Kann der Arbeitgeber die Anerkennung einer Schwangerschaftbescheinigung ablehnen?
Hallo,
ich brauch mal eine juristisch fundierte Antwort.
Der Sachverhalt ist folgender: Der Arbeitgeber meiner Freundin erkennt die Schwangeschaftsbescheinigung (Bescheinigung nach § 5 MuSchG), die sie von Ihrer Frauenärtztin erhalten hat, nicht an. Der Arbeitgeber hat gekündigt, obwohl Mutterschutz (laut Bescheinigung) besteht. Der Arbeitgeber behauptet - ohne dies zu begründen, die Angaben in der Bescheinigung (z. B. Schwangerschaftswoche, vorauss. Geburtstermin etc.) würden nicht stimmen, da sie beim Arzt falsche Angaben gemacht hätte und die Bescheinigung nur nach ihren Angaben ausgestellt worden sein. Tatsächlich mache die Frauenärztin (weil vorgeschrieben?) erst einen Ultraschall und stellte dann die Bescheinigung den Untersuchungsergebnissen entsprechend aus. Der Arbeitgeber will die Schwangerschaft allerdings erst nach einem Sachverständigen-Gutachten anerkennen.
Daher die Fragen: - Kann der Arbeitgeber einfach so die Anerkennung der ärztlichen Bescheinigung verweigern oder ist diese schon an sich rechtlich verbindlich? - Gibt es eine Vorschrift (z.B. der gesetzlichen Krankenkassen o.ä.), dass eine Mutterschaftsbescheinigung erst nach einer Ultraschalluntersuchung ausgestellt werden darf? - Muss der Arbeitgeber die Bescheinigung evtl. anerkennen, wenn dazu das Ultraschallbild der (am selben Tag) vorangegangenen Untersuchung vorgelegt wird (Diesbezüglich hätte ich grundsätzlich Bedenken bezüglich Eingriffs in die Intimsphähre) - Kann er ein Sachverständigen-Gutachten verlangen bzw. seinen Anerkennung der Bescheinigung davon abhängig machen? Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen? und muss meine Freundin diesem zustimmen (Wegen Eingriff in die Intimsphähre und so)?
Für Antworten mit Verweisen (auf Gesetze oder Urteile) wäre ich dankbar
6 Antworten
Kann er ein Sachverständigen-Gutachten verlangen
Der Frauenarzt ist Sachverständiger. Er hat die Schwangerschaft festgestellt und damit tritt das Mutterschutzgesetz in Kraft.
Im § 5 Abs. 2 MuSchG steht:"Für die Berechnung der in § 3 Abs. 2 bezeichneten Zeiträume vor der Entbindung ist das Zeugnis eines Arztes oder einer Hebamme maßgebend; das Zeugnis soll den mutmaßlichen Tag der Entbindung angeben. Irrt sich der Arzt oder die Hebamme über den Zeitpunkt der Entbindung, so verkürzt oder verlängert sich diese Frist entsprechend"
Im Arbeitsrechtkommentar von Prof. Dr. Peter Wedde steht dazu ausführlicher: "Da die AN die freie Arzt- bzw. Hebammenwahl hat, kann der AG auch nicht die Vorlage des Attestes von einem bestimmten Arzt oder Hebamme verlangen"
Weiter schreibt P.Wedde im § 9 KuSchG (Kündigungsverbot): "Wesentliche Voraussetzung des Kündigungsverbots ist, dass im Zeitpunkt des Kündigungszugangs eine Schwangerschaft besteht. Um den Beginn einer Schwangerschaft zu ermitteln, bedarf es eines Attestes eines Arztes oder einer Hebamme, das der AG auf seine Kosten von der AN verlangen kann. Dabei wird von dem im Attest angegebenen voraussichtlichen Geburtsterrmin um 280 Tage zurückgerechnet, um auf den mutmaßlichen Tag des Schwangerschaftsbeginns zu kommen; der Entbindungstag selbst wird allerdings nicht mitgezählt (BAG 12.12.1985 - 2 AZR 82/85; BAG 7.5.1998 - 2 AZR 417/97). Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob sich Arzt oder Hebamme verrechnet haben, denn verschiebt sich der Geburtstermin z.B. nach hinten, bleibt der Beweiswert des Attestes trotzdem erhalten (LAG Köln 30.9.1993 - 10 Sa 597/93)."
Diese Kündigung wird wohl keinen Bestand haben.
DH mehr als verdient.
Was will sie machen, wenn er das einfach nicht einsehen will. Ihr bleibt nichts anderes übrig, als zu klagen.
Das ist KOSTENLOS und sie braucht auch KEINEN ANWALTJetzt würd mich aber mal interessieren, woher der AG denn wissen will, ob deine Freundin falsche Angaben gemacht hat ......ich glaube kaum, dass er darüber informiert ist, wann sie ihre letzte Periode hatte und wann den letzten GV. Es sei denn, er kommt als Vater in Frage. (Sorry, aber das wäre doch der einzig nachvollziehbare Grund).
Juristisch fundierte Antworten findest du übrigens hier:
Hallo, er behauptet einfach, dass sie die Angaben vorsätzlich falsch und zwar genau so gemacht hat, dass der Kündigungsschutz besteht. Wann die letzte Periode war, kann er natürlich nicht wissen. In diesem Fall war es aber sogar so, dass meine Freundin wegen Regelschmerzen sogar krankgeschrieben war. (Der Zeitpunkt der Krankschreibung entspricht dem Termin der letzten Periode, wie er auch der Bescheinigung vom Frauenarzt zugrunde liegt) Allerdings erfährt der Arbeitgeber die Gründe der Krankschreibung ja nicht.
Grundsätzlich muss der AG eine solche Bescheinigung zwar anerkennen, aber falls er Deiner Freundin misstraut oder - vielleicht aus Erfahrung - der ausstellenden Ärztin, dann kann er natürlich ein weiteres ärztliches Gutachten verlangen, das er dann allerdings auch selbst bezahlen müsste.
Das beigelegte Ultraschallbild brächte gar nichts, falls der Chef nicht zufällig selbst Arzt wäre und dieses interpretieren könnte.
Danke für die Antwort. Wie kommt der AG dazu der Ärztin zu misstrauen? Immerhin ist sie im Gegensatz zu ihm sachkundig. Und einen Anlass für Misstrauen gibt es nicht. Der AG hatte mit dieser Ärztin mit Sicherheit zuvor noch nichts zu tun. Zudem besteht freie Arztwahl - wie will der AG da begründen, dass meine Freundin jetzt zu einem anderen Arzt gehen soll?
Natürlich kenne ich die Situation nicht, kenne aber Ärzte, die besonders bei chronischen Blaumachern "beliebt" sind, weil die sehr grosszügig "gelbe Urlaubsscheine" ausstellen, und gegen die kann und muss ein Betrieb dann notfalls auch über die Kassenärztliche Vereinigung oder gerichtlich vorgehen und kann im Zweifelsfall ein Gegengutachten erstellen lassen.
Die Kuendigung ist erst einmal wirksam. Deine Freundin sollte nun innerhalb von 3 Wochen ab Zugang der schriftlichen Kuendigung (Frist unbedingt einhalten!) Kuendigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erheben.
Dort wird dann der Arbeitgeber Gelegenheit bekommen, seine absurden Zweifel am Bestehen der Schwangerschaft darzustellen. Erfolg duerfte er damit aber sicher nicht haben.
Ganz wichtig ist hier aber, dass die Kuendigungsschutzklage fristgemaess erhoben wird. Das geht auch ohne Anwalt (den sie in der ersten Instanz sowieso und unabhaengig vom Verfahrensausgang selbst bezahlen muesste).
Hallo und Danke für die schnelle Antwort. Wir haben bereits einen Anwalt eingeschaltet und die Klage bei Gericht wurde auch schon eingereicht. (Der Anwalt hat uns auch erklärt, dass die Kündigung ersteinmal wirksam ist.) Meine Frage zielt aber speziell auf die Mutterschaftsbescheinigung ab, und die darin genannten Angaben und Termine, die er nicht anerkennt. Damit begründet der Arbeitgeber ja, dass er die Kündigung nicht zurücknimmt (juristisch korrekt: auf Ansprüche aus der Kündigung verzichtet) Das hat er inzwischen auch im schriftlichen Vorverfahren getan.
Das wird im Kündigungsschutzprozess alles zur Sprache kommen ....
Dann wird er halt vor Gericht glaubhaft darstellen muessen, dass die Bescheinigung der Aerztin inhaltlich falsch ist bzw. auf falschen Angaben beruht oder falsch berechnet wurde bzw. auf einer in der Rechtsprechung nicht anerkannten Berechnungsart beruht.
Streitig ist hier ja wohl, ob die Schwangerschaft bereits zum Zeitpunkt der Kuendigung bestanden hat oder nicht. Es gibt in der Rechtsprechung einige Grundsaetze zur Berechnung, die ich aber nicht im Detail im Kopf habe. Da aber bereits ein Anwalt eingeschaltet wurde, wird der sicher rausfinden koennen, ob diesen hier entsprochen wurde oder nicht.
Ok. Das klingt als könne er die Bescheinigung zurückweisen, solange er das Gegenteil beweisen kann (wie auch immer). Wie sieht es mit der Forderung eines Sachverständgen-Gutachtens aus? Kann er das fordern, um ggf. seine (ansonsten unbewiesene) Behauptung zu belegen?
Hierbei ist immernoch sehr wichtig die "Dreiwochen Frist" bei der Klage vor dem Arbeitsgericht einzuhalten, sonst wird diese Kündigung dennoch wirksam!!!!!