Anfangsverdacht: Snapchat ist noch schlimmer als Instagram. Kids, was soll das?

Ich habe mir einen anonymen Snapchat-Zugang eingerichtet und die App installiert. Habe somit einen neutralen Einblick erhalten und bin entsetzt.

Hatte zu Beginn 3 gezielte Kontakte. 14, 29 u. 46 Jahre. Mein eigenes Adressbuch hab ich nicht für Snapchat freigegeben. Anhand der Kontakte dieser drei Personen wurden mir deren 'Freunde' als Kontakt vorgeschlagen. Ich habe jeden angeklickt, der mir vorgeschlagen wurde. Ich schätze, dass ungefähr 90% meine Anfrage akzeptiert haben. Das zum Setup.

Als nächstes erhielt ich Nachrichten von diesen unbekannten Menschen. Nicht vereinzelt, sondern massenhaft. Die Absender dieser Snaps waren die, die mir aus den Adressbüchern der Kids vorgeschlagen wurden. Diese Nachrichten waren stets gleichen Typs:

  • Ein wahlloses Foto, das z.B. die Bettdecke oder ein verlassenes Bett zeigt.
  • Ein wahlloses Foto, das z.B. die Strasse auf dem Weg zur Schule zeigt.
  • Ein wahlloses Foto, das z.B. die Schulklasse in der Klasse sitzend zeigt.
  • Ein wahlloses Foto, das z.B. die Strasse auf dem Nachhauseweg von der Schule zeigt.
  • Ein wahlloses Foto, das z.B. das Mittagessen zuhause zeigt.
  • Ein wahlloses Foto, das z.B. die Aufgaben der Hausaufgaben zeigt.
  • Usw.

Ganz wichtig scheinen zu sein:

  • das Verbreiten von anonymen, überaus sinnlosen Fotos
  • das Einfügen der digitalen Uhrzeit
  • das Einfügen des Wochentages
  • das Einfügen eines weiteren GIFs oder einer anderen Grafik
  • das Einfügen des Kommentars 'RS', 'GuMo' oder 'GN'

Diese 'Snaps' werden dann offensichtlich an die vollständigen Adressbücher/Kontaktlisten verteilt.

Und damit meine ich nicht, dass so etwas vereinzelt geschieht, sondern diese Nachrichten trudeln quasi permanent ein. Es scheint ein obskures Punktesystem zu geben. Man bekommt für das Versenden solcher 'Snaps' Punkte. Die Kids kämpfen da also um Fame und Status.

Kids, was soll das?
Ich gehe davon aus, dass man sich neben diesen Rundsnaps auch noch privat und 'normal' unterhält, aber ansonsten macht man so etwas doch nicht.

Ich habe noch nie etwas Sinnloseres als Snapchat erlebt.
Und ich habe auch gemerkt, dass ich beim Schreiben zwischen den Zeiten gesprungen bin. Das ist natürlich nicht mehr präsent, sondern ich habe das längst gelöscht.

Meine Erkenntnis:
Es ist noch viel schlimmer als ich dachte. Ich muss dringend weiterhin den verantwortungsvollen mit digitalen Endgeräten predigen. Ich werde weiterhin den Standpunkt vertreten, dass man ein Smartphone frühestens mit dem Erreichen des 16. Lebensjahres besitzen sollte. Meinem eigenen Nachwuchs werde ich die Nutzung von Tablet und Smartphone bis auf ganz wenige Ausnahmen weiterhin untersagen.

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Die Welt entwickelt sich stetig weiter, so tun es auch wir Menschen und mit uns die soziale Kommunikation. Früher sprach man primär mit einander, dann lernte man zu schreiben, irgendwann telefonierte man, man fing an E-Mail zu schreiben, WhatsApp kam und jetzt schickt man sich Bilder.

Wenn ich von meinem Tag erzähle, dann birgt das keine weltbewegenden Nachrichten und dient primär lediglich dem sozialen Austausch. Auf eine andere Art und Weise verfolgen Snaps den gleichen Zweck. Dass dieser Zweck keine tiefergehende Bedeutung hat, ist selbstverständlich, muss er aber auch nicht.

Mittlerweile bin ich aus einem Alter raus, in dem man täglich - auch in meinen Augen - redundante Snaps an Kontakte schickt. Im Bezug hierauf habe ich jedoch meine eigenen Erfahrungen gemacht. Man sollte Kindern, zumindest im Kontext solch trivialer Themen, keine Verbote, die sich im Ergebnis negativ auswirken könnten, aufdrängen, nur weil man selber den Sinn und Zweck dahinter nicht versteht.

Das Verbot von Handy (oder explizit Snapchat und Instagram) könnte das Kind zum Außenseiter machen. Und das ist überhaupt nicht „krass“, „schade“ oder „unglaublich“- im Gegenteil: es ist verständlich. Snapchat und Instagram sind ein Medium des sozialen Austausch. Verbietet man ihnen den Umgang hiermit, während alle anderen den Umgang mit solchen Medien lernen und sich hierüber austauschen, katapultiert man das Kind ins Soziale aus. Das wird das Kind unglücklich machen.

Was ist wichtiger? Ein glückliches Kind und eine Mutter, die sich mit Snapchat und co. abfindet (wie‘s jeder tut) oder eine unglückliches Kind, dafür aber eine Mutter, die ihren Willen durchgesetzt hat, weil sie den Sinn moderner Kommunikation nicht anerkennt?

Der beste Lösungsansatz wäre es, den Kindern die Nutzung von social Media zu erlauben, ihnen aber einen verantwortungsvollen Umgang beizubringen. Wieso es gefährlich sein kann, Fremden Bilder vom Schulweg zu schicken, usw.

Es zu verbieten, nur weil man‘s doof findet und nicht versteht, ist typisches „Alte-Menschen-Denken“. Kennst du alte Menschen, die über alles nörgeln, was nach ihrer Zeit populär geworden ist (zerissene Jeans, Handys, gefärbte Haare, weibliche Jungs und männliche Mädchen)? Mit deiner Einstellung endest du genau so.

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