Nun ja, zunächst ist da mal dieser Umstand, den Indecisive mit einigen Zitaten sehr anschaulich verdeutlicht hat. Es gab zu jeder Zeit immer wieder Menschen, die auf die "heutige Jugend" geschimpft haben. Davon abgesehen würde ich sagen, dass das Verhalten der jüngeren Generation grundsätzlich und maßgeblich geprägt wird vom Vorbild der "Alten". Das lässt sich bedauerlicher Weise sehr, sehr häufig nur als katastrophal respekt- und rücksichtslos bezeichnen. Dazu nur mal ein paar Beispiele aus meinen täglichen Beobachtungen:
- Hier bei uns im Wohnviertel (aber bei Weitem nicht nur hier) scheint es zum Selbstverständnis geworden zu sein, die Nachbarschaft schon morgens früh, in der Mittagszeit und/oder abends spät mit den "sanften" und "wohltuenden" Klängen von Rasenmäher, Hochdruckreiniger, Motorsäge & Co. zu erfreuen. Die mir in meiner Kindheit und Jugend von meinen Eltern vermittelte rücksichtvolle Einhaltung von Ruhezeiten scheint für viele kein Gedanke mehr zu sein.
- Unsere Nachbarn, sowohl die Jungen, als auch die Alten, haben keine Skrupel, bis in die tiefe Nacht hinein ihr Umfeld an ihren Unterhaltungen, Parties und laut schallenden Lach-Salven teilhaben zu lassen. Nachtruhe? Fehlanzeige!
- Steht man in einem Laden in einer Reihe von Wartenden an (z. B. an der Kasse, an der Wurst- oder Fleischtheke u. a.), erlebt man es mit steter Regelmäßigkeit, dass sich irgendein/e schon betagtere Dame oder Herr mit wenig diplomatischem Geschick vordrängelt. Nötigenfalls schieben sie ihre artig wartenden Mitmenschen unter dem Einsatz spitzer Ellenbogen einfach beiseite. Werden sie von einem Jugendlichen freundlich und höflich darauf angesprochen, dass sie sich doch bitte, wie jeder andere auch, hinten anstellen mögen, lautet die schroffe Antwort nicht selten: "Rotzlöffel! Was fällt dir ein?"
- Gerade jetzt, zu "Corona-Zeiten", beobachtet man des Öfteren, dass sich gerade die älteren Menschen (die wir ja alle ganz besonders schützen sollen!) sich eben nicht an die Vorgaben halten. Sie spazieren munter durch den Supermarkt und zwängen sich dicht an einem vorbei, OHNE dabei den inzwischen vorgeschriebenen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Regeln scheinen also nur für andere gemacht zu sein, nicht aber für sie.
- Bei meinen häufigen Bäckerei-Besuchen erlebe ich es nahezu immer, dass ältere Herrschaften den Laden betreten. Wenn sie dran sind, grüßen sie nicht etwa mit einem freundlichen "Guten Morgen", sondern hauen mit miesepetrigen Gesichtsausdruck heraus: "Ein Vollkornbrot!" Kein "bitte", kein "danke", sondern einfach nur eine Aufforderung, die Höflichkeit und Anstand von Anfang bis Ende vermissen lässt. Die logische, darauf folgende Reaktion der noch jungen Bäckerei-Verkäuferin auf diese unhöfliche Unfreundlichkeit ist ein ebenso unfreundlicher, weil frustrierter, Gesichtsausdruck, mit dem sie das Brot über die Ladentheke reicht. Beim Verlassen der Bäckerei echauffieren sich diese älteren Herrschaften nicht selten über die Verkäuferin mit Worten, wie z. B.: "Was für eine unfreundliche Person!"
- Wenn man Eltern im Umgang mit ihren Kindern beobachtet, lässt sich immer wieder ein beeindruckend schoffer Befehlston hören, ohne dass ein berechtigter Grund dafür erkennbar wurde. Aber wehe, das Kind wählt bei seiner Antwort eine ganz ähnliche Formulierung. Dann wird es auf der Stelle übelst gemaßregelt und böse beschimpft wegen seiner rotzigen Ausdrucksweise. Dass das Kind nur das Vorausgegangene spiegelt, nehmen diese Eltern leider nicht wahr.
Die Liste solcher Beispiele ließe sich mühelos noch fortsetzen. Um zu verdeutlichen, was ich meine, sollte es aber wohl genügen. Wenn es wirklich so sein sollte, dass die Jugend heutzutage unhöflicher und respektloser geworden sein sollte (was ich so pauschal formuliert überhaupt nicht bestätigen kann), dann könnte das Verhalten der Erwachsenen eine Erklärung dafür sein. Ein junger Mensch, dem ein solches respektloses Verhalten ständig vorgelebt wird, wird natürlich davon ausgehen, dass das "normal" ist. Dies gilt umso mehr, wenn es die Eltern sind, die dem Kind ein solches Verhalten vorleben. Denn sie sind das erste und wichtigste Vorbild, an dem sich Kinder nun einmal orientieren.
By the way... eine objektive Meinung kann es zu Deiner Fragestellung wohl gar nicht geben, denn Wahrnehmung ist immer subjektiv. So werde beispielsweise ich mit einem völlig anderen Blick darauf schauen und ganz andere Bewertungsmaßstäbe ansetzen, als es jemand tun wird, der dieser respektlosen Spezies angehört.