Warum schimpfen viele der ehemaligen DDR über die Menschen der BRD?

13 Antworten

Den Westdeutschen ging es nach dem Krieg relativ gut, und sie hielten das für ihr eigenes Verdienst. Durch Arbeit konnte man lange Zeit durchaus zu Wohlstand kommen. Die DDR-Bürger wollten das auch haben (und vor allem wollten wir die Stasi los sein und reisen können) und gingen deshalb auf die Straße. Zum Schluss wurde uns jedoch ein fremdes System übergestülpt und die meisten ostdeutschen Lebensläufe wurden entwertet. Die Chance, uns den gleichen Wohlstand zu erarbeiten, wurde durch die Massenentlassungen nach der Übernahme vereitelt. Nun war unsere Wirtschaft größtenteils marode, aber im Osten wurden nur wenige neue Arbeitsplätze geschaffen. Dadurch erfolgte eine Abwanderung vor allem jüngerer Leute in den Westen oder ins Ausland. Hinzu kam, dass es im Osten kaum große Vermögen gab, da der Staat dies lange Zeit verhindert hatte. Grundstücke wurden enteignet, Mietshäuser durch festgeschriebene niedrige Mieten unrentabel, Spekulationen mit Aktien u, ä. gab es nicht.

Dadurch konnten sich Westdeutsche nach der Wende in den Osten einkaufen, was zwar dazu führte, dass der Zerfall der Innenstädte gestoppt wurde. Andererseits wurden die Mieten dadurch für viele unbezahlbar. Gemeingut - wie Gewässer - wurden privatisiert. Ich bin vor Jahren mal am Glienicker See entlanggegangen. Damals war der Uferweg noch durchgehend, aber an einer Villa befanden sich zahlreiche Kameras und der Zaun war mit Stacheldraht bestückt - wie bei einem Hochsicherheitsgefängnis. Später sperrten einige Anwohner den Weg auf ihrem Grundstück mit Zäunen ab. Inzwischen mussten sie ihn wohl nach einem Gerichtsbeschluss wieder freigeben.

Das war der Unterschied: Im Osten zählte im kollektiven Gedächtnis das Gemeinwohl, im Westen die Einzelkämpfer, und Fairness war dabei nicht unbedingt notwendig. Und immer noch bilden sich viele Westdeutsche auf ihren Wohlstand etwas ein, obwohl sie nach Kriegsende einfach mehr Glück hatten oder einfach reich geerbt haben. Und sie schauen auf die Ossis herab. Die Ossis rächen sich, indem sie die Wessis als geldgierig, arrogant und empathielos bezeichnen.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Rendric  21.04.2022, 11:00

schön beschrieben.

Erlebe es, dass gerade Frauen mit dem neuen System verloren hatten. Ostdeutsche Frauen waren oftmals berufstätig und hatten Kinder. Mit dem Westdeutschen Rentensystem und den gesellschaftlichen Vorurteilen hatten sie dennoch verloren.

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Claud18  23.07.2022, 15:45
@Rendric

Da hast du recht. Die Frauen wurden als erste entlassen und sollten nach Kohls Willen zurück an den heimischen Herd. Das hat aber nicht ganz geklappt, und auch die Kinderbetreuungsplätze wurden zum Glück nicht auf westdeutsches Niveau zurückgefahren.

Was die Rente angeht, da hatten Frauen aus dem Osten durchaus Vorteile gegenüber westdeutschen Frauen, da sie ihr Leben lang gearbeitet hatten. Das betraf aber nur jene, die in den 90er Jahren in Rente gingen.

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Kunstschlosser  21.04.2022, 19:47

Hallo Claud

du hast es in anbetracht der reichen West Bevölkerung so alles schön richtig beschrieben. Nach und nach erfuhr ich wie West Unternehmen, sich in der unter- gegangenen DDR billig "eingekauft" haben.

Es waren aber nicht nur West Deutsche, sondern auch Leute aus der ganzen Welt ! Eingekauft wurde nun ehemaliges Gemeinschaftseigentum. Alles was man sich vorstellen kann, wurde verhöckert. LPG Traktoren oder Landmaschinen mit voller Funktion, gingen für weniger als 10,- Deutsch Mark pro Fahrzeug weg.

🚗.Die kleineren privaten Leute, aber auch die Gewerbetreibenden aus dem ✨Bereich Auto billig gekauft, etwas hübsch gemacht und an den Mann oder Frau gebracht.✨ Oldtimer aus der DDR waren dummer Weise, noch nicht besonders gefragt. Vieles vom Simson Moped bis zum Moskwitsch Auto wurde fälschlicherweise größtenteils fast verschenkt oder sogar leider verschrottet. Lebensversicherungen ua. wurden aufgedrängt. Der Zorn begann nach wenigen Monaten ... nach wenigen Jahren kam der volle Zorn.

Ich gebe euch Recht ! .. Gruß von Mirco aus West Deutschland

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Bananaphone0  14.02.2023, 13:35

selten so einen Humbug gelesen

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Claud18  14.02.2023, 15:03
@Bananaphone0

Und was ist dabei Humbug? Ich habe es hautnah miterlebt, du aber offenbar nicht, sonst würdest du es wissen. Du solltest nicht die heutige Situation, wo man viele Fehler der 90er Jahre einsieht und manches zurückfährt, mit der damaligen Zeit verwechseln.

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schimpfen und/oder hassen sind nicht die richtigen Begriffe.
Nach dem 2. Weltkrieg waren die Lebenswege der Menschen in Deutschland doch recht unterschiedlich. Mit der Wiedervereinigung, die aber mehr eine Übernahme der DDR-Bevölkerung war, wurde denen auch gezeigt, dass sie die Verlierer der Geschichte sind. So wurden praktisch alle DDR-Betriebe aufgelöst, Führungskräfte mit der Begründung SED-Mitglied abgelöst. Nach persönlicher Schuld (woran eigentlich) wurde nicht gefragt. (Erinnert das nicht an die Angst der Ukrainer, wenn Russen die Ukraine "übernehmen" würden?)

Es ist sicher nicht einfach, mit den bisherigen Menschen plötzlich nach ganz andere Regeln und Gesetzten zu arbeiten. Wurde auch nicht gemacht. Es kamen überall neue Leute aus dem Westen. (in der Sprache der Ukrainer sicher Besatzer)
Den Menschen wurde auch ständig eingeredet mit der Ablösung wären ihre Peiniger endlich weg.
Die Peiniger waren aber ihre Nachbarn im Wohnhaus, in einer Gartenanlage, .... , denn die Lebensverhältnisse zwischen Arbeitern, Angestellten und Chefs waren minimal. Wer konnte und kann verstehen, dass die Person, die ihr Vorgesetzter oder Vorgesetzte war und den/die sie geschätzt haben, mit der Begründung "staatsnah" arbeitslos wurde?

Ist es da ein Wunder, das das nicht als freundlicher Akt, auch wenn er gut gemeint war, gilt.
Viele DDR-Bürger fühlten und fühlen sich als Menschen 2. Klasse. So wird noch heute, also nach mehr als 30 Jahren bei der Rente nach Rentenpunkten (für richtige Deutsche) und Rentenpunkten-Ost (eben für die 2. Klasse) unterschieden.

Wie überall gab es natürlich auch in DDR-Betrieben und anderen Organen echte Stinkstiefel. Das war aber sicher nicht die Masse.
Auch hatte der "normale" DDR-Bürger nichts mit der Stasi zu tun. Im Fernsehen wird, wenn es um den Osten geht, keine Sendung ohne einen ganz bösen Stasi-Offizier ablaufen. Endlich ist der Ossi jetzt dankbar, sein Leben erklärt zu bekommen.
Viele lachen drüber, schalten den Fernseher aus, andere schimpfen und es verstärkt (jetzt nenne ich es doch so ) Hass auf die, die das immer wieder den Ossis vorhalten.

Wie einige schon geschrieben haben, beruht das auf Gegenseitigkeit. Die Mauer ist zwar gefallen aber die Mauer in den Köpfen, gerade in denen der älteren Jahrgänge, bleibt bestehen und die geben die Vorurteile natürlich teilweise an die jüngeren Generationen weiter.

Ich habe eine Zeit lang im Osten und eine Zeit lang im Westen gewohnt. Wenn diese Thema aufkam, hieß es im Osten, die wessis seien Regierungstreue, hochnäsige, erzkapitalistische USA kuschler. Andersrum hieß es im Westen, die ossis seien undankbare schnorrer, die der DDR hinterhertrauern und ganz allgemein irgendwie komisch sind.

Bis zur tatsächlichen Wiedervereinigung werden noch einige Jahrzehnte vergehen.

LG.


Dahika  21.04.2022, 12:41

ich wollte die nie;: die Wiedervereinigung,

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Zwitscherling  21.04.2022, 13:03
@Dahika

Und doch sind wir es. Und das wollten die meisten. Und die meisten wollen das auch beibehalten. Laut Umfrage von 2019 wollen nur 19% der Menschen die Mauer zurück.

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Es liegt daran, dass die Menschen durch die Teilung anders sozialisiert wurden. Auch könnte die Mentalität eine Roller spielen. Die wäre aber zwischen Nord und Süd auch ein unterschied. Wer mehr über den anderen schimpft lässt sich aber denke ich gar nicht so eindeutig sagen. (bin selbst Ostler)

Weil ihnen die westlichen und kapitalistischen Werte nicht gefallen.

Ist andersherum genauso. Die Leute der BRD schimpfen manchmal auch über die Menschen der DDR, Planwirtschaft und Kommunismus etc.

Kommis vs Kapis leider :)