Welche Chancen habe ich als Konfessionslose auf einen Erzieher-Arbeitsplatz?

7 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Die Erzieherausbildung solltest Du unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer Kirche machen.

Es gibt einen großen Fachkräftemangel in der Jugendhilfe. Eine Arbeitsstelle zu finden ist nicht schwierig. In der Diakonie der neuen Bundesländer sind 70 - 80 % der MitarbeiterInnen nicht Kirchenmitglied!

Vor etwa 5 Jahren war für Nichtmitlieder eine Bewerbung noch aussichtslos, das hat sich aber grundlegend geändert. Kirchliche Betriebe haben übrigens das Recht als "Tendenzbetrieb" Bewerber mit der Begründung der Nichtzugehörigkeit zur Kirche abzulehnen. Im AGG gibt es dazu eine gesetzliche Ausnahmeregelung. Die ungünstigen Arbeitszeiten (Sonntagsdienst, Spätdienst, Nachtbereitschaften, Dienst an Feiertagen) und der psychische Stress sorgen dafür, dass sich wenige Erzieher für dieses Berufsfeld entscheiden.

Übrigens sind nicht alle Arbeitgeber in der Jugendhilfe Kirchen - der PARITÄTISCHE, die Arbeiterwohlfahrt und viele private Träger haben in der Jugendhilfe eine großes Stellenangebot.

Wenn Du Dich später einmal in einer Jugendhilfeeinrichtung der Caritas oder Diakonie bewerben solltest, hast Du große Chanchen angenommen zu werden. Du musst natürlich den kirchliche Auftrag respektieren und unterstützen. In den Jugendhilfeeinrichtung gibt es viele Kinder und Jugendliche, die dem Islam angehören oder atheistische Eltern haben .

Toleranz für die jeweilige Religion oder Weltanschauung ist das Wichtigste.

Übrigens, ind der Schweiz sucht man schon viel länger nach Erziehern - auch ohne Kirchenzugehörigkeit...

 

 

Spaghettus  26.04.2011, 08:22

Genau das, was du hier behauptest, ist falsch. Die Kirchen sind keine Tendenzbetriebe. Das ist nur eine Schutzbehauptung der Kirchen, die damit so tun möchten, als ob das, was bei ihnen gilt, auch anderswo normal wäre. Wenn sie das behaupten kennen sie sich entweder wirklich nicht in ihren eigenen Regelungen aus oder lügen ganz einfach. Siehe dazu auch meinen Kommentar zu miraldas Antwort.

 

Falsch ist auch, dass es für Nichtkonfessionelle große Chancen gibt, in der Diakonie oder Caritas angenommen zu werden. Das trifft höchstens auf den Osten zu. Im Westen werden sogar Leute entlassen, wenn sie aus der Kirche austretetn und, in ganz harten Fällen bei den Katholen sogar, wenn sie nach Scheidung wieder neu heiraten.  In solchen Gegenden bekommt ein atheistischer oder konfessionsloser Erzieher kein Bein auf die Erde. Noch.

Vollchaot  26.04.2011, 12:06
@Spaghettus

Lieber Spaghettus, die Kirche gehört eindeutig zu den Tendenzbetrieben, sie hat sogar nach der Verfassung gesetzgeberische Rechte (Artikel 140 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 137 der Weimarer Reichverfassung). Durch Konkordate ist ihre Position auf Bundes- und Länderebene rechtlich sehr abgesichert und hervorgehoben. Pessimistisch gesagt, sie könnte ein "Staat im Staate" sein. Das sind staatsrechtliche Fakten, über die man sich ärgern kann, aber die Realität sind.

Die katholische Kirche geht mit ihren Grundsätzen eines kirchlich-korrekten Lebens sicherlich sehr rigide um. Als Nichtchrist würde ich mich dort auch erst garnicht bewerben (in katholischen und evangelischen Krankenhäusern gibt es aber aus Fachkräftemangel einen zunehmend hohen Anteil an Ungetauften als Personal - z. B. in Hamburg schon über 50 %).

Bei Kirchenaustritt gekündigt zu werden ist bei der Diakonie eine "Kann-Bestimmung". Viel schlimmer ist die Kündigungspraxis in katholischen Einrichtungen, wenn ein Mitarbeiter sich scheiden läßt und dann neu heiratet, oder eine geschieden Frau heiratet. Aber hier hat das Bundesarbeitsgericht inzwischen auch höhere Maßstäbe gesetzt. - so einfach ist es für katholische Arbeitgeber nicht mehr.

Was aber Kayahis Frage angeht, in Süddeutschland ist der Fachkräftemangel so hoch, dass die kirchlichen Arbeitgeber ihre starre Haltung aufgeben müssen, wenngleich es sicherlich noch einige Einrichtungen im Bereich der Caritas gibt, in der Ordensschwestern und Pfarrer vorerst noch das Dogma aufrecht erhalten.

(Übrigens: Wie Du vielleicht schon erraten hast, bin ich  "Insider" - aktiver Gewerkschaftler und Mitglied etlicher verfasst-kirchlicher Gremien und mit dem kirchlichen Recht intensiv vertraut.)

Mal ganz unabhöngig von der Konfession - es werden kaum noch Erzieher in dem Bereich, den Du nanntest eingestellt. Das übernimmt heutzutage überwiegend der studierte Sozialarbeiter oder Sozialpädagoge. Die Jobchancen dürften hier also für Dich als Erzieherin eher schlecht sein. Es sei denn, Du studierst soziale Arbeit oder machst den Erzieher an einer Hochschule.

So besinnt sich der Beruf des Erziehers wieder auf den Kindergartenbereich, besonders in Berlin, auch wenn der Beruf Erzieher immer weiter Richtung Hochschule tendiert. Und besonders in Berlin hast Du große Chancen als Erzieherin, aber auch zukünftig im Bundesgebiet, wo massiv Kitaplätze fehlen.

Die Konfession ist nur dort ein Problem, wo die Kirchen noch einen Trägermonopol haben. Sobald der Bedarf nach Klientel und Fachkräften da ist, expandieren die bisherigen nicht kirchlichen Träger und die Konfession wird obsolet, ausser vielleicht bei den katholischen Trägern der Caritas. Meine Tanten arbeitet z.B. beim christlich-evangelischem EJF als Leiterin und ist nicht konfessionell.

Kayahi 
Fragesteller
 26.04.2011, 12:24

Ich mache eine Ausbildung zur Jugend und Heimerzieherin, keine normale Erzieherausbildung. Da diese Ausbildung speziell auf die Arbeit in Wohngruppen vorbereitet, denke ich schon dass ich auch in diesem Bereich Arbeit finden werde.

In einen Kindergarten möchte ich nicht und dafür werde ich auch nicht ausgebildet.

Ob ich anschließend noch studiere wird sich zeigen, aber selbst wenn ich mich dazu entschließe, dann möchte ich nebenbei trotzdem schonmal in meinem Beruf arbeiten können.

Aber es macht schon Mut zu hören dass die Konfessionszugehörigkeit anscheinend doch nicht so streng genommen wird.

Danke für deine Antwort!

was..? Ich bin selbst gerade auf Stellensuche in diesem Bereich, und deine Aussage mit den 80-90 Prozent kann ich nicht bestätigen. Klar gibt es kirchliche Einrichtungen, die die Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche fordern, um dich anzustellen. Aber die meisten Einrichtungen sind doch städtisch oder zumindest städtisch unterstützt und damit konfessions-unabhängig. Auch in vielen kirchlichen Einrichtungen werden konfessionslose Fachkräfte angestellt - anders würden sie auch nicht genug Personal finden.

Kayahi 
Fragesteller
 26.04.2011, 20:42

Vielleicht hat die Jobboerse auch einfach einen falschen Eindruck auf mich gemacht. Ich danke dir für deine Antwort und wünsche dir viel Erfolg bei der Jobsuche!

Auch ein kirchlicher oder christlicher Arbeitgeber darf eine/n bewerber/in nicht deswegen ablehnen, nur weil er/sie konfessionslos ist. das wäre ein verstoß gegen das grund- sowie das gleichstellungsgesetz.

vielmehr wollen die mitarbeiter, die sich mit christlichen werten und normen identifizieren (können). wenn man das in der bewerbung mit ein paar guten formulierungen darstellt, und mit etwas glück zum vorstellungsgespräch eingeladen wird, sind die chancen gut. im gespräch muss man das noch besser rüberbringen, aber es muss vor allem authentisch sein!

Kommt doch auch wirklich darauf an, in welcher Gegend du arbeiten willst. Bei uns im aufgeklärten Osten hast du das viel weniger Probleme. Zum einen, weil es auch konfessionslose Träger auf dem Gebiet gibt, zum anderen weil es viel zu wenig konfessionelle Erzieher gibt. Da können es sich die Kirchen gar nicht leisten, auf die zu verzichten, wenn sie nicht ihre Einrichtungen dicht machen wollen. :)

 

Vor allem bleibt dir aber auch noch immer eine ganz andere Möglichkeit: Selbst ein nichtkonfessionelles Projekt zu entwickeln. Such dir Mitstreiter, gründen einen Verein und werde mit dem selbst anerkannter Träger der Jugendhilfe. Konfessionslose Angebote werden auch bald im Westen mehr gesucht sein.

Kayahi 
Fragesteller
 25.04.2011, 16:20

Momentan lebe ich im sonst sehr sonnigen Südwesten udn möchte hier eigentlich auch bleiben.

Für ein eigenes Projekt fehlen mir leider die Grundlagen, aber mal sehen, noch bin ich nicht auf Jobsuche. Vielleicht haben sich die Umstände etwas verbessert wenn es soweit ist.

Spaghettus  25.04.2011, 16:35
@Kayahi

Ach, die Grundlagen erwirbst du dir mit deinem Abschluss. Dann brauchst du nur noch ne Idee. Sieh dich um, was in deiner Gegend gefragt ist aber nicht oder zu wenig angeboten wird. Dann findest du oft auch untere denen, die das Angebot nutzen möchten, welche, die bei der Vereinsgründung mitziehen. Ich habe es seinerzeit selbst so gemacht.