögensbesteuerung.

Eine leichte Verbesserung zeigt sich bei der Armutsquote unter Erwerbstätigen – hier wird die Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro sowie die Wohngeldreform als positiv gewertet. Dennoch sehen die Verbände keine Trendwende: Die Krisen der letzten Jahre hätten zu einem generellen Wohlstandsverlust geführt, der gezielte politische Antworten erfordere.

Unsere Fragen an Euch:

  • Sollte die Bekämpfung von Armut in Deutschland eine der obersten Prioritäten der neuen Bundesregierung sein?
  • Welche konkreten Maßnahmen fordert Ihr von der Politik zur Bekämpfung von Armut?
  • Wie könnte eine stärkere Unterstützung für von Armut betroffene Kinder und Jugendliche aussehen?
  • Ist eine stärkere Besteuerung von großen Vermögen / Erbschaften ein denkbarer Weg zu mehr sozialer Gerechtigkeit?

Wir freuen uns auf Eure Beiträge.

Viele Grüße

Euer gutefrage Team

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Ja, die Armutsbekämpfung sollte höchste Priorität haben, da...

In der drittgrößten Wirtschaftsnation der Welt lebt fast jeder Sechste in Armut und in Sichtweite des Bundestags betteln Obdachlose Passanten um Almosen an.

Dieser Gegensatz von enormem Reichtum und enormer Ungleichheit gehört zum Kapitalismus untrennbar dazu. Selbst innerhalb des Handlungsrahmens der Politik war Deutschland stets ganz vorn dabei bei der Massenverelendung. Europaweit hat Deutschland zwar eine der geringsten Arbeitslosenquoten, gleichzeitig aber höhere Armutsquoten als sämtliche (!) Nachbarländer. Dieser Widerspruch kommt durch den Niedriglohnsektor zustande, der in Deutschland seit den 2000er Jahren massiv ausgebaut wurde. Was den Massen Armut und harte Ausbeutung bringt, beschert den wenigen Reichen traumhafte Profite.

Seit den 2010er Jahren wird die Situation für die arbeitenden und armen Massen immer unerträglicher. Ersteinmal liegt das an der strukturellen Krise des Kapitalismus und der sich abzeichnenden Rezession, befeuert wurde es durch die Pandemie, die die Unfähigkeit dieses Systems gezeigt hat, dem Allgemeinwohl zu dienen.

In Zeiten der Rezession verschärfen sich die Konflikte zwischen den imperialistischen Blöcken, die sich jetzt um einen schrumpfenden Kuchen streiten statt um einen wachsenden. Die Kehrseite des Ukrainekriegs, in dem der westliche und der russische Block um die Bodenschätze und die wirtschaftliche Dominanz in Osteuropa streiten, ist die Massenverelendung an der Heimatfront. Politiker und sogenannte Wirtschaftsexperten sprechen das ganz offen auf, indem sie die Parole von Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß abwandeln: Kanonen statt Butter!

Nur hätte die Masse der Bevölkerung wohl lieber Butter zu essen, statt von Kanonen zerfetzt zu werden!

Während für die Bundeswehr Sondervermögen nach Sondervermögen in Höhe von hunderten Milliarden Euro bereitgestellt wird, bleibt für Soziales nichts übrig. Kürzlich wurde nun die Schuldenbremse für Rüstungsaufgaben aufgehoben, und die Zinsen werden mit Haushaltskürzungen für ÖPNV, Gesundheit, Bildung, Arbeitslosenunterstützung, Familien etc. finanziert werden.

Mit der neuen Regierung wird auch offensichtlicher, in wessen Interesse der Staat handelt, nämlich im Interesse der Reichen. Der Multimillionär und zukünftige Kanzler Friedrich Merz hat sich bereits die Geschäftsführerin einer E.ON-Tochter Katharina Reiche und den Geschäftsführer der Saturn-Media Holding GmbH Karsten Wildberger in sein Kabinett geholt. Wer glaubt, dass solche Gestalten sich auch nur einen feuchten Dreck darum scheren, dass bei Millionen Menschen das Geld nicht mehr für Miete und Essen reicht, ist einfach nur naiv.

Im Gegensatz zu vielen Lohnabhängigen in Deutschland, die fest und vergeblich daran glauben, dass auch sie eines Tages zum Club der Superreichen gehören werden, wissen Leute wie Merz, Reiche und Wildberger sehr genau, zu welcher Klasse sie gehören und wie sie das finanzielle Interesse dieser Klasse durchsetzen können, nun auch direkt am Regierungshebel statt indirekt durch Lobbyismus.

Der Widerstand der Arbeiter wird durch die Hetze gegen Ausländer und Arbeitslose sabotiert, die längst nicht nur die AfD, sondern das gesamte bürgerliche Spektrum von den Grünen bis zur CDU betreibt. Statt auf die Milliarden für die Bundeswehr und die Steuergeschenke für die Reichen zu achten, streiten sich die Armen bis aufs Blut um die Krümel, die vom Tisch gefallen sind, und treten sich gegenseitig nach unten.

Morgen ist mit dem 1. Mai ein guter Tag, um sich gegen diese Spaltungen zu wenden und für die wichtigen Themen auf die Straße zu gehen. Ich empfehle allen Lohnabhängigen, an der örtlichen Maidemonstration teilzunehmen und einen Eindruck von der zahlenmäßigen Überlegenheit der Arbeiterklasse zu gewinnen. Sobald die Arbeiter sich nicht mehr gegeneinander aufhetzen lassen, sondern ihren wahren Gegner erkennen, wird es eine leichte Übung sein, nicht nur der Massenarmut und der Aufrüstung, sondern dem gesamten Kapitalismus ein Ende zu setzen.

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Einige der übrigen Antworten verstehen Ausbeutung nur als besonders schlechte Arbeitsbedingungen und behaupten deshalb, in Deutschland würde es keine Ausbeutung geben. Abgesehen davon, dass auch in Deutschland in einigen Sektoren unter unwürdigen Bedingungen gearbeitet werden muss, findet Ausbeutung überall statt, wo sich fremde Arbeitskraft angeeignet wird. In Deutschland passiert das in der Regel in einem Lohnverhältnis.

In dieser Gesellschaft gibt es zwei große Gruppen von Menschen, wir nennen sie Klassen. Die größere der beiden Klassen, die Arbeiterklasse, besitzt nichts von Wert außer der eigenen Arbeitskraft und muss diese verkaufen. Die kleinere der beiden Klassen, die du die Reichen nennst, besitzen Geld und Produktionsmittel und können die Arbeiter für sich arbeiten lassen.

Wenn ein Arbeiter in einem Achtstundentag Waren oder Dienstleistungen im Wert von 200€ herstellt und 80€ Lohn erhält, gibt es eine Differenz von 120€. Diese Differenz, der Mehrwert, eignet sich der reiche Unternehmer an, um sie als Dividende oder zur Kapitalakkumulation zu verwenden. In dieser Abschöpfung des Mehrwerts besteht die Ausbeutung. Und diese Ausbeutung findet immer statt, egal wie nett der Chef ist, denn wenn er dem Arbeiter den tatsächlichen Wert seiner Arbeit auszahlen würde, bliebe für ihn selbst nichts, woher auch?

In diesem Rechenbeispiel erhält der Arbeiter nur 40% des Wertes seiner Arbeit, arbeitet also effektiv 60% der Zeit unbezahlt allein für den Reichtum seines Chefs. Dabei gibt es keine Unterscheidung zwischen bezahlten und unbezahlten Arbeitsstunden, und die Ausbeutung wird zu einem gewissen Grad verschleiert. Wenn ein mittelalterlicher Bauer Frondienste für seinen Herrn leisten musste und statt seinem eigenen Feld das seines Herrn beackerte, war die Ausbeutung viel sichtbarer, aber das Prinzip der Aneignung bleibt das gleiche - Bauer wie Arbeiter sind ausgebeutete, Feudalherr wie Unternehmer ausbeutende Klassen.

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Mir scheint, du liegst hier einigen leider weit verbreiteten Missverständnissen auf.

Auf mich wirkt das wie Determinismus, da sie ja sagen, dass durch den Gegensatz von Mann und Frau und der Akkumulation von Eigentum vorherbestimmt ist, dass überall, wo dieser auftritt (also über all auf der Erde) es zwangsläufig zu Klassenkampf kommen wird und durch die weitere Steigerung der Produktionsweise und so die Stufen der Gesellschaft universell sind und überall anwendbar.

Der Marxismus ist nicht deterministisch. Er beschreibt die Geschichte nicht als automatisch, sondern als das Ergebnis der objektiven materiellen Bedingungen und des menschlichen Handelns. Das menschliche Handeln ist dabei nicht komplett frei, sondern bewegt sich in einem gewissen Rahmen, der durch die objektiven Bedingungen gesteckt wird. Der Marxismus will dabei durch die Analyse dieser Bedingungen Möglichkeiten und Grenzen des Handelns ausloten, um einen erfolgreichen Kampf im Interesse der Arbeiterklasse zu führen.

Der Kommunismus ist im Marxismus nicht das zwangsläufige Ziel der Geschichte, sondern eine Antwort auf die Widersprüche des Kapitalismus und jeder Klassengesellschaft. Die Vorstellung, dass sich die Geschichte automatisch auf den Sozialismus zubewegt, wurde von der Sozialdemokratie um die Jahrhundertwende geprägt, die damit ihre rein reformistische Politik rechtfertigen wollte.

Daraus folgt auch, dass die Geschichte nicht überall auf der Welt gleich abläuft. Marx hat die konkrete Entwicklung und Geschichte Westeuropas und insbesondere Englands eingehend untersucht und versucht, davon allgemeine Prinzipien abzuleiten, die die Geschichte bestimmen. Das bedeutet nicht, dass auf anderen Kontinenten die gleiche Abfolge von Sklaverei, Feudalismus und Kapitalismus wie in Europa erfolgen muss. Im Gegenteil waren es gerade Marxisten der späteren Generationen, wie Lenin, Mao, Cabral etc., die darum bemüht waren, die Besonderheiten des globalen Südens zu verstehen, der durch Kolonialismus und Imperialismus zwangsweise und unter ganz anderen Bedingungen als Europa in den globalen Kapitalismus integriert wurde.

Aber diese Suche nach einer objektiven Wahrheit scheint mir irgendwie seltsam, fast schon religiös. Was ist denn das Maß dieser objektiven Wahrheit, wenn 8 Milliarden Subjekte sie alle anders wahrnehmen. Dafür braucht es doch ein höheres Wesen, oder irgendwas das diese Objektivität definiert. Aber das verneinen Marxisten ja auch, sie sind schließlich evolutionär. Aber die Evolution hat doch kein Ziel, macht was sie will, wie es passt. Ist nicht vorbestimmt.

Mit Objektivität sind im Marxismus Dinge gemeint, die unabhängig vom menschlichen Denken real existieren. Menschen mögen unterschiedliche Moral- und Wertvorstellungen haben, aber sie teilen sich eine objektive Realität, z.B. indem sie in das System der Lohnarbeit eingebunden sind. Der Marxismus will diese objektive Realität zur Grundlage seiner Analyse nehmen und sich nicht auf Sichtweisen oder Moralvorstellungen beschränken, weil diese eben subjektiv sind.

Die anderen Sozialisten, die zur Zeit von Marx lebten, begründeten ihre Überzeugung beispielsweise gerne mit einer christlichen Moral - die natürlich nur für diejenigen überhaupt etwas gilt, die einen christlichen Hintergrund haben. So etwas lehnte Marx ausdrücklich ab und wollte die Notwendigkeit des Sozialismus auf eine Weise begründen, die unabhängig von solchen subjektiven Moralvorstellungen und Werturteilen ist. Die objektiven Widersprüche des Kapitalismus und das grundlegende Klasseninteresse des Proletariats - die Aufhebung der Ausbeutung - gelten überall auf der Welt und sind darum die Basis für die marxistische Argumentation.

Zu denken, dass die ganze Welt mit einer Methode erklärt werden kann und dass alles auf den Kommunismus hinausläuft, scheint mir waghalsig und fast wie eine religiöse Erlösung.

Der Marxismus ist eben auch kein Dogma, sondern hat einen wissenschaftlichen Anspruch, und wie jede Wissenschaft ist er kein abgeschlossenes System, sondern gibt uns bestimmte Werkzeuge für die Analyse der Welt an die Hand. Auch die gesamte Naturwissenschaft basiert nur auf einer Handvoll Prinzipien der Erkenntnisgewinnung, und damit lässt sich die gesamte Bandbreite der Naturphänomene vom Atomkern bis zur Biodiversität im Dschungel erforschen. Analog umfasst der Marxismus einige Prinzipien und Methoden, mit denen sich die konkreten Erscheinungen der menschlichen Gesellschaft in aller ihren Facetten und ihrer Diversität erforschen lassen.

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Tatsächlich geht die oft genannte Zahl von angeblichen 100 Millionen Opfern des Kommunismus auf genau eine Quelle zurück - den Sammelband Das Schwarzbuch des Kommunismus, herausgegeben 1997 von Stéphane Courtois.

Das Schwarzbuch hat sich als nützlich für all diejenigen bewiesen, die bemüht sind, die herrschende Ordnung zu verteidigen und jeden Gedanken daran, ob eine bessere Welt möglich wäre, im Keim zu ersticken. Entsprechend wurde seine Verbreitung massiv von rechtsextremen Organisationen und bürgerlichen Regierungen gefördert. Wissenschaftlicher Gehalt steht dabei kaum dahinter, und die zentralen Aussagen des Buches werden nicht nur von drei (!) der Koautoren abgelehnt, sondern auch von der überwältigen Mehrheit der wissenschaftlichen Gemeinde.

Das Schwarzbuch basiert auf der falschen Prämisse, Todesfälle einfach aufrechnen zu können, egal welche Ursache sie hatten, und sie den Opferzahlen des Faschismus gegenüberstellen zu können, und daneben ist es voll von faktischen Fehlern, Ungenauigkeiten, bequemen Auslassungen, aufgeblähten Schätzungen und unbelegten Behauptungen.

Mehr als die Hälfte der angeblichen 100 Millionen Toten kommt allein durch die Hungersnot in der Sowjetunion 1930-33 und in China 1958-61 zustande. Der Hintergrund dieser Hungersnöte wird ausgeblendet. Sowohl in Russland als auch in China stand die Regierung vor der Herausforderung, den Sozialismus in einem unterentwickelten Agrarstaat aufzubauen.

Beide Hungersnöte fanden in Folge von Modernisierungs- und Kollektivierungskampagnen statt, die gerade die Produktivität der Landwirtschaft erhöhen, ländliche Arbeitskräfte für die städtische Industrie freimachen und die Ernährungsunsicherheit beseitigen sollten, die jede vorindustrielle Gesellschaft plagt. Offensichtlich kam es dabei zu Fehleinschätzungen und kurzzeitigen Produktivitätseinbrüchen, aber das ist etwas völlig anderes als die beabsichtigte Ermordung von Menschen. Das langfristige Ziel der Kampagnen wurde übrigens erreicht, und seitdem gab es weder in China noch in der Sowjetunion größere Hungersnöte (mit Ausnahme in den 40er Jahren in der Sowjetunion, die aber direkt durch den Zweiten Weltkrieg verursacht wurde).

Die tatsächlichen Opferzahlen sind tatsächlich völlig unklar und die Schätzungen gehen um mehrere Größenordnungen auseinander - das Schwarzbuch pickt natürlich die höchsten Schätzungen heraus, und auch diese basieren lediglich auf Schätzungen der Übersterblichkeit und sind deshalb irreführend. Mit der gleichen Methode lässt sich auch argumentieren, dass die Privatisierung der Wirtschaft in Russland in den 90er Jahren 3 Millionen Tote bewirkt hat:

Russian mortality trends for 1991-2001: analysis by cause and region - PMC

Auch Tote in Folge eines Bürgerkriegs, einer inneren Konterrevolution oder einer äußeren Intervention können nicht dem Kommunismus an sich angelastet werden. Kommunisten wären die letzten, die sich beschweren würden, wenn die bürgerliche Klasse sich ihrem Schicksal fügt und ihre Macht gewaltlos abtritt, nur war das nie der Fall.

Wo auch immer die arbeitende Bevölkerung in unblutigen oder eben auch blutigen Revolutionen ihre Unterdrücker gestürzt hat, waren konterrevolutionäre Kräfte oder ausländische Mächte zur Stelle, um die Revolution in Blut zu ertränken. Diese äußeren Faktoren beachtet das Schwarzbuch nicht. Zwei Beispiele dafür sind die Kapitel für Vietnam und Nicaragua: Für Vietnam werden Opfer der Kommunisten genannt, die in Curtois' Einleitung dann ohne Quellengabe mit einer Million beziffert werden - weder in der Einleitung noch im Kapitel werden erwähnt, dass die US-Invasion bis zu drei Millionen Opfer forderte. Für Nicaragua wird eine Opferzahl der sandinistischen Revolution genannt, aber verschwiegen, dass die allermeisten dieser Opfer von den rechten Contra-Rebellen getötet wurde, die von den USA finanziert wurden, und nicht von den Sandinistas.

Was bleibt, sind Opfer tatsächlicher staatlicher Repressionen. Der Umfang, die Rechtfertigung und die Ursachen dieser Repressionen bedürfen einer kritischer Aufarbeitung auch aus kommunistischer Sicht. Das Schwarzbuch leistet dazu jedoch keinen objektiven Beitrag, sondern nur Desinformation und Hetze.

Erst einmal muss getrennt werden zwischen unbeabsichtigten Opfern von Misswirtschaft und Opfern gezielter Gewalt. Und dann muss man auch die schwache Ausgangssituation der sozialistischen Staaten beachten und die Bedeutung äußerer Bedrohung, und dann wird klar, dass die Fehler und Repressionen, die zweifellos statt gefunden haben, keine direkte Folge des kommunistischen Programms sind, sondern der spezifischen historischen Bedingungen. Eine sozialistische Revolution in der heutigen hochindustriellen Welt würde unter ganz anderen Bedingungen ablaufen.

Noch Jahrzehnte nach der großen französischen Revolution ab 1789 haben die adeligen und bürgerlichen Eliten lauthals den Terror der Jakobiner angeklagt und verurteilt und vor seiner Wiederholung gewarnt. Das politische Programm der Jakobiner, nämlich das allgemeine und gleiche Wahlrecht, ist nun seit rund hundert Jahren in den meisten Ländern der Welt verwirklicht, und sind wir nun einem ständigen jakobinischen Terror ausgeliefert?

Systemimmanent ist die Gewalt hingegen im Kapitalismus, denn er beruht auf Ausbeutung und Unterdrückung. Auflisten könnte man hier die Massenverarmung und ungleiche Versorgung, Repressionen des bürgerlichen Staates, den Kolonialismus mit seinen Massenmorden und menschengemachten Hungersnöten, zwei Weltkriege, antikommunistische Interventionen und Massenmorde in dutzenden Ländern in Afrika, Asien und Südamerika, und den Faschismus, der die Widersprüche des Kapitalismus auf Minderheiten externalisiert und damit ihre Auslöschung anstrebt.

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Grundsicherung mit verschärften Sanktionen für Arbeitssuchende statt Bürgergeld?

Das Bürgergeld wurde seit seiner Einführung im Jahr 2023 immer wieder kontrovers diskutiert. Die vermutlich künftige Regierung aus Union und SPD plant laut Koalitionsvertrag eine umfassende Reform des Bürgergelds. „Wir werden Vermittlungshürden beseitigen, Mitwirkungspflichten und Sanktionen im Sinne des Prinzips Fördern und Fordern verschärfen“, heißt es darin. Das bisherige System soll zu einer „Grundsicherung für Arbeitssuchende“ umgestaltet werden. Ziel ist es, die Rechte und Pflichten für beide Seiten verbindlicher zu regeln.

Konkret geplant sind verschärfte Sanktionen und Kontrollen, sodass Leistungskürzungen schneller greifen können. Wer als arbeitsfähige Person zumutbare Arbeit wiederholt ablehnt, muss als sogenannter „Arbeitsverweigerer“ mit einem vollständigen Leistungsentzug rechnen. Künftig müssen sich die Leistungsbeziehenden ferner aktiver um Arbeit bemühen. Dafür soll eine monatliche Meldepflicht beim Jobcenter eingeführt werden. Insofern soll auch die Definition zumutbarer Arbeit verschärft werden, Personen müssen etwa längere Pendelzeiten akzeptieren. Die Möglichkeit, Ersparnisse zu behalten, soll zudem zeitlich stärker begrenzt werden.

Die Bürgergeld-Reform steht in der Kritik. Die monatliche Meldepflicht und die strengeren Zumutbarkeitsregeln werden als bürokratisch und potenziell stigmatisierend kritisiert. Sozialverbände und Gewerkschaften warnen vor einer sozialen Härte, da die verschärften Sanktionen und der mögliche vollständige Leistungsentzug existenzbedrohend sein könnten. Sie verweisen auf das Bundesverfassungsgericht, das eine vollständige Leistungsstreichung nur in absoluten Ausnahmefällen für zulässig hält. Die Jusos und weitere Teile der SPD lehnen die Rückabwicklungspläne zum Bürgergeld ab. Sie kritisieren, dass die Reform eine Abkehr von sozialdemokratischen Grundwerten darstellt und die soziale Absicherung für Bedürftige gefährde.

Quelle

Bürgergeld vor dem Aus. Kommende Regierungskoalition plant Verschärfung bei Sanktionen.

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Sehr negativ

Die neue Koalition gibt sich wirklich alle Mühe, den Ärmsten das Leben noch schwerer zu machen. Der mehrfache Millionär Merz wird natürlich nie in die unangenehme Lage kommen, selbst auf Bürgergeld oder Grundsicherung angewiesen zu sein, und in der Spitzenpolitik ist er da keine Ausnahmeerscheinung - nach dem Ende ihrer Karriere können Politiker ganz leicht in Konzernspitzen wechseln und umgekehrt.

Wer selbst lohnabhängig ist und diese Politik unterstützt, hat sich ganz schön verarschen lassen, und das aus mehreren Gründen.

Erst einmal lenkt die ganze Debatte um angeblich faule Bürgergeldempfänger von den tatsächlichen Dimensionen der Geldbeträge und von den eigentlichen Problemen dieser Gesellschaft ab.

In Deutschland leben 5,5 Millionen Menschen von Bürgergeld. Von diesen können fast 3 Millionen Menschen gar nicht arbeiten, etwa weil sie minderjährig oder krank sind oder weil sie Angehörige pflegen müssen - unbezahlt natürlich. Eine weitere Million arbeitet bereits, aber kann von ihrem Hungerlohn nicht über die Runden kommen - wo bleibt da der Aufschrei? Nur der Rest von 1,5 Millionen Menschen kann überhaupt an den Arbeitsmarkt vermittelt werden, und die meisten suchen bereits aktiv nach einer Arbeit und müssen nicht dazu gezwungen werden. Zwei Drittel dieser Gruppe besitzen jedoch keine Berufsausbildung und kommen damit für die meisten Jobs nicht infrage.

Jetzt sollen aber gerade die Mittel für die Weiterbildung dieser Arbeitslosen beschnitten werden, während der Staat Unsummen für Rüstung und Krieg ausgibt. Die Schuldenbremse wurde speziell für Rüstungsausgaben ausgesetzt, die Zinsen dieser Schulden werden aus dem laufenden Haushalt gedeckt. Das geht übrigens auch zulasten anderer Bereiche, wie öffentlichem Nahverkehr, Gesundheitsversorgung, Schulen, Universitäten, BAföG, Familienunterstützung, Sozialwohnungen, Frauenhäusern etc. Arbeitslosenunterstützung ist kein isoliertes Thema.

Durch sogenannten Sozialbetrug, also das nicht berechtigte Beziehen von Leistungen, gehen dem Staatshaushalt pro Jahr etwa 270 Millionen Euro verloren, was ständig skandalisiert wrid. Im Vergleich: Allein durch Steuerhinterziehung vor allem der Reichen und Superreichen gehen dem Staatshaushalt 100 Milliarden Euro jährlich verloren, also die 370-fache Summe! Trotzdem wird das medial kaum aufgearbeitet, weil es sich leichter nach unten treten lässt als die Mächtigen dieser Gesellschaft anzutasten. Gemeinsam mit der Aussetzung der Schuldenbremse für Rüstung wurde übrigens ein Sondervermögen von 900 Milliarden Euro für die Bundeswehr, also für Krieg und organisierten Massenmord, gestattet, ausgeschrieben auch 900.000.000.000€. Wir alle zahlen dafür die Rechnung.

Zweitens schwächen die geplanten Reformen die ohnehin schon schlechte Position der Arbeitslosen gegenüber den Ämtern. Die Leute können immer leichter in schlecht bezahlte Jobs mit langen Pendelwegen und miserablen Arbeitsbedingungen gepresst werden. Um eine nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt geht es hier nicht, denn lange hält man es in solchen Jobs nicht aus und wird dann wieder arbeitslos. Und arbeitslos kann übrigens jeder schneller werden, als man denkt, gerade mit der sich abzeichnenden globalen Rezession. Wer heute noch auf Bürgergeldempfänger schimpft, wird morgen womöglich selbst hautnah erleben, wie sich die Schikanen vom Amt anfühlen.

Drittens: Wem nützt die Reform überhaupt? Nicht den Arbeitslosen, nicht dem Staatshaushalt, sondern den Unternehmen, die von den Ämtern einen stetigen Strom von nahezu rechtslosen Arbeitslosen geschickt bekommen, die die schlimmsten Knebelverträge nicht mehr ablehnen dürfen. Wie wird sich das auf das Lohnniveau der Festangestellten in diesen Branchen auswirken? Natürlich wird es ihre Verhandlungsposition schwächen, wenn das Unternehmen noch leichter auf Arbeitslose als Niedriglöhner zurückgreifen kann. Auch den bereits Beschäftigten drohen also konkrete Nachteile durch die Reformen.

Die Widersprüche in dieser Gesellschaft sind so offen wie schon seit langem nicht mehr. Die Regierung nützt nur den Reichen, während der Rest von uns mit Kürzungen in jedem sozialen Bereich und Aufweichungen des Arbeitsrechts zurechtkommen muss und vielleicht bald im Krieg ausbluten darf, damit das deutsche Kapital seine Einflusssphäre gegenüber dem russischen Kapital behaupten kann. Der Hass auf Arbeitslose, Ausländer und die LGBT-Community lenkt von diesen Widersprüchen ab, und leider lassen sich noch zu viele davon blenden.

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Erstmal ist es super, dass du dich mit Marx beschäftigen willst! Er bleibt der wichtigste Philosoph der Moderne und ist immer noch die brandaktuelle Grundlage für eine treffende Gesellschaftsanalyse und Kapitalismuskritik.

Seine Werke hat Marx in einem Zeitraum von mehreren Jahrzehnten geschrieben und viele seiner Ideen haben sich dabei entwickelt und verfeinert, viele Schriften beziehen sich außerdem auf zeitgeschichtliche Ereignisse und Personen. Daher ist es meines Erachtens wichtig, den Kontext der einzelnen Werke einordnen zu können, bevor man sich unvorbereitet darauf stürzt.

Die anderen Antworten haben hier das Kommunistische Manifest und das Kapital genannt, das sind auch die beiden bekanntesten Werke, aber sie sind auch sehr unterschiedlich und nicht immer leicht zugänglich.

Das Kommunistische Manifest ist ein knapper Programmtext und eine der frühen Schriften von Marx. Es taugt als Einführung, um sich einen Überblick und ersten Eindruck von Marx' Gedankenwelt zu verschaffen, aber wichtige Aspekte werden nur gestreift oder später von Marx selbst überarbeitet, und Teile des Textes beziehen sich auf die zeitgeschichtliche Literatur und politische Kämpfe und sind daher nicht aktuell. Eine gute Ergänzung zum Manifest sind die Grundsätze des Kommunismus von Friedrich Engels, in der die wichtigsten Begriffe und Thesen in einem Frage-Antwort-Schema erklärt werden.

Das Kapital gilt als Marx' Hauptwerk und enthält die geschichtliche Herleitung, Analyse und Kritik des Kapitalismus. Allerdings kann der trockene Stil und Umfang der drei Bände auch recht entmutigend sein. Meine Empfehlung wäre es, erstmal mit einer Zusammenfassung zu beginnen, z.B. "Das Kapital" kompakt von Georg Fülberth (Fülberth, Georg: »Das Kapital« kompakt - PapyRossa Verlag | Shop). Alternativ kann man sich dem Kapital auch über frühere Texte von Marx nähern, in denen er seine Grundthesen leichter verständlich, aber eben auch weniger tiefgehend darstellt, z.B. in Lohn, Preis und Profit, das ursprünglich ein Vortrag vor Arbeitern war.

Marx hat eben auch eine ganze Philosophie ausgearbeitet, den historischen Materialismus, und dieser liefert die Methoden, mit denen er seine Kapitalismuskritik erarbeitet hat. Diese Philosophie hat er vor allem in Auseinandersetzung mit seinen Zeitgenossen in Werken wie Die Deutsche Ideologie, Die heilige Familie, Thesen über Feuerbach und Das Elend der Philosophie erarbeitet. Wenn man, wie die meisten Leute heutzutage, die Personen nicht kennt, über die sich Marx hier auslässt, ist die Lektüre recht müßig. Stattdessen kann man als ideales Einstiegswerk Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft von Friedrich Engels lesen oder insbesondere das Vorwort von Zur Kritik der politischen Ökonomie von Marx.

Wie man den historischen Materialismus dann auf konkrete geschichtliche Ereignisse anwendet und daraus politische Forderungen und Möglichkeiten ableitet, hat Marx dann in seinem Achtzehnten Brumaire des Louis Napoleon gezeigt, wo er den Aufstieg von Napoleon III. in Frankreich untersucht. Ein weiterer wichtiger Beitrag zu zeitgenössischen politischen Ereignissen ist noch Der Bürgerkrieg in Frankreich, in dem er die Pariser Kommune von 1871 betrachtet, den ersten Versuch einer proletarischen Machtergreifung. Zuletzt ist noch die Kritik des Gothaer Programms zu nennen. Hier benennt er Fehler im Programm der Sozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, der auch viele erklärte Anhänger, aber eben auch Gegner von Marx angehören. Der Text ist hilfreich, um wirklich zu verstehen, wie sich der Marxismus von anderen Richtungen des Sozialismus abhebt.

Die meisten von mir genannten Texte findest du übrigens hier:

MIA - Deutsch: Karl Marx u. Friedrich Engels

Die Lektüre von Marx sollte dabei kein Selbstzweck sein, sondern die Grundlage für eine politische Praxis, die die Welt verändert. Marx selbst hat nie eine Trennung zwischen Denken und Handeln gezogen. Hast du schon daran gedacht, dich für die Lektüre mit anderen zusammenzusetzen, z.B. in einem Lesekreis oder direkt in einer sozialistischen Gruppe? Gerade beim Einstieg in den Marxismus hilft es enorm, gemeinsam zu lesen, Fragen zu stellen und sich gegenseitig zu unterstützen.

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Kommunismus

Die Widersprüche und katastrophalen Folgen des Kapitalismus sind heute so aktuell wie vor hundert Jahren. Kapitalismus bedeutet Armut, Ausbeutung, Diskriminierung, Kolonialismus und Umweltzerstörung, er führt durch seine eigenen Dynamiken zwangsläufig zu Wirtschaftskrisen und er dringt in jeden Bereich unseres Lebens ein, um ihn zur Ware zu machen. Die imperialiatischen Interessenskonflikte zwischen den kapitalistischen Nationalstaaten führen früher oder später zu offenen Kriegen, in denen die Armen aller Länder sich gegenseitig abschlachten dürfen - alles für grenzenloses Wachstum zugunsten einer kleinen Minderheit.

Die Alternative ist eine bedürfnisorientierte Wirtschaft, die auf demokratischer Planung und Gemeinbesitz beruht. Nicht anderes ist Kommunismus. Für die absolute Mehrheit der Menschheit, die im Kapitalismus ausgebeutet und unterdrückt wird, wäre der Kommunismus natürlich eine bessere Alternative als das derzeitige kapitalistische System. Eine Bedrohung stellt der Kommunismus nur für die kleine Minderheit dar, die vom Kapitalismus profitiert.

Gerade weil diese Klasse der Kapitalisten aber die wirtschaftliche und gesellschaftliche Macht auf sich konzentriert und der Staat in ihrem Interesse handelt, hat sie auch die Möglichkeiten, unter der breiten Bevölkerung Rechtfertigungen für ihre privilegierte und herrschende Stellung zu streuen, ihre Widersacher zu verteufeln und ihre eigenen Verbrechen zu vertuschen, mit anderen Worten Ideologie und Propaganda zu verbreiten.

Mit kapitalistischer Ideologie ist man z.B. in der Schule oder in den Massenmedien ständig konfrontiert und auch viele der übrigen Antworten hier geben solche Vorstellungen wieder, wie z.B. folgende:

  • dass der Kapitalismus Leistung belohnen würde und jeder reich werden könnte, wenn er sich nur genügend anstrengt. Tatsächlich basiert immenser Reichtum nicht auf der eigenen Arbeit, sondern auf der Ausbeutung der Arbeit anderer Menschen. Die Chance, tatsächlich aus bescheidenen Verhältnissen in den Club der Reichen aufzusteigen, ist verschwindend gering (und viel geringer als z.B. die Gefahr der Obdachlosigkeit), trotzdem bringt diese Aussicht viele Leute dazu, sich selbst mit ihren Ausbeutern zu identifizieren und aus diesem Grund z.B. Vermögenssteuern abzulehnen, obwohl sie selbst davon profitieren würden.
  • dass der Kapitalismus schon immer existiert hätte und der menschlichen Natur entsprechen würde - hat er nicht und tut er nicht. Kapitalismus und mit ihm profitorientiertes Wirtschaften und Lohnarbeit sind in Europa erst seit wenigen Jahrhunderten vorherrschend und wurden in anderen Erdteilen noch später eingeführt. Die menschliche Natur ist eben nicht festgelegt, sondern wird von den gesellschaftlichen Bedingungen geformt. Im Kapitalismus werden Eigenschaften wie Gier und Egoismus stärker an die Oberfläche gekehrt und gefördert als Solidarität und Kooperation, zu denen der Mensch ebenfalls fähig ist. Aber soll man von einem Zirkuslöwen darauf schließen, dass es die Natur des Löwen ist, durch brennende Reifen zu springen?
  • dass Kommunismus mit stalinistischer Diktatur gleichzusetzen ist - ist er nicht. Tatsache ist, dass überall dort, wo ein kommunistisches Programm umgesetzt wurde, dies eine Verringerung der Ungleichheit, eine Hebung des Lebensstandards der breiten Bevölkerung und massive Verbesserungen der Gesundheitsversorgung, des Zugangs zu Bildung und der Stellung der Frauen bewirkt hat. Tatsache ist auch, dass kommunistische Revolutionen bisher nur in armen und unterentwickelten Teilen der Erde erfolgreich waren - dem russischen Zarenreich, dem halbfeudalen China und diversen ehemaligen Kolonien in Asien, Afrika und Lateinamerika, und dass diese Revolutionen stets durch wirtschaftliche Blockaden und militärische Gewalt vonseiten der kapitalistischen Großmächte bedroht und in vielen Fällen durch Interventionen niedergeschlagen wurden. Es ist nicht das kommunistische Programm selbst, sondern es sind diese spezifischen Bedingungen, die in der Sowjetunion und anderswo dafür gesorgt haben, dass revolutionäre Regierungen Mangel verwalten mussten statt Überfluss, dass demokratische Strukturen nicht lebensfähig waren und dass Funktionäre von der Art eines Stalin ihre eigene Stellung über die Entwicklung des Sozialismus gestellt haben.
  • dass der Kapitalismus sich bändigen lassen würde, z.B. in Form einer "sozialen Marktwirtschaft". An den grundlegenden Spielregeln und Widersprüchen ändert auch ein Grundmaß von sozialer Absicherung nichts, dadurch kann die Zunahme der Ungleichheit nur verlangsamt werden, aber nicht aufgehalten oder umgekehrt, und auch Krisen und imperialistische Kriege bleiben unvermeidlich. Zudem sollte man sich vor Augen führen, dass alle sozialen Regelungen durch harte Kämpfe dem Kapitalismus abgerungen wurden und in Momenten der Schwäche der Arbeiterbewegung deshalb auch wieder verloren gehen können, wie es in Deutschland im Zuge des Neoliberalismus seit den 80er Jahren der Fall ist. Auch war die Phase des enormen Wirtschaftswachstums nach dem Zweiten Weltkrieg eine historische Ausnahme, die einen ausgenauten Sozialstaat erst ermöglichte, während wir heute auf eine globale Rezession zusteuern.
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Kommunismus

Die Widersprüche und katastrophalen Folgen des Kapitalismus sind heute so aktuell wie vor hundert Jahren. Kapitalismus bedeutet Armut, Ausbeutung, Diskriminierung und Umweltzerstörung, er führt durch seine eigenen Dynamiken zwangsläufig zu Wirtschaftskrisen und er dringt in jeden Bereich unseres Lebens ein, um ihn zur Ware zu machen. Die imperialiatiscjen Interessenskonflikte zwischen den kapitalistischen Nationalstaaten führen früher oder später zu offenen Kriegen, in denen die Armen aller Länder sich gegenseitig abschlachten dürfen - alles für grenzenloses Wachstum zugunsten einer kleinen Minderheit.

Die Alternative ist eine bedürfnisorientierte Wirtschaft, die auf demokratischer Planung und Gemeinbesitz beruht. Nicht anderes ist Kommunismus. Für die absolute Mehrheit der Menschheit, die im Kapitalismus ausgebeutet und unterdrückt wird, wäre der Kommunismus natürlich eine bessere Alternative als das derzeitige kapitalistische System. Eine Bedrohung stellt der Kommunismus nur für die kleine Minderheit dar, die vom Kapitalismus profitiert.

Gerade weil diese Klasse der Kapitalisten aber die wirtschaftliche und gesellschaftliche Macht auf sich konzentriert und der Staat in ihrem Interesse handelt, hat sie auch die Möglichkeiten, unter der breiten Bevölkerung Rechtfertigungen für ihre privilegierte und herrschende Stellung zu streuen, ihre Widersacher zu verteufeln und ihre eigenen Verbrechen zu vertuschen, mit anderen Worten Ideologie und Propaganda zu verbreiten.

Mit kapitalistischer Ideologie ist man z.B. in der Schule oder in den Massenmedien ständig konfrontiert und auch viele der übrigen Antworten hier geben solche Vorstellungen wieder, wie z.B. folgende:

  • dass der Kapitalismus Leistung belohnen würde und jeder reich werden könnte, wenn er sich nur genügend anstrengt. Tatsächlich basiert immenser Reichtum nicht auf der eigenen Arbeit, sondern auf der Ausbeutung der Arbeit anderer Menschen. Die Chance, tatsächlich aus bescheidenen Verhältnissen in den Club der Reichen aufzusteigen, ist verschwindend gering (und viel geringer als z.B. die Gefahr der Obdachlosigkeit), trotzdem bringt diese Aussicht viele Leute dazu, sich selbst mit ihren Ausbeutern zu identifizieren und aus diesem Grund z.B. Vermögenssteuern abzulehnen, obwohl sie selbst davon profitieren würden.
  • dass der Kapitalismus schon immer existiert hätte und der menschlichen Natur entsprechen würde - hat er nicht und tut er nicht. Kapitalismus und mit ihm profitorientiertes Wirtschaften und Lohnarbeit sind in Europa erst seit wenigen Jahrhunderten vorherrschend und wurden in anderen Erdteilen noch später eingeführt. Die menschliche Natur ist eben nicht festgelegt, sondern wird von den gesellschaftlichen Bedingungen geformt. Im Kapitalismus werden Eigenschaften wie Gier und Egoismus stärker an die Oberfläche gekehrt und gefördert als Solidarität und Kooperation, zu denen der Mensch ebenfalls fähig ist. Aber soll man von einem Zirkuslöwen darauf schließen, dass es die Natur des Löwen ist, durch brennende Reifen zu springen?
  • dass Kommunismus mit stalinistischer Diktatur gleichzusetzen ist - ist er nicht. Tatsache ist, dass überall dort, wo ein kommunistisches Programm umgesetzt wurde, dies eine Verringerung der Ungleichheit, eine Hebung des Lebensstandards der breiten Bevölkerung und massive Verbesserungen der Gesundheitsversorgung, des Zugangs zu Bildung und der Stellung der Frauen bewirkt hat. Tatsache ist auch, dass kommunistische Revolutionen bisher nur in armen und unterentwickelten Teilen der Erde erfolgreich waren - dem russischen Zarenreich, dem halbfeudalen China und diversen ehemaligen Kolonien in Asien, Afrika und Lateinamerika, und dass diese Revolutionen stets durch wirtschaftliche Blockaden und militärische Gewalt vonseiten der kapitalistischen Großmächte bedroht und in vielen Fällen durch Interventionen niedergeschlagen wurden. Es ist nicht das kommunistische Programm selbst, sondern es sind diese spezifischen Bedingungen, die in der Sowjetunion und anderswo dafür gesorgt haben, dass revolutionäre Regierungen Mangel verwalten mussten statt Überfluss, dass demokratische Strukturen nicht lebensfähig waren und dass Funktionäre von der Art eines Stalin ihre eigene Stellung über die Entwicklung des Sozialismus gestellt haben.
  • dass der Kapitalismus sich bändigen lassen würde, z.B. in Form einer "sozialen Marktwirtschaft". An den grundlegenden Spielregeln und Widersprüchen ändert auch ein Grundmaß von sozialer Absicherung nichts, dadurch kann die Zunahme der Ungleichheit nur verlangsamt werden, aber nicht aufgehalten oder umgekehrt, und auch Krisen und imperialistische Kriege bleiben unvermeidlich. Zudem sollte man sich vor Augen führen, dass alle sozialen Regelungen durch harte Kämpfe dem Kapitalismus abgerungen wurden und in Momenten der Schwäche der Arbeiterbewegung deshalb auch wieder verloren gehen können, wie es in Deutschland im Zuge des Neoliberalismus seit den 80er Jahren der Fall ist. Auch war die Phase des enormen Wirtschaftswachstums nach dem Zweiten Weltkrieg eine historische Ausnahme, die einen ausgenauten Sozialstaat erst ermöglichte, während wir heute auf eine globale Rezession zusteuern.
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Rechtsextremismus

"Extremismus ist nie gut", wird unter solchen Fragen oft geschrieben.

Extremismus ist dabei ein absolut hohler Begriff, der jeden Inhalt einer Politik ignoriert, und auf einer völlig abstrakten Ebene gegensätzliche Weltanschauungen auf eine Stufe stellt.

Der Extremismusbegriff und die damit verbundene Hufeisen- und Totalitarismustheorien sind vor allem ein politisches Werkzeug, das bevorzugt gegen Linke eingesetzt wird, und keine sachliche Beschreibung.

Grundsätzlich wird unter Extremismus alles verstanden, was weit abseits des "gewöhnlichen" Meinungsspektrums liegt und damit ist schon klar, dass es höchst subjektiv und orts- und zeitabhängig ist, welche Meinung als extremistisch eingestuft wird.

Der Extremismusbegriff dient deshalb vor allem den Mächtigen, die politische Gegner kriminalisieren und gesellschaftliche Umwälzungen verhindern wollen. In einem autoritär regierten Land wie Russland werden z.B. auch liberaldemokratische Oppositionelle und seit neuestem auch LGBT-Gruppen als extremistisch bezeichnet, und in der Vergangenheit wurden im Westen auf diese Weise Gruppen gebrandmarkt, die z.B. gegen Kolonialherrschaft oder Rassentrennung gekämpft haben.

In Deutschland wird unter alles als Extremismus gefasst, was sich in irgendeiner Weise gegen das Grundgesetz richtet. Aus welchen Motiven das geschieht, findet keine weitere Beachtung; linke Ideologien, die fehlende Gleichheit und Mitbestimmung im Parlamentarismus anprangern und die kapitalistische Ausbeutung beenden wollen, werden effektiv gleichgesetzt mit rechten Ideologien, die Menschen unterschiedlichen Wert zuordnen bis zu dem Punkt, dass bestimmte Menschengruppen vertrieben und vernichtet werden sollen.

Liberale Ideologien, wie sie derzeit in Deutschland und der westlichen Welt vorherrschen, befürworten ebenso wie die Rechte Ungleichheit und Hierarchien, mit dem geringfügigen Unterschied, dass sie sie durch angebliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit rechtfertigen statt über biologische oder kulturelle Merkmale.

Liberale standen historisch und stehen immer noch der extremen Rechten viel offener gegenüber als der Linken, denn erstere hinterfragt nicht die kapitalistischen Machtverhältnisse, und deshalb unterstützten und befürworteten Liberale vielerorts grausame Diktaturen, wenn sie die Machtergreifung von linken Kräften verhinderten. Während des Nationalsozialismus beispielsweise fügten sich ehemals liberale und konservative Politiker größtenteils leicht in die faschistische Diktatur ein und in der BRD wurden FDP und Union die neue politische Heimat zahlreicher Altnazis. Auch die Rassenpolitik der Nazis knüpfte explizit an den Umgang der liberal-kapitalistischen Demokratien mit den Kolonialvölkern und an die Rassentrennung in den liberal-kapitalistischen USA an.

Auch ist Gewalt kein Alleinstellungsmerkmal von angeblich extremistischen Bewegungen, denn auch ein liberaler Staat und seine Eliten sind für ihren Machterhalt auf Gewaltanwendung angewiesen, sowohl physisch (Polizei und Militär) als auch wirtschaftlich (Ausbeutung und Sanktionen).

All diese Verbindungen zwischen liberalen und rechten Ideologien werden durch den Extremismusbegriff und die Hufeisentheorie völlig verschleiert; die hauptsächliche Funktion dieses Begriffes ist und bleibt die Delegitimierung von linken Ideen und Absicherung der bestehenden kapitalistischen Verhältnisse.

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Die neue Koalition hat bereits mit den Mehrheitsverhältnissen des abgewählten alten Bundestags das größte Militarisierungs- und Kriegsvorbereitungsprogramm seit dem Ende des Dritten Reichs beschlossen, auf Kosten des ÖPNV, der Gesundheitsversorgung, Bildung, Arbeitslosenversorgung und -weiterbildung, sozialer Projekte etc.

Jetzt hat sie sich ein Programm der Steuergeschenke für die Reichen und Superreichen und der Massenverelendung für den Rest gesetzt. Und das Stimmvieh nimmt es hin, weil es die Koalition auch garantiert, dass es zumindest dem ausländischen Nachbarn noch elender gehen wird als einem selbst.

Der Achtstundentag, den die Koalition aufweichen will, ist übrigens eine Arbeitsschutzregelung, die vor über hundert Jahren, 1918, eingeführt wurde, nachdem die kriegsmüde und hungernde Arbeiterklasse die alte Ordnung gestürzt und den deutschen Kaiser in der Novemberrevolution zum Teufel gejagt hat. An diese historische Erfahrung sollte man heute auch wieder anknüpfen.

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Die verbreiteten Vorstellungen über die Sowjetunion sind vom fanatischen Antikommunismus des Kalten Kriegs geprägt und daher extrem einseitig.

Die Oktoberrevolution war als erste sozialistische Revolution ein historischer Meilenstein, stellte die alte Elitenherrschaft auf den Kopf und brachte nie zuvor gesehene soziale Errungenschaften mit sich.

Die Revolution kann nur vor dem Hintergrund des Ersten Weltkriegs verstanden werden, in dem Millionen Soldaten sich gegenseitig abschlachteten und verstümmelten, weil die Kapitalisten der verschiedenen europäischen Großmächte sich über die Aufteilung ihrer Einflusssphären stritten. Im Hinterland bewirkte der Krieg einen massiven Mangel und Hunger, und diese Zustände führten zu immer größerer Sympathie für die Sozialisten, die als einzige politische Kraft für ein Kriegsende eintraten.

In Russland wurde die extrem repressive Zarendynastie zwar schon durch die Februarrevolution 1917 abgesetzt, aber das brachte der Masse der Bevölkerung keine echten Vorteile, da die Provisorische Regierung den Krieg fortsetzte und auf keine der Forderungen der Revolution einging.

Erst die Oktoberrevolution führte zum Ausscheiden Russlands aus dem Krieg und brachte eine ganze Reihe von Errungenschaften und Versuchen einer gerechten Gesellschaftsordnung mit sich. Die Bolschewiki veröffentlichten die Geheimabkommen der Entente über ihre Annexionsziele. Die Diskriminierung der nationalen Minderheiten, die etwa die Hälfte der Bevölkerung ausmachten, wurde aufgehoben, und ihnen wurde der Zugang zu öffentlichen Ämtern und die eigenständige Verwaltung und das Reden und Schreiben in ihren jeweiligen Sprachen erlaubt. Adelstitel und die faktisch fortbestehende Leibeigenschaft wurden abgeschafft und der Großgrundbesitz unter den armen Bauern aufgeteilt. Der Arbeitstag in den Fabriken wurde auf acht Stunden reduziert und die Fabriken unter Kontrolle der Arbeiter gestellt. Frauen wurden rechtlich gleichgestellt und ihnen wurde das Scheidungsrecht zugestanden. Mit der Rätedemokratie wurde eine Form der Mitbestimmung etabliert, die weitaus zugänglicher und direkter als jedes bürgerliche Parlament war. Die Bevölkerung wurde alphabetisiert und ihr wurde der Zugang zu ehemals elitären Bibliotheken und Theatern ermöglicht. Der Staat und die Kirche wurden getrennt und der Schulunterricht säkularisiert. Die Menschen erhielten einen Anspruch auf Gesundheitsversorgung, Wohnraum und Arbeitsplätze.

Für die Masse der Bevölkerung waren das in der Tat erhebliche Verbesserungen ihrer Lage.

Dass letztendlich die Ziele der Revolution, eine vollständig klassenlose und egalitäre Gesellschaft zu errichten, nicht verwirklicht werden konnten, lag nicht an Fehlern oder am Egoismus der Revolutionäre, sondern an der objektiven Lage.

Die Oktoberrevolution war nie als auf Russland begrenzt vorgesehen, und ab 1918 breitete sich von Russland eine Welle von sozialistischen Erhebungen bis nach Westeuropa aus. In Deutschland und Österreich-Ungarn bewirkten diese die Abdankung der Monarchen, und vielerorts gab es Versuche, auch dort sozialistische Räteregierungen aufzubauen. Allerdings wurden diese Versuche in Finnland, dem Baltikum, Ungarn, Deutschland und Norditalien von der Konterrevolution im Blut erstickt. Lediglich Zugeständnisse wie der Achtstundentag und das Frauenwahlrecht konnten sich auf breiter Front durchsetzen.

Russland blieb damit das einzige sozialistische Land, und das unter denkbar schlechten Voraussetzungen, denn es war im Vergleich zu den übrigen europäischen Ländern das am technisch rückständigsten und am stärksten agrarisch geprägt. Durch die Verwüstungen des Weltkrieges konnte die Versorgung der Bevölkerung aus eigener Kraft nicht sichergestellt werden, und es kam zu Konflikten zwischen den Arbeitern in den Städten und den Bauern auf dem Land um die Verteilung von Getreide.

Dazu kam die Konterrevolution der Weißen Armee, die ein Gemenge aus monarchistischen, liberalen, ultranationalistischen und antisemitischen Ideen vertrat und durch die Intervention nicht weniger als 13 ausländischer Mächte unterstützt wurde. Der Bürgerkrieg mit den Weißen, die reihenweise Massaker an tatsächlichen und vermeintlichen Unterstützern der Kommunisten sowie an Juden begingen, verwüstete das Land weiter, und fand erst 1923 ein Ende.

Unter diesen Bedingungen sah sich die sowjetische Führung gezwungen, die Führung zu zentralisieren, mit der Neuen Ökonomischen Politik (NÖP) einige Zugeständnisse an die privatwirtschaftliche Akkumulation zu machen und einige der sozialen Errungenschaften zurückzunehmen.

Mit dem Sieg über die Weiße Armee im Bürgerkrieg war der Ausnahmezustand keineswegs überwunden. In den Fraktionskämpfen innerhalb der sowjetischen Führung kam Stalin an die Macht, der ab 1928 ein Programm der Kollektivierung der Landwirtschaft und der Industrialisierung verfolgte, um die Selbstversorgung der Sowjetunion zu sichern und dem zunehmend feindseligen kapitalistischen Ausland gewachsen zu sein, insbesondere nachdem 1933 in Deutschland die Nazis mit dem erklärten Programm, die Sowjetunion zu vernichten und ihre Völker zu unterwerfen oder auszulöschen, an die Macht kamen.

Die Sowjetunion durchlief in den 30er Jahren diese Industrialisierung unter großen menschlichen Opfern, gelangte dadurch aber in die Position, dem militärisch und industriell viel stärkere Nazideutschland die Stirn zu bieten. Die Sowjetunion hatte im Zweiten Weltkrieg die meisten Opfer zu beklagen und hatte gleichzeitig von allen Alliierten den größten Anteil daran, die Nazis zu schlagen und damit auch den Holocaust in Osteuropa zu beenden.

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg kann man überhaupt von einer Normalisierung in der Sowjetunion sprechen, und nach einigen Jahren befand sie sich dann durch den Kalten Krieg im direkten Wettstreit mit dem gesamten kapitalistischen Block. Die sozialistische Planwirtschaft zeigte gerade hier ihr enormes Potenzial: Die Sowjetunion holte zu den kapitalistischen Nationen auf und entwickelte sich innerhalb von einer Generation von einem rückständigem Agrarland zur ersten Raumfahrernation.

Das undemokratische politische System, ein Erbe der Krisen der 20er und 30er Jahre, bestand in der Sowjetunion wohlgemerkt fort, aber es kam nie wieder zu einer Hungersnot oder Repressionen wie unter Stalin. Und der liberale Westen, der sich selbst für seine Demokratie der Reichen feierte, hatte nichts, was mit den sozialen Rechten in der Sowjetunion, etwa auf Gesundheitsversorgung und Wohnraum, vergleichbar gewesen wäre.

Die Auflösung des Sozialismus und die kapitalistische Restauration in den 90er Jahren wurde den Menschen mit dem Versprechen von mehr politischer Teilhabe und Freiheiten schmackhaft gemacht, bewirkte aber tatsächlich eine massive Versorgungskrise in ganz Osteuropa und die Wiederherstellung extrem ungleicher Eigentumsverhältnisse.

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Meinung des Tages: Lettland „erweitert“ das Repertoire an Unterrichtsfächern. Neu auf dem Lehrplan: Der Umgang mit Waffen. Was haltet Ihr davon?

Vielfältigkeit in der Schule begrüßen vermutlich sowohl die meisten Schüler, als auch Lehrkräfte und Elternteile. In Lettland allerdings ist seit diesem Jahr auch der sogenannte „Verteidigungsunterricht“ verpflichtend als Schulfach der 10. Und 11. Klassen hinzugekommen – das sorgt nicht bei jedem für Begeisterung…

Reaktion auf veränderte Sicherheitslage

Lettland hat diese Änderungen schon im Jahr 2024 beschlossen. Der Grund: Die veränderte Sicherheitslage in Europa. Durch geopolitische Spannungen und die Nähe zu Konfliktgebieten sieht sich das Land in einer Position und Situation, die Präventivmaßnahmen notwendig machen. Das Fach hat sowohl theoretische als auch praktische Komponenten. In der Theorie geht es vor allem um Staatsbürgerkunde und Erste Hilfe, in der Praxis um den kontrollierten Umgang mit Waffen. Mit qualifizierten Ausbildern üben die Schüler im Praxisunterricht, wie sie sicher und verantwortungsbewusst mit Waffen umgehen können.

Für das neu eingeführte Konzept sprechen sich verteidigende Stimmen hingegen aus, indem sie argumentieren, dass eine erhöhte Verteidigungsbereitschaft sich positiv auf die Gesellschaft auswirkt und auch das Sicherheitsbewusstsein stärkt. Denn: Der Unterricht besteht eben nicht nur aus Waffenumgang, sondern die Schüler erlernen auch Notfallmaßnahmen, Orientierung ohne GPS und taktische Vorgehensweisen in Katastrophenmomenten.

Reaktionen von Schülern

Die Tagesschau berichtet über die 17-jährigen Freundinnen Katrina und Romija. Sie absolvieren das neu eingeführte Fach und versuchen, sich alles zu merken. Für sie ist es kein Problem, eine Waffe in die Hand zu nehmen. Wie Katrina sagt, ist die Welt bereits voller Waffen – für sie fühlt sich der Umgang damit also normal an. Romija findet, dass sie für Stunde X, sollte eben mal der Ernstfall eintreten, gerüstet sein sollten.

Lettland geht im Übrigen noch einen Schritt weiter – und zwar mittels sprachlicher Grenzen. Russisch wird an Schulen verbannt, russische Staatsbürger müssen Sprachtests bestehen oder das Land verlassen. Das wird ebenfalls kritisiert, da rund ein Viertel der Bevölkerung zu der russischsprachigen Minderheit gehört und in einigen Städten der Alltag eben auf jener Sprache stattfindet.

Unsere Fragen an Euch:

  • Was haltet Ihr vom neuen Fach in lettischen Schulen und sollte dies auch in anderen Ländern angewendet werden?
  • Was denkt Ihr über die Sprachtests und das Verbot von Russisch an Schulen? (Wie) sollte mit Kindern und Jugendlichen über die Sicherheitslage Europas in Schulen gesprochen werden?

Wir freuen uns auf Eure Antworten!

Viele Grüße

Euer gutefrage Team 

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Es ist doch bezeichnend, dass diese militärische Schulung hier natürlich der "Verteidigung" dient, und als in Russland das gleiche Programm vor zwei Jahren verpflichtend wurde, war es natürlich eine Vorbereitung auf "aggressive Expansion".

Zum Wettrüsten gehören immer zwei Seiten, und die deutschen Medien machen fleißig mit, in dem sie sprachlich kennzeichnen, wer die Guten und wer die Bösen sind.

In Zeiten der sich abzeichnenden globalen Rezession verschärfen sich die Gegensätze zwischen den imperialistischen Blöcken. Der Kampf darum, ob in Zukunft der Westen oder Russland die Ukraine ausbeuten darf, geht gerade mit einer Pattsituation zu Ende, aber in den nächsten Jahren werden weitere imperialistische Kriege ausbrechen, wahrscheinlich wird auch der Ukrainekrieg in eine zweite Runde gehen.

Der Vorbereitung darauf dienen militärische Drills in den Schulen ebenso wie die deutschen Debatten über Wehrpflicht oder das kürzlich bewilligte Aufrüstungsprogramm, das größte seit der Niederlage Nazideutschlands im Zweiten Weltkrieg.

Die Teenager, die gerade die Schulbank drücken, dürfen dann in ein paar Jahren auf den Schlachtfeldern Osteuropas ausbluten, und dabei wird ihnen ihre jeweilige Regierung und ihre Presse vermitteln, dass sie für die richtige Sache sterben - wahlweise Freiheit, Demokratie oder das Vaterland. Tatsächlich geht es natürlich nur um die Profite und Monopole der herrschenden Klasse. Deutschland und der Westen unterscheiden sich hierin in nichts, rein gar nichts, von Russland. Der Feind jedes friedliebenden Menschen ist nicht ein bestimmter, sondern jeder bürgerliche Staat und der Kapitalismus in seinem imperialistischen Stadium.

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Weil der Nationalsozialismus eben bis auf die Namensähnlichkeit nichts mit Sozialismus oder linker Politik zu tun hat.

Sozialisten geht es um die Aufhebung der kapitalistischen Wirtschaftsweise und der Klassengesellschaft. Internationalismus und der Gleichheitsgedanke spielen dabei zentrale Rollen, weshalb Nationalismus und Rassismus als spalterisch abgelehnt werden.

Der Nationalsozialismus ist hingegen eine Ideologie der Ungleichheit. Er propagiert nicht nur die Minderwertigkeit von anderen Nationen und Rassen, sondern auch die wirtschaftlichen und politischen Hierarchien innerhalb der Nation. Die Nazis wollten nicht die Klassen, sondern den Klassenkampf abschaffen, um eine klassenübergreifende "Volksgemeinschaft" zu schaffen, in der die Arbeiter mit ihrer unterlegenen Stellung zufrieden wären und die Position der wirtschaftlichen und politischen Eliten unangetastet bleibt.

Die Nazis und die Faschisten in anderen Ländern zogen ihr Mobilisierungspotential gerade aus der Sorge vor einer erstarkenden sozialistischen Linken und den Abstiegsängsten des Kleinbürgertums, das sich durch die Arbeiterbewegung bedroht sah.

Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschafter waren deshalb die ärgsten ideologischen und politischen Gegner der Nazis und wurden von ihnen massenhaft verhaftet, gefoltert und ermordet, während Liberale und Konservative sich in vielen Fällen mit den Nazis abfanden oder sie sogar aktiv unterstützten und zu ihnen überliefen. Nach Kriegsende waren es CDU/CSU und FDP, die den alten Nazikadern eine neue politische Heimat boten.

Der Antikapitalismus, der bei den Nazis vor allem in den 20er Jahren noch eine Rolle spielte (und spätestens mit der Ermordung von Ernst Röhm endete), war auf Phrasen begrenzt, inkonsequent, widersprüchlich und ging nur so weit, wie er antisemitisch ausgeschlachtet werden konnte. Deutlich wird das an dem Bild des "raffenden" Finanz- und Handelskapitals, das mit dem Judentum assoziiert wurde, und dem "schaffenden" Industriekapital, das mit Deutschtum und Tugendhaftigkeit verbunden wurde.

Die Nazis mobilisierten also lediglich gegen die abstrakten Seiten des Kapitalismus, lobten aber hingegen den sozialdarwinistischen Konkurrenzkampf auf dem freien Markt. Tatsächlich sind das nur zwei Seiten des gleichen Systems. Das Finanzwesen war auch keinesfalls nur jüdisch besetzt, und tatsächlich gehörten die meisten jüdischen Deutschen der Arbeiterklasse an.

In der rassistischen Ideologie der Nazis wurde einfach alles, was dem Ideal der Volksgemeinschaft entgegenstand, als jüdisch oder von Juden beeinflusst begriffen. Wenn einem deutschen Arbeiter seine Klassenzugehörigkeit wichtiger war als die Nationalität, dann wurde das als Folge einer jüdischen Unterwanderung interpretiert. Die absurde Konsequenz ist, dass völlig gegensätzliche Erscheinungen als "jüdisch" erklärt wurden, wie das unproduktive Finanzkapital, der internationalistische Kommunismus und der Kosmopolitismus des Bildungsbürgertums.

Im Zuge dieser oberflächlich antikapitalistischen Mobilisierung wurden auch zahlreiche aus dem Marxismus stammende Begriffe völlig umgedeutet, eben auch der "Sozialismus", der zur Volksgemeinschaft verdreht wurde. Bei denjenigen Arbeitern, die bereits sozialdemokratisch oder kommunistisch organisiert waren, verfing diese Strategie kaum, unter den Arbeitslosen fanden die Nazis mit dieser Strategie aber eine gewisse Basis.

Nach der Machtübergabe an die Nazis zeigte sich, dass sie weder den Arbeitern noch den Kleinbürgern tatsächliche Vorteile boten, tatsächlich schlossen sie Bündnisse mit dem Großbürgertum, das nun viel hilfreicher für die Ausrichtung der gesamten Industrie auf rassistischen Vernichtungskrieg war. In der Folge wurden Monopole gefördert, Löhne auf niedrigen Niveau eingefroren, Streiks illegalisiert, die Gewerkschaften und Arbeiterparteien zerschlagen, Banken, Reichsbahn und Metallindustrie privatisiert und Sozialleistungen gestrichen bzw. an halb-private Organisationen abgegeben und an rassische Voraussetzungen gebunden.

Auch die Führung der kleinbürgerlichen und proletarischen Nazi-Schlägertruppen, darunter Ernst Röhm und Gregor Strasser, wurde kaltgestellt, weil sie in dieser Phase der Naziherrschaft nicht mehr benötigt wurden. Den großen Kapitalisten ermöglichten die Nazis hingegen riesige Profite durch die Beschlagnahmung jüdischen Vermögens, die Plünderung der besetzten Gebiete und den Einsatz von Zwangs- und Sklavenarbeit.

Der Rassenwahn der Nazis stand aber immer an erster Stelle und machte in manchen Fällen Interventionen in die Privatwirtschaft notwendig. So wurden bestimmte Industrien zwangsweise auf die Herstellung von Rüstungsgütern ausgerichtet. Auch der Holocaust bedeutete punktuell Konflikte zwischen der Naziführung und Unternehmern, denn diese hätten mehr davon profitiert, die Arbeitskraft von ethnischen und politischen Gefangenen auszubeuten, statt sie im großen Stil zu vernichten - auch wenn die Kosten und Einträge der Konzentrationslager genau kalkuliert wurden.

Die Lenkung der Wirtschaft während des Krieges war auch kein Alleinstellungsmerkmal der faschistischen Diktatur, sondern wurde in ähnlicher Weise auch in den liberal-kapitalistischen Ländern, wie etwa England und Frankreich, praktiziert - hier wie dort aus reiner Notwendigkeit. Weder äußerten die Anführer der Nazis die Absicht, die planwirtschaftlichen Elemente nach dem Krieg beizubehalten, noch waren die deutschen Unternehmer zu irgendeinem Zeitpunkt über diese Möglichkeit besorgt. Das allein spricht Bände, da Unternehmer für gewöhnlich gegen jede Einschränkung ihrer Profitaussichten Sturm laufen.

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Kann es sein, dass du einfach nicht weißt, was Kommunismus bedeutet?

Kommunismus bedeutet die Aufhebung des Privateigentums, der gesellschaftlichen Klassen und des staatlichen Unterdrückungsapparates sowie die Einführung einer bedürfnisorientierten Planwirtschaft.

Das Deutsche Kaiserreich war hingegen auf Grundlage des Kapitalismus organisiert, also der profitorientierten Warenproduktion und der ausbeuterischen Trennung einer kleinen Schicht von Besitzenden und einer Mehrheit von besitzlosen Arbeitenden. Die Kapitalistenklasse teilte sich dabei die politische Macht mit dem altenpreußischen Militäradel.

Die Sozialgesetzgebung, die Ende des 19. Jahrhunderts eingeführt wurde, war gegen Sozialisten und Kommunisten gerichtet - deren politische Tätigkeit war gleichzeitig bis 1890 verboten.

Die offene und blutige Ausbeutung der Arbeiter im Kapitalismus trieb diese nämlich naturgemäß zum Sozialismus, der die Errichtung einer neuen, gerechteren Ordnung zum Ziel hatte. Bismarck hatte das erkannt und versuchte durch Zugeständnisse wie ein Minimum an sozialer Absicherung die Radikalisierung der Arbeiter zu verlangsamen. Zur gleichen Zeit wurden in den meisten kapitalistischen Ländern ähnliche Gesetzgebungen erlassen - immer als Errungenschaft der starken sozialistischen Parteien und Gewerkschaften, aber eben auch als Strategie der Kapitalisten, die revolutionäre Gesinnung der Arbeiter einzudämmen. Es ging also einfach darum, den Arbeitern noch einen (vermeintlichen) Ausweg aus ihrer katastrophalen Lage außer der sozialistischen Revolution zu geben - nämlich die Aussicht auf soziale Reformen.

Immer dann, wo es keine starke organisierte Arbeiterbewegung gab, wurden auch Sozialgesetzgebungen zurückgenommen, etwa in den kolonisierten Ländern, im Faschismus und im Neoliberalismus seit den 80er Jahren.

Und Kaiser Wilhelm II., der war doch auch voll dabei, das Ganze noch weiter zu pushen, bis er sogar ’ne kommunistische Weltrevolution starten wollte, was dann am Ende den Ersten Weltkrieg losgetreten hat.

Das ist wirklich eine wilde Behauptung. Wie kommst du bitte darauf?

Deutschland hatte zu Beginn des 20. Jahrhunderts die industrielle Entwicklung in England und Frankreich eingeholt, und strebte nun danach, sein relativ kleines Kolonialreich auf deren Kosten zu vergrößern, um die nötigen Rohstoffquellen und Absatzmärkte zu erschließen. Das ist die Ursache für den Ersten Weltkrieg - der Konflikt zwischen den frühen kapitalistischen Ländern mit großem Kolonialreich und den späten Aufsteigern, die ihre Stellung verbessern wollten.

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Natürlich gibt es die Arbeiterklasse noch.

Ihre Bedeutung ist sogar stetig gewachsen statt gesunken. Selbst im England der Industrialisierung, wo Marx seine Analyse des Kapitalismus entwickelt hat, stellten Arbeiter noch eine Minderheit der Bevölkerung, der größere Teil der Menschen lebte noch als Bauern oder kleinbürgerliche Handwerker. Heute gehören in den Industrienationen etwa 90% der Menschen der Arbeiterklasse an, das Bauerntum ist fast verschwunden und es gibt nur eine dünne und unstete Schicht des Kleinbürgertums.

Wer ist denn jetzt Arbeiter? Alle diejenigen, die kein Kapital und keine Produktionsmittel besitzen und deshalb zum Überleben auf den Verkauf ihrer Arbeitskraft angewiesen sind - mit anderen Worten: Lohnabhängige. Auch diejenigen, die vom Lohn ihres Partners oder von Lohnersatz wie Rente oder Arbeitslosengeld leben, sind Arbeiter. Der Gegenpol zu den Arbeitern sind Kapitalisten, also diejenigen, die genug Kapital und Produktionsmittel besitzen, um von fremder Arbeit zu leben. Und eine Zwischenstellung nimmt das Kleinbürgertum ein, also diejenigen, die etwas Kapital besitzen, aber nicht genug, um sich vollständig von der Arbeit zu befreien, z.B. Selbstständige und Kleinunternehmer.

Wenn sie das Wort Arbeiter hören, denken manche Leute an rußbedeckte, oberkörperfreie Männer, die in Fabrikhallen den Hammer schwingen, und weil man so etwas heute nicht mehr sieht, behaupten sie dann, die Arbeiterklasse würde nicht mehr existieren. Das ist aber nur ein Klischee, denn die Arbeiterklasse war schon immer vielfältig aufgestellt, ihr gehörten schon immer Menschen jedes Geschlechts und verschiedener Herkunft an, und die konkrete Arbeit war schon immer sehr unterschiedlich - Schwerindustrie, Leichtindustrie, Dienstleistung, Kopfarbeit etc.

In den letzten paar Jahrzehnten hat sich natürlich die Bedeutung einzelner Sektoren verschoben. Weniger Leute arbeiten in der Industrie, mehr im Dienstleistung- und Finanzbereich, und während ein Studium vor 100 Jahren noch weitgehend ein bürgerliches Privileg war, sind heute die Mehrheit der Akademiker als Arbeiter tätig. Trotzdem sind alle diese Leute weiterhin Arbeiter und machen die gleiche Erfahrung der Lohnabhängigkeit.

Warum ist das jetzt überhaupt wichtig? Weil unsere gesamte moderne, kapitalistische Wirtschaftsweise auf der Ausbeutung von Arbeitern beruht. Der Gegensatz zwischen Arbeitern und Kapitalisten durchzieht jeden gesellschaftlichen Konflikt, und nur wer sich dessen bewusst ist und sein Klasseninteresse kennt, lässt sich nicht von rassistischer Demagogie gegen die Arbeiter anderer Herkunft, Religion und Hautfarbe aufhetzen und erkennt, dass all die bürgerlichen Parteien von den Grünen bis zur AfD, die vom Allgemeinwohl und den nationalen Interessen reden, nur das Wohl der Reichen und Kapitalisten im Sinn haben. Die Arbeiter sind es, die jeden Teil dieser Gesellschaft am Laufen halten, und nur sie können sie umstürzen und eine bessere Welt erschaffen, wenn sie sich dieser Macht bewusst werden.

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