Habe gehört dass wenn man beleidigt wird darf man sich körperlich wehren darf, kann ich mir nicht vorstellen; aber wenn doch wie darf man sich genau wehren?

4 Antworten

Man darf genau das und soviel tun wie "erforderlich" ist den gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff auf seine Ehre abzuwehren.

Ob das erforderlich war entscheidet hinterher ein Richter.

Zu denken ist an eine Notwehr, § 32 StGB.
"Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden."

Das Problem ist folgendes: Du darfst dich nur dann wehren, wenn eine Notwehrlage vorliegt. Dazu muss es einen gegenwärtigen und rechtswidrigen Angriff auf ein notwehrfähiges Rechtsgut geben.

Ein Angriff auf ein notwehrfähiges Rechtsgut liegt zwar vor, denn die Ehre ist ein solches Rechtsgut; und wenn die Ehre verletzt wird (durch die Beleidigung), dann ist das auch ein Angriff auf dieses Rechtsgut. Der Angriff ist auch rechtswidrig, denn es liegt wohl kein Rechtfertigungsgrund für den Angreifer vor.

Schwierig wird es bei dem Punkt gegenwärtig. Gegenwärtig ist ein Angriff nur, wenn er unmittelbar bevorsteht, gerade stattfindet oder noch fortdauert. Hat dich also jemand beleidigt, dann ist der Angriff schon vorbei. Eine "Verteidigung" dagegen wäre also nicht mehr vom Rechtfertigungsgrund der Notwehr gedeckt. Lediglich in dem Fall, wo dich jemand durchgehend beleidigt und sozusagen noch dabei ist, die Beleidigungen an den Kopf zu werfen, läge noch ein gegenwärtiger Angriff vor.

Die nächste Frage, die sich dann stellt, ist die nach der Erforderlichkeit. Erforderlich ist die Verteidigung, wenn sie a) geeignet ist, den Angriff sofort und endgültig zu beenden und b) auch das mildeste unter allen gleich geeigneten Mitteln ist.

Zu a): Natürlich wäre ein Schlag, der den anderen in Bewusstlosigkeit versetzt, geeignet, den Angriff sofort und endgültig zu beenden. Vielleicht ist auch noch eine etwas weniger "harte" körperliche Reaktion geeignet, obwohl natürlich der Angreifer, solange er noch reden kann, immer noch in der Lage, dich weiter zu beleidigen.

Zu b): Die Frage ist, ob eine körperliche Verteidigung auch das mildeste Mittel ist. Zwar musst du nicht weggehen, denn "das Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen". Es ist hier immer die Frage (die letztendlich dann das Gericht zu entscheiden hat), ob es für dich als Angegriffenen noch andere Mittel gegeben hätte, die den Angriff ebenso wirksam beendet hätten, aber milder gewesen wären, d.h. ein Mittel, das für den Angreifer ungefährlicher gewesen wäre.

Was bei der Notwehr nicht notwendig ist, ist eine Abwägung zwischen angegriffenen und verletztem Rechtsgut. Auch wenn das Rechtsgut körperliche Unversehrtheit vielleicht über dem der Ehre steht, heißt das noch nicht, dass man bei einem Angriff auf die Ehre nicht auch das Rechtsgut körperliche Unversehrtheit verletzen dürfte. Allerding hat die Rechtsprechung unter dem Kriterium der "Gebotenheit" mehrere Fallgruppen entwickelt, bei denen eine erforderliche Notwehrhandlung nicht mehr rechtmäßig ist. Eine davon ist das so genannte krasse Missverhältnis zwischen geschütztem und beeinträchtigtem Rechtsgut. Ein krasses Missverhältnis kann vorliegen, wenn dir jemand eine "harmlose" Beleidigung an den Kopf wirft und du denjenigen daraufhin (während der Angriff noch andauert, s.o.) so schlägst, dass er von da an auf eine Auge blind ist, also tatbestandsmäßig eine schwere Körperverletzung nach § 226 StGB vorliegt. Ob in einem konkreten Fall aber ein krasses Missverhältnis vorliegt, entscheidet letztendlich da Gericht.

Du siehst also, eine körperliche Verteidigung gegen eine Beleidigung ist an vielen Stellen problematisch. Um kein Risiko einzugehen, würde ich dir raten, dich in so einer Situation nicht körperlich zu "verteidigen".

Ich kann mir gut vorstellen, dass das, was du gehört hast, sich auf eine so genannte tätliche Beleidigung bezog. Wirst du Opfer einer solchen, dann sieht es wohl etwas anders aus. Eine tätliche Beleidigung ist beispielsweise ein unsittliches Berühren, ein "unter den Rock gucken", ein Anspucken, auch eine Ohrfeige kann dazugehören. Bei solchen Sachen sagt der Angreifer also nicht nur etwas, sondern wird auch noch in anderer Weise tätig. Hier ist auch das Problem nicht so groß, dass der Angriff schon vorbei ist, denn gegen solche tätlichen Beleidigungen kann man sich schon gut wehren, wenn der Angriff noch voll im Gange ist. Dann liegt also eine Notwehrlage vor und auch bei der Erforderlichkeit wird man in der Regel keine Probleme mehr haben.

Sollte also so eine tätliche Beleidigung vorliegen, dann wird das Eingreifen des Rechtfertigungsgrundes der Notwehr um einiges wahrscheinlicher.

Interesierter  14.03.2016, 20:00

Abseits der Rechtstheorie möchte ich noch auf einen weiteren Umstand hinweisen: Wer sich körperlich gegen eine Beleidigung wehrt, wird mit einer entsprechenden Gegenreaktion seines Gegenübers rechnen müssen. 

Jemandem auf eine Beleidigung hin eine Ohrfeige zu verpassen, damit man dann von diesem die Schneidezähne eingeschlagen bekommt, weil er 25 cm grösser und 30 kg schwerer ist, könnte sich am Ende als schlechten Einfall herausstellen, selbst wenn diese Ohrfeige rechtlich nicht zu beanstanden wäre. 

Friedel1848  14.03.2016, 20:03
@Interesierter

Das ist natürlich richtig ^^

Manchmal ist das rechtliche Dürfen nicht ganz so übereinstimmend mit dem tatsächlich Sinnvollen :D

In der Rechtstheorie ist das bedingt richtig, aber wie stellst du dir das praktisch vor. 

Berufen könntest du dich auf § 34 STGB Rechtfertigender Notstand. Wie eine körperliche Abwehr, die der Abwägung der gegenseitigen Interessen standhält, aussehen soll, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. 

Daher wirst du mit Problemen rechnen müssen, wenn du jemandem, der dich beleidigt, eine reinhaust. 

kayo1548  14.03.2016, 00:39

Wieso nicht auf Notwehr?

Die Ehre ist ein individualrechtsgut und damit prinzipiell notwehrfähig.

Bei Notwehr muss auch keine Interessensabwägung getroffen werden.

Aber auch hier ist das so eine Sache ob der Angriff noch gegenwärtig ist und auch ob das Mittel geeignet ist diesen abzuwenden.

Praktisch würde ich da insgesamt also auch eher vorsichtig sein.

Interesierter  14.03.2016, 12:22
@kayo1548

"Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen
gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen
abzuwenden." (Auszug aus § 32 StGB

Wenn du beleidigt wirst, hast du sicherlich immer Schwierigkeiten, die Erforderlichkeit einer körperlichen Reaktion nachzuweisen.

Du wirst dir immer vorwerfen lassen müssen, deine Handlung sei keine Abwehr sondern Rache gewesen, die selbstverständlich auch nicht durch Notwehr gedeckt wird.

AalFred2  14.03.2016, 12:32
@Interesierter

Wie sähe denn deine Verteidigung gegen eine fortgesetzte Beleidigung im Rahmen der Notwehr aus?

Interesierter  14.03.2016, 12:38
@AalFred2

Gefragt wurde nach Beleidigung und nicht nach fortgesetzter Beleidigung!

Daraus ergibt sich die nächste Frage: Was passiert, wenn der Beleidigte sich körperlich wehrt und dem Beleidiger eine reinhaut, dieser sich gegen diesen Angriff zur Wehr setzt und dem Beleidigten mal kurzerhand ein paar Zähne einschlägt?

Bei jeder Reaktion, die man sich ausdenkt, sollte man auch an die Folgen denken. Und wer darüber nachdenkt, sich körperlich zu wehren, sollte seinem Gegenüber nicht unterlegen sein.

AalFred2  14.03.2016, 12:57
@Interesierter

Dauert die Beleidigung nicht an, kann man sich nicht wehren.

Die restlichen Absätze haben mit der Rechtslage nun mal so gar nichts zu tun. Insofern weiss ich nicht, was du damit sagen willst.

Interesierter  14.03.2016, 13:02
@AalFred2

Ich wollte damit die Frage stellen, ob eine körperliche Auseinandersetzung für den Beleidigten die richtige Wahl wäre, wenn er körperlich unterlegen ist oder ob er nicht besser beraten wäre, auf körperliche Gegenwehr zu verzichten.

Es ist davon auszugehen, dass der Beleidiger sich diese körperliche Züchtigung nicht ohne Gegenwehr gefallen lassen wird und der Beleidigte letztlich auch körperlich den Kürzeren ziehen könnte.

AalFred2  14.03.2016, 13:18
@Interesierter

Achso, in deiner Frage steht also "sollte man sich körperlich wehren". Komisch, bei mir steht "darf man sich körperlich wehren"

Interesierter  14.03.2016, 19:55
@AalFred2

Wenn du meinen Kommentar aufmerksam liest, wird dir auffallen, dass ich diese Frage in den Raum gestellt habe. Ich wollte damit einfach die Sinnhaftigkeit eines solchen Unterfangens hinterfragen. 

Nur weil es erlaubt ist, ist es noch lange keine gute Idee, es auch wirklich zu tun, denn jede Aktion erzeugt eine Reaktion.

kayo1548  14.03.2016, 21:31
@Interesierter

"Gefragt wurde nach Beleidigung und nicht nach fortgesetzter Beleidigung!"

das Problem hätte man dann aber ja auch beim Notstand; auch hier muss die Gefahr gegenwärtig sein

" Und wer darüber nachdenkt, sich körperlich zu wehren, sollte seinem Gegenüber nicht unterlegen sein."

Rein praktisch, also jetzt mal weg von der rein juristischen Ebene, würde ich das auch nicht so handhaben, da es oftmals mehr schadet als nützt und mir persönlich das auch nicht wert wäre.

Trotz allem finde ich die gesetzliche Situation sehr sinnvoll.

Wenn man nichts von der Sache versteht, muss man sich nicht äussern.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung