Chancen auf Halbstrafe in Bayern?

4 Antworten

Das Jugengerichtsgesetz sieht hier keine besondere Regelunf vor, also gehe ich davon aus dass der § 57 StGB hier Anwendung findet. Demnach sind die Chancen auf Halbstrafe sehr sehr gering. Möglicherweise ist man bei Jugendlichen bei der Auslegung aber etwas grosszügiger. Zudem ist kaum etwas über die Hintergründe der Verurteilung bekannt. Das Strafmass als Erstverurteilter von 3,6 Jahren ist schon recht ordentlich und lässt darauf schließen dass hier nicht mal eben mit ein paar Gramm gedealt wurde. Ein Erwachsener hätte sich da vermutlich richtig was eingefangen.

Peterthb  19.05.2012, 14:05
Das Jugengerichtsgesetz sieht hier keine besondere Regelunf vor

Doch: http://www.gesetze-im-internet.de/jgg/__88.html

Die JVA gehört zur Exekutive, hat sich demnach auf die Ausführung/Vollstreckung des Urteils zu beschränken. Die Hintergründe der Tat sind zweitrangig.

Selbst wenn die Judikative sich wieder mit Anträgen zur Teilaussetzung beschäftigt, ist vom Urteil auszugehen. Das ist eine Tatsachenfeststellung, in die nach Rechtskraft kein Eingriff mehr möglich ist (von der Wiederaufnahme abgesehen).

Entscheidungen bez. Reststrafen-Aussetzung dürfen von Gesetzes wegen gar nicht in die Wertung des urteilenden Gerichts eingreifen.

Der Grad möglicher (Re-) Sozialisierung, muss am Verhalten nach Rechtskraft des Urteils festgemacht werden. Dass die Praxis oft ein bisschen anders aussieht, wissen wir vermutlich alle.

Ich versuch's mal, schicke aber voraus, dass ich keine Rechtssicherheit bieten darf/kann.

Vom Lebensalter ausgehend, wird er die Haft wohl letztlich in einer JVA für Erwachsene verbüßen müssen. Das ist mit Vor- aber auch Nachteilen verbunden. Zu den Vorteilen gehört, dass dort das StVollzG Grundlage bleibt. In Jugendstrafanstalten bleibt der Erziehungsgedanke weiterhin deutlich.

Zu den Nachteilen gehört, dass die dort zuständigen Richter und Gerichte nur selten mit Anträgen zur "Halbstrafe" konfrontiert werden und die entsprechende Teil-Aussetzung seltener ist.

Die Einhaltung genauer Termine ist sowieso nicht verpflichtend.

Theoreitsch ginge das bei seiner Strafe schon nach dem ersten Drittel, es gibt auch entsprechende Entscheidungen bei Jugendstrafen.

Nebenbei: Sollte er eine Abhängigkeit geltend machen können und vielleicht die Straftaten damit zusammen hängen (Beschaffungskriminalität), hätte er mit sofortigem Bemühen um einen Therapieplatz wohl die besten Chancen auf Überstellung in sozialtherapeutische Anstalt oder gar eine Umwandlung in "Therapie statt Strafe".

"Btm.-Gefangene" haben ganz allgemein mit Problemen bezüglich stärkerer Überwachung, Durchsuchung etc. zu rechnen.

Die Voraussetzungen wie soziale Bindungen, Wohnsitz und Arbeitsplatz sind die wichtigsten, welche zu einer vorzeitigen Entlassung führen können. Sein Verhalten in Haft spielt natürlich auch eine große Rolle.

Ganz grundsätzlich – das ist aber keinesfalls die Regel, eher seltene Ausnahme – kann nach dem JGG (bei o.g. Strafmaß) schon nach Verbüßung des ersten Strafdrittels (mind. 6 Monate) ein Antrag auf Aussetzung der Reststrafe gestellt werden.

Zitat § 88 (2) JGG: "Vor Verbüßung von sechs Monaten darf die Aussetzung der Vollstreckung des Restes nur aus besonders wichtigen Gründen angeordnet werden. Sie ist bei einer Jugendstrafe von mehr als einem Jahr nur zulässig, wenn der Verurteilte mindestens ein Drittel der Strafe verbüßt hat."

Die Hoffnung darauf würde ich allerdings in engen Grenzen halten.

Mein Rat also:

Er soll sich ordentlich verhalten und bereits kurz vor Verbüßung des ersten Strafdrittels den entsprechenden Antrag stellen. (Wichtig dabei: Eine mögliche Ablehnung darf nicht nach § 57 StGB erfolgen, sie muss sich auf das JGG beziehen, auch wenn die Strafe in einer JVA für Erwachsene verbüßt wird. Es wäre ein guter Grund zur Anfechtung einer Entscheidung.)

Voraussichtlich wird das auch bei relativ guten Aussichten abgelehnt, aber der zuständige Richter hat deinen Freund schon gesehen und der hätte Gelegenheit, sich in ein halbwegs gutes Licht zu stellen. Damit könnten die Chancen auf Aussetzung der Hälfte deutlich steigen.

Meine Hoffnung würde ich allerdings soweit erst mal auf das möglche, letzte Strafdrittel einschränken — das spart einiges an Enttäuschung und macht die Freude nur größer, wenn es doch vorher schon klappen sollte.

Zu weiteren Antworten: Was "üblich" ist, hängt auch in Bayern sehr von der Praxis in den einzelnen Anstalten ab (vor etlichen Jahren war z.B. in Bayreuth der Umgang mit Strafaussetzungen weit lockerer als z.B. im benachbarten Nürnberg).

Darüber erhält aber dein Freund selbst weitaus wertvollere Tipps in der JVA, als ich es von hier aus machen kann.

Goldstueck9711 
Fragesteller
 19.05.2012, 14:55

Hallo, vielen Dank für die ausführliche Antwort. Soweit ich das jetzt mitbekommen habe kommt er entweder nach Bayreuth oder aber nach Ebrach. Letztere wäre ja eine Jugendstrafanstalt.

Die Sache mit der Beschaffungskriminalität trifft nicht zu, da er selbst nie Drogen konsumiert sondern nur in nicht geringer Menge verkauft hat. Das die Chancen auf Halbstrafe nicht besonders gut stehen hat uns der Anwalt auch schon mal gesagt, nur wollte ich mir dazu gerne eben eine weitere Meinung einholen. Reden kann man ja viel und vllt. ist es wirklich so wie Du unten schon geschrieben hast, dass sich die wenigsten damit wirklich auseinandersetzen.

Ich will halt nur nichts unversucht lassen und wenn der Antrag abgelehnt wird, dann ist das halt so, aber dann haben wir es probiert und mehr wie ein nein kann ja nicht rauskommen.

Das mit dem § 88 JGG hab ich jetzt zum Beispiel noch nie gehört, und werde dies sicherlich auch nicht unversucht lassen. Das heißt also, wenn der Antrag abgelehnt mit der Begründung des § 57 StGB kann sofort Beschwerde eingelegt werden? Verstehe ich das richtig?

Eine weitere Frage wäre jetzt noch, können so viele Anträge gestellt werden wie man möchte oder gibt es nur einmal die Möglichkeit? Also ich meine wenn ein Antrag abgelehnt wird, dass man dann z.B. nach 2 Monaten wieder einen stellt? Damit die Richter sehen das er da ist und sich nicht unterkriegen lässt.

Am Anfang war auch nur Besuch mit Trennscheibe weil ja BtmG, da er selbst ja aber nie was genommen hat haben wir es hier nach etlichen Schreiben und Anträgen geschafft diese weg zu bekommen.

Meine Hoffnung liegt hauptsächlich auf 2/3, da das wohl tatsächlich das realistischste ist, doch wie gesagt, es soll nichts unversucht bleiben :)

Peterthb  19.05.2012, 15:37
@Goldstueck9711

Wenn sich eine Ablehnungsbegründung allein auf 57 StGB bezieht, ist sie meiner Auffassung nach unbegründet. Hier wäre ein Erfolg im Sinne der Strafaussetzung m.E. sehr wahrscheinlich, weniger wahrscheinlich aber, dass nur ein Grund genannt wird.

Sicher ist es immer ein Wider- oder Einspruchsgrund, wenn sich bei Jugendstrafen so ein Part in der Ablehnung einer Teilaussetzung findet. Hier ist allerdings ein Erfolg im Sinne der Aussetzung nicht zu garantieren. Möglicherweise wird die Ablehnung als nichtig erkannt, es kann allerdings dann anders formuliert eine weitere Ablehnung erfolgen wenn die anderen, angeführten Gründe ausreichen.

Die JVA Ebrach würde meiner Meinung nach den Gefangenen zwar erst mal aufnehmen, aber nach Bayreuth überstellen lassen. Sollte dies wider Erwarten nicht geschehen, kann das per Antrag erfolgen. Eine Garantie gibt's auch da nicht, aber die Wahrscheinlichkeit ist für den 23-jährigen sehr hoch.

Mögliche anzuführende Gründe: Er ist de facto auch nach dem Gesetz kein Jugendlicher oder Heranwachsender mehr. Er befindet sich ausschließlich unter Mitgefangenen, die relativ hohe Jugendstrafen absitzen oder Mehrfachtätern.

Ggf. auch die Wohnortnähe oder Besuchsmöglichkeiten wg. Aufrechterhaltung der sozialen Bindungen.

Sozialisierung, Aufrechterhaltung/Kompetenzgewinnung der beruflichen Möglichkeiten. (In Bayreuth werden regelmäßig beruflich weiterführende Lehrgänge bis zur Berufsausbildung angeboten und durchgeführt.)

Es gibt noch mehr Gründe, die ggf. angeführt werden können, die richten sich allerdings mehr nach dem Einzelfall und den Besonderheiten, die geboten werden. Er kann sich bei vertrauenswürdigen Mitgefangenen sicher eine Menge an Hilfe und wertvollen Auskünften einholen. Natürlich ist nicht immer alles glaubhaft, aber es sind immer wieder Häftlinge da, die sich wirklich gut auskennen und auch helfen wollen.

Für den Ersttäter im genannten Alter wäre die einzig richtige Verlegung (neben der nach Bayreuth) noch die nach Niederschönenfeld, wo seine Chancen m.E. ebenfalls besser als in Ebrach sind.

Auszug aus der Zuständigkeit:

"Die Justizvollzugsanstalt Niederschönenfeld ist zuständig für den Erstvollzug von mehr als 18 Monaten bis einschließlich 4 Jahren. Vollstreckt werden außerdem Jugendstrafen bei Verurteilten, die insbesondere wegen ihres Alters für den Vollzug in einer Jugendanstalt nicht mehr geeignet sind und deshalb aus dem Jugendvollzug ausgenommen wurden. Die Gefangenen kommen aus ganz Bayern."

Hat er denn keinen Anwalt? Der sollte das durch die genaue Kenntnis der Umstände (z.B. der Ermittlungsakten) am besten beurteilen können.

Die Halbstrafe kann sowieso erst während des laufenden Vollzugs beantragt werden.

Peterthb  19.05.2012, 14:09

Es gibt nur extrem wenige Anwälte, welche sich mit dem Vollzugsrecht und Strafresten beschäftigen oder gar auskennen. Das liegt vor allem daran, dass die wenigsten Häftlinge sich finanziell soweit strecken können.

Ein Anwalt ist allerdings auch bei solchen Anträgen kaum mal notwendig.

Die Ermittlungsakten sind erledigt, die Strafe rechtskräftig und eine Tatsache. Das spielt keine Rolle mehr für den Vollzug, nur das Strafmaß.

Hallo!Es ist schon schwer ein Halbestrafe zu bekommen aber in Bayern noch schwer.