Erdgas als Sprengstoff?


01.01.2023, 13:33

oder bei Fliegerbomben?

9 Antworten

Von Experte LeBonyt bestätigt
Wieso wird nicht einfach Erdgas als Sprengstoff verwendet.

Weil die Sprengkraft für das Packungsvolumen zu klein ist.

Nimm' eine einfache 500 Pfund Mark 82 Bombe. Die ist gute 2,20 m lang und hat einen Durchmesser von 27 cm. Die Wand aus Stahl ist ziemlich dick, der Zünder braucht auch seinen Platz, am Ende bleibt im Inneren des Bombenkörpers ca. 55 Liter Volumen für 89 kg TNT.

Wenn du stattdessen Methan mit 500 bar Überdruck einfüllst, ist das nichtmal 18 kg Erdgas. Diese Masse kann nicht annähernd die gleiche Sprengkraft entwickeln wie 89 kg TNT. Sondern du bekommst vielleicht die gleiche Sprengkraft wie 10 kg TNT. Warum sollte man das wollen?

Außerdem ist reines Erdgas ja nicht zündfähig. Es muss erst mit Luft vermischt werden, die obere Explosionsgrenze liegt bei 16,5 %. Also musst du das Erdgas aus deiner Bombe mit mindestens 170 m³ Luft vermischen. Das dauert eine Weile und natürlich muss diese Luft in der Umgebung erstmal vorhanden sein. Sowas wie eine bunkerbrechende Bombe oder eine Bombe, die einen Krater in den Boden sprengen soll, funktioniert damit nicht.

Außerdem ist Gas im Handling tricky. Munition darf nicht explodieren, wenn sie mal von einem Regal fällt oder eine Gewehrkugel abbekommt. Mit entsprechenden modernen Sprengstoffen kein Problem. Aber konstruiere mal einen Gasbehälter, der das zuverlässig mitmacht.

Wäre doch günstiger als Schwarzpulver bei Panzerfaust, Bomben für die Bundeswehr usw.?
  1. Schwarzpulver wird nicht als Explosivstoff bei Granaten, Bomben o.ä. verwendet. Zu wenig Sprengkraft und zu unsicher im Handling.
  2. Der Explosivstoff in der Munition ist ein lächerlich kleiner Kostenfaktor... Ob du bei einer Panzerfaust-Granate für 500 € jetzt am Sprengstoff 5 € sparen könntest, ist ziemlich wurscht. Und vollkommen dämlich, wenn du damit die Wirksamkeit beeinträchtigst.
  3. Habe ich so meine Zweifel, ob ein Gastank, der Gas unter einem ordentlichen Druck speichern und dabei auch mechanische Misshandlung wegstecken kann, wirklich günstiger käme als eine simple Blechdose mit 08/15-Industriesprengstoff. Vergiss' nicht, dass der gleiche Sprengstoff, der in Munition verwendet wird, auch in hunderttausenden Tonnen pro Jahr im Bergbau eingesetzt wird. Das ist keine fancy Spezialentwicklung.

sauidha4ssa3 
Fragesteller
 01.01.2023, 14:33

Danke für deine tolle Antwort! Wie ist denn die Zerstörung einer 500 Pfund Mark 82 Bombe am Boden? Welche Radius ca. und welche Ziele haben die Militärs damit? Panzer zu zerstören?

1
RedPanther  01.01.2023, 14:56
@sauidha4ssa3

Schau mal dieses Video an. Mit solchen Bomben werden eher einfache Gebäude oder Flächenziele angegriffen, also sowas wie "irgendwo in dem Gebüsch sitzen sie" oder ein Materiallager im Wald. Ohne Präzisionszielsystem kann so eine Bombe auch mal 20 m neben dem eigentlichen Ziel landen, das könnte ein Panzer dann schon überstehen. Keine Ahnung, ob es nach dem Motto "einen Versuch ist's wert" trotzdem gemacht wird.

Aber mit Zielsystem (das bei den Mk80'ern einfach nachgerüstet werden kann) gehts so auf 3-4 m genau. 89 kg TNT nur 4 m neben einem Panzer... der ist dann Matsch. Kann man also machen.

2
segler1968  01.01.2023, 15:14
@sauidha4ssa3

Vielleicht als Ergänzung zu der Antwort von RedPanther: Man kann Panzer natürlich durch rohe Gewalt wie einer Mk82 zerstören. Aber das ist ineffizient. Ein Jagdflugzeug kann ja nur ganz wenige davon mitnehmen. Daher werden eher Hohlladungsgeschosse (Panzerfaust, Panzerabwehrraketen) oder Wuchtmunition (A10 Thunderbolt) genommen. Bis zum 2.WK gab es auch noch Panzerbüchsen wie das legendäre https://de.wikipedia.org/wiki/Lahti_L-39

1
sauidha4ssa3 
Fragesteller
 01.01.2023, 15:17
@RedPanther

"Also musst du das Erdgas aus deiner Bombe mit mindestens 170 m³ Luft vermischen. Das dauert eine Weile und natürlich muss diese Luft in der Umgebung erstmal vorhanden sein."

Was meinst du mit das dauert eine Weile. Das ist doch dann unmöglich oder? 170 m³ .. Da müsste das Gas ja erstmal stundenlang ausströmen.

0
RedPanther  01.01.2023, 15:33
@segler1968
Man kann Panzer natürlich durch rohe Gewalt wie einer Mk82 zerstören. Aber das ist ineffizient.

Oh, kostenmäßig ist das eig sehr effizient. Eine Mk. 82 kostet 2000 USD, eine Brimstone 100.000 USD... Eine F-16 kann 12 Bomben tragen, eine F-15E sogar 24 Stück.

Wenn man denn die dafür nötige Luftüberlegenheit hat.

1
RedPanther  01.01.2023, 15:39
@sauidha4ssa3

Es gibt Aerosolbomben bzw. "thermobare Bomben", die genau nach dem Prinzip funktionieren. Das Gas wird nicht nur aus einem kleinen Loch ausströmen gelassen, sondern im Grunde platzt die Bombenhülle komplett. Bis sich das Gas dann mit der Luft vermischt hat, ist bei freier Umgebung (!) eine Sache von 5-10 Sekunden. Solche Bomben werden an Fallschirmen abgelassen, das reicht dann für eine ordentliche heiße Verpuffung überm Boden. Die macht nicht viel Material kaputt, ist aber bestens geeignet um Menschen zu töten.

Nur wenn deine Bombe auf einen Boden aufschlägt und vielleicht mit etwas Erde oder Schutt begraben wird, wird die Sache unkalkulierbar und unzuverlässig.

1
sauidha4ssa3 
Fragesteller
 02.01.2023, 13:46
@RedPanther

Wieso ich sie nochmal einstelle? Naja mache das immer so :) Aber du hast ja den Stern :D

0
sauidha4ssa3 
Fragesteller
 22.11.2023, 14:40
@RedPanther

Und bei Wasserstoff wäre es ähnlich ? Sprengkraft wie 10kg TNT wie beim Erdgas?

0
RedPanther  22.11.2023, 15:40
@sauidha4ssa3

Ja. Und hast du mal geschaut, welches Volumen 3,7 kg Wasserstoff haben?

Beziehungsweise, solltest du ihn flüssig transportieren wollen, wie du ihn vor der Zündung verdampfst und in der Umgebung verteilst, aber so dass dass Mischungsverhältnis immer passt, egal ob deine Bombe in einem Bunker oder auf einer windigen Wiese landet?

0

Eine erstaunlich gute Frage, auf die es mehrere gute Antworten gibt! Hier einmal zwei:

Erstens: Erdgas ist eigentlich kein besonders guter Sprengstoff. Erdgas brennt gut, explodiert aber, anders als man vielleicht vermuten würde, eher schlecht. Grund: Damit ein Stoff ein guter Sprengstoff ist, muss er in sehr kurzer Zeit große Energiemengen freisetzen, klassischerweise durch starke Gasentwicklung und Freiwerden von Wärme. Erdgas kann Wärme freisetzen, aber es ist bereits ein Gas; zündet man es an, entstehen zwar wieder Gase, das reicht aber nicht. Die besten Sprengstoffe sind energiereich und fest.

Zweitens: Erdgas, in seiner Eigenschaft als Gas, ist äußerst mies als Sprengstoff zu handhaben; im Gegensatz zu Feststoffen kann man ein Gas schließlich nicht einfach mit einem Kunststoff verrühren und in Geschosse füllen. Kurzum, Erdgas wie einen Sprengstoff zu verwenden wäre in der Praxis einfach viel zu umständlich.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

Erdgas ist nicht explosiv. Erdgas-Luft-Mischungen können zwar explodieren, wenn sich das Mischungsverhältnis zwischen der UEG und der OEG befindet. Aber das Verhältnis von Volumen zur freigesetzten Energie ist extrem schlecht und die Explosionsgeschwindigkeit ist viel zu gering.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

Die volumetrische Energiedichte ist einfach zu niedrig, dazu fehlt noch der Sauerstoffdonator. Die Handhabung ist schlecht. Die Abbrandgeschwindigkeit ist nicht gut steuerbar und kannn nicht an die Bedürfnisse angepasst werde.

Sowas wie eine Tandemhohlladung würdest Du mt Gas kaum kontrolliert mit exaktem Timing gezündet bekommen.

Von Lecks und unerwünschten Zündungen wollen wir gar nicht erst anfangen. Moderne Sprengstoffe würden bei einem Schaden im schlimmsten Fall aus dem Behältnis rieseln, wenn nicht wie Semtex o.ä. gebunden.

Wenn dann der Grenadier Deine Granate mit Gas mies behandelt, sie leckt schlägt und einige Schritte entfernt einer gerade eine Kippe raucht, dann bleibt kein Auge trocken.

Schwarzpulver bei Panzerfaust, Bomben 

als Schwarzpulver militärisch verwendet wurde, gab es noch keine Panzer und keine Selbstladewaffen (für letztere hinterlässt Schwarzpulver zu viel Dreck). Captain Jack Sparrow ist kein aktuelles Vorbild für Waffentechnik.