Meinung des Tages: Welche Reaktion sollte auf die jüngsten Angriffe auf Politiker folgen?
Nach dem Angriff auf einen SPD-Europapolitiker vom Wochenende werden die Rufe nach härteren Strafen und besseren Schutz für Politiker laut. Doch die Frage ist: Welche Reaktionen sollten nun folgen?
Angriff auf SPD-Politiker
Wenige Wochen vor der Europawahl scheint sich die politische Stimmung im Land sukzessive aufzuheizen. Vor wenigen Tagen wurden zwei Grünen-Politiker in Essen angepöbelt und tätlich angegriffen. In Niedersachsen haben Vermummte einen AfD-Landtagsabgeordneten an seinem Infostand attackiert und geschlagen. Der traurige Höhepunkt der jüngsten politisch motivierten Gewalt jedoch wurde am Freitagabend erreicht: Hier haben vier junge Männer den SPD-Europaabgeordneten Matthias Ecke beim Aufhängen von Wahlplakaten in Dresden angegriffen und krankenhausreif geschlagen. Ecke hat einen Bruch des Jochbeins sowie zahlreiche Hämatome erlitten und musste gestern operiert werden.
In der Nacht zum Sonntag hat sich ein möglicher Tatverdächtiger der Polizei gestellt; der 17-Jährige hat dem LKA-Sachsen zufolge gestanden, den SPD-Politiker attackiert zu haben. Nach den drei anderen Tatverdächtigen wird weiterhin gesucht.
Reaktionen aus der Politik
Der Angriff auf Matthias Ecke wurde bereits kurz nach Bekanntwerden der Tat von sämtlichen Politikern parteiübergreifend verurteilt. Sowohl seitens von SPD, Union, Grünen, FDP und AfD verwies man darauf, dass die Anwendung von Gewalt - egal, wie weit sich die politischen Überzeugungen unterscheiden mögen - niemals toleriert werden dürfte. Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer forderte in der gestrigen Sendung bei Caren Miosga wesentlich härtere Strafen für vergleichbare Straftaten. Ihm zufolge müsse der Rechtsstaat politisch motivierten Straftätern klare Grenzen aufzeigen.
Zudem wurde bei einigen Politikern der Ruf nach besserem Schutz bei Wahlkampfveranstaltungen laut. Dass (Kommunal-)Politiker inzwischen selbst fernab des Wahlkampfs immer öfter bedrängt, beleidigt und bedroht werden, sei in einer demokratischen und zivilisierten Gesellschaft nicht länger hinnehmbar.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat für den morgigen Dienstag eine Sonderkonferenz angekündigt, in der sich Bund und Länder über die zunehmende Gewalt gegenüber von Politikern beraten wollen.
Verstärkt die AfD das politisch-vergiftete Klima?
Sowohl in Dresden als auch in Berlin sind am gestrigen Sonntag mehrere Tausend Menschen spontan auf die Straße gegangen, um für Demokratie und gegen Hass, Hetze und Gewalt zu demonstrieren. Den Demonstrationen haben sich einige Spitzenpolitiker wie Hendrik Wüst, Ricarda Lang, Lars Klingbeil oder Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt angeschlossen.
Für die ebenfalls teilnehmende SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken besitzt insbesondere die AfD einen essenziellen Anteil an der zunehmenden Verrohung politischer Diskurse und der damit einhergehenden gestiegenen Aggressivität. Sie verwies darauf, "dass diese Gewaltbereitschaft nicht vom Himmel" gefallen sei. Vor allem im Internet lässt sich seit Jahren beobachten, dass politische Diskussionen selten noch konstruktiv, sondern vielfach feindselig geführt werden.
Instagram blendet politische Beiträge aus
Seit einiger Zeit steht der Konzern Meta hinsichtlich der Rolle seiner Plattformen Facebook und Instagram bei der politischen Willensbildung in der Kritik: So wird Meta nicht nur vorgeworfen, weiterhin zu wenig gegen Hass- und Desinformationspostings zu unternehmen, sondern der hiesige Algorithmus der Kanäle trage darüber hinaus immens zur Begünstigung von Extrempositionen bei.
Meta hat sich dem Problem nun auf eine recht eigene Art und Weise angenommen: Politische Inhalte werden nur noch auf Nutzerwunsch empfohlen. Betroffen sind allerdings ausschließlich politische Inhalte von Accounts, denen man nicht ohnehin folgt. Weiterhin lässt Meta offen, wie genau politische und unpolitische Inhalte überhaupt ausgewählt werden.
Unsere Fragen an Euch:
- Welche Reaktion erwartet Ihr nach den jüngsten Ereignissen von der Politik?
- Sollten Angriffe auf Politiker härter bestraft werden?
- Welche Maßnahmen zum Schutz von Politikern wären angebracht?
- Wie kann eine gesunde Diskussions- und Streitkultur analog und im Netz wiederhergestellt werden?
- Sollte das Internet / Social Media ein Stück weit entpolitisiert werden?
- Wäre die Deaktivierung der Kommentarfunktion unter politischen Posts sinnvoll?
Wir freuen uns auf Eure Antworten.
Viele Grüße
Euer gutefrage Team
Quellen:
https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/angriff-dresden-demo-100.html
https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/miosga-angriff-spd-politiker-dresden-100.html
https://www.sueddeutsche.de/politik/wahlkampf-gewalt-politiker-afd-1.6946787
https://www.zeit.de/politik/deutschland/2024-05/spd-politiker-angriff-europawahl-gewalt
https://www.zeit.de/politik/deutschland/2024-05/reaktionen-angriff-mathias-ecke-nancy-faser
37 Antworten
Unsere Fragen an Euch:
- Welche Reaktion erwartet Ihr nach den jüngsten Ereignissen von der Politik?
- Sollten Angriffe auf Politiker härter bestraft werden?
- Welche Maßnahmen zum Schutz von Politikern wären angebracht?
- Wie kann eine gesunde Diskussions- und Streitkultur analog und im Netz wiederhergestellt werden?
- Sollte das Internet / Social Media ein Stück weit entpolitisiert werden?
- Wäre die Deaktivierung der Kommentarfunktion unter politischen Posts sinnvoll?
Zu 1.) Ich erwarte eine politische Aufarbeitung mit möglichst viel Transparenz, aktuell natürlich schwierig, da laufende Ermittlungsverfahren nicht zu transparent sein können. Einen gemeinsamen Schulterschluss gegen die Gewalt finde ich schon mal ein gutes Zeichen. Die Parteien müssen jedoch auch in die Köpfe ihrer Wähler bringen, dass Gewalt keine Lösung ist, aufgeheizt haben sie die Bevölkerung ja genug...
Zu 2.) Angriffe jeglicher Art auf andere Menschen sollten schärfer bestraft werden, Politiker sind auch nur Menschen, da würde ich kein zweites Maß setzen.
Zu 3.) Polizeischutz wird wohl nötig sein, traurig aber wahr... Persönliche Schutzmaßnahmen wie Bodyguards könnten auch helfen.
Zu 4.) Das ist DIE Frage, beschäftigt mich selbst schon lange. Das wird sehr schwierig und bedarf erst mal einer "Abkühlung" und vermutlich auch einer persönlichen Verfolgung von Hass und Hetze im Netz, die deutlich feiner durchgeführt werden muss, mit schmerzhaften Bestrafungen für die, die sich nicht an Regeln halten können.
Zu 5.) Nein, finde ich nicht. Politik gehört diskutiert, damit sie lebt und die heutige Welt läuft über die sozialen Medien. Ich finde nur, man muss die Inhalte besser im Auge haben und Hass und Hetze gleich ausbremsen.
Zu 6.) Teils ja, Teils nein. Klar, es sorgt für Ruhe, aber dann geht der Stress wo anders los, teilweise ohne exakten Bezug zum Originalposting und alles verzieht sich in "geheime Grüppchen". Besser moderiert, Hass und Hetze auch im Netz verfolgt und die Leute persönlich dafür verantwortlich gemacht.
Für einen Spitzenkandidaten ist das ja noch vorstellbar, aber man kann ja nicht jeden Plakatkleber mit Polizeischutz ausstatten.
Höhere Strafen und mehr Personenschutz mögen die naheliegendste Antwort sein, sind aber keine zielführende Lösung. Gerade dadurch kann sich das ohnehin schon angespannte Klima weiter hochschaukeln.
Die Politiker würden dadurch autoritärer wirken und sich weiter von der Bevölkerung entfernen.
Ich würde es für sinnvoll halten, wenn die Parteien sich beim Wahlkampf vielleicht in Zukunft auch ein bisschen zurückhalten würden, gerade was Öffentliche Plakate angeht. Die sehr großen Plakate an irgendwelchen Verkehrskreuzungen haben doch in den letzten Jahren ganz schön zugenommen.
Die größte Gefahr für Politiker geht meiner Meinung nach von verwirrten Einzelpersonen und radikalen Minderheiten aus, am naheliegensten wäre es daher solche Personen stärker zu beobachten.
Die brauchen keinen Personenschutz ! Viele von denen brauche sich eh nicht wundern...
Ich bin der Meinung verfolgt und oder bestraft gehört es wie jeder andere Angriff auf einen anderen Menschen auch. Politiker sind nicht besser oder wichtiger, als jeder andere auch.
Natürlich soll, darf und kann darüber auch ausführlicher berichtet werden. immerhin handelt es sich ja um Personen öffentlichen Intresses.
Vielleicht ist das alles etwas unglücklich ausgedrückt. Natürlich stimme ich dir zu, dass es kontraproduktiv ist, wenn die 4 Buchstaben Zeitung berichtet, dass Max Mustermann aus Beispielstaddt dem Olaf Scholz ein Ei an die Birne geworfen hat. Aber ich denke, wenn man berichtet, dass "ein unbekannter" ein Ei geworfen hat, ist das schon gut und richtig. schon alleine um unsern freund Max mit seiner Geltungssucht ggf. aus der Versenkung zu locken.
bei die dümmsten Gauner der Welt war mal so ein lustiger fall, wo ein Räuber unbedingt meinte, die Pressemitteilungen korregieren zu müssen, weil da der falsche Betrag genannt war. und auf diese weise wurden sie ihm habhaft.
Mit Rampenlicht meine ich den Politiker in diesem Fall. Er muss ja nicht in die Politik. Wenn doch, dann muss er damit rechnen und sollte sich nicht beklagen.
Was die politische Debattenkultur im Netz angeht, stinkt der Fisch vom Kopf.
Hier ist, in meinen Augen, u.a. die Politik selbst in der Verantwortung, welche diesbezüglich auch eine entsprechende Vorbildfunktion innehaben sollte. Mitunter sind es deren Protagonisten, die mit teils fragwürdigen Aussagen oder arrogantem, bevormundend-belehrendem Gebaren Unmut schüren und die Spirale der gegenseitigen Aufstachelung mit antreiben. Das der Diskurs (von beiden Seiten) vergiftet ist, sieht man wohl selbst aus angrenzenden Paralleluniversen. Es sollte daher dringend wieder vermehrt von der emotionalen auf die sachliche Ebene gewechselt werden. Debatten statt Brandmauern. Wie ich meine, muss das aber von ganz oben vorgelebt werden, damit ein spürbarer Effekt erzielt werden kann. Man sollte sich natürlich unbedingt auch im Kleinen darum bemühen.
Dennoch muss man sich darüber im Klaren sein, dass man (speziell) Social Media in Zeiten, in denen praktisch alle Lebensbereiche bis ins Private hinein von politischen Themen durchdrungen sind, nicht einfach so mir nichts dir nichts "entpolitisiert" bekommt. Wenn überhaupt wird das ein sehr langwieriger, gesellschaftlicher Prozess - im echten Leben, nicht online. Weitere staatliche Restriktionen im Netz, lehne ich aber entschieden ab. Sanktionsbewehrte Aussagen werden auch heute schon verfolgt. Von der Idee, auch nicht-justiziable Inhalte zu canceln, bin ich wahrlich kein Freund.
Und nein, Angriffe auf Politiker sollten nicht härter bestraft werden. Ein Messen mit zweierlei Maß darf und soll es nicht geben. Es trüge sicherlich auch nicht zur Entspannung der bemängelten Situation bei.
Oh, und bevor jetzt wieder der nächste Klugdefäkierer um die Ecke walzt: Natürlich ist körperliche Gewalt entschieden abzulehnen und die Schuld grundsätzlich zuerst beim Aggressor zu suchen. Mir geht es aber hier nicht um derlei Taten als Konsequenz eines möglichen Verhaltens, sondern um Prävention ebendieser Taten.
Ich beginne mal von hinten:
Die Deaktivierung der Kommentarfunktion wäre grundfalsch. Da so unglaublich viele rechtspopulistische Propagandafragen und Antworten nicht gelöscht werden, ist kommentieren meistens die einzige Möglichkeit offensichtliche Lügen richtigzustellen und manchmal sogar den Antworter davon zu überzeugen, dass er die Unwahrheit glaubt und selbst einer Lüge aufgesessen ist.
Die aktuelle Entwicklung im Fall Ecke lässt nicht auf hohe Strafen hoffen, da die Täter alle zwischen 17 und 18 Jahren alt sind, und damit wohl nach Jugendstrafrecht verurteilt werden.
Es soll in Dresden jetzt aber bessere "Raumdeckung" durch die Polizei geben. Jeden einzelnen Wahlkampfhelfer könne man nicht schützen, wie DER SPIEGEL soeben in dieser Eilmeldung schreibt:
Was die Politik und vor allem wir machen können sind Demonstrationen wie im Winter.
Gestern haben schon 3000 Menschen spontan in Dresden demonstriert um zu zeigen, dass sich Demokraten von SA-Methoden nicht einschüchtern lassen. Das sollte eine bundesweite Bewegung werden.
Und natürlich kann jeder Einzelne von uns Zivilcourage zeigen, wenn er Angriffe auf Wahlkampfhelfer direkt mitbekommt. Zumindest die 110 wählen.
Die Frage ist, wer das bezahlt. Wenn ich z. B. mein Haus sicherer mache, zahle ich das selbst.