Was wäre die Antwort, wenn man nach dem kategorischen Imperativ handelt?

2 Antworten

Der "Kategorische Imperativ" ist tatsächlich eher ein grobes Schema für Menschen, die sich schwer tun moralische Entscheidungen für sich irgendwie zu begründen. Meist funktioniert dieses Prinzip auch nur in sehr banalen Situationen, wie z.B. dass man einen Arbeitsplatz, den mehrere Leute benutzen, nach der eigenen Arbeit so sauber und strukturiert hinterlassen sollte, wie man ihn vorgefunden hat.

Die meisten wirklich gravierenden Entscheidungen im Leben eines Menschen sind von so vielen Faktoren abhängig, dass allgemeine Faustregeln oder grundlegende moralische Prinzipien dafür nicht taugen. Hier ist der Diskurs der weit bessere Weg, d.h. dass man sorgfältig alle möglichen Argumente des für und wider aufspüren, auf ihre Relevanz hin prüfen und gewichten muss, diese mit anderen kompetenten Insideren oder auch Experten diskutieren sollte, um schließlich zu einer guten tragfähigen Entscheidung zu gelangen.

In dem von dir beschriebenen Fall wäre es z.B. extrem wichtig, wie die "Bereitschaft" von Anna, ihr Herz der Schwester zu spenden, entstanden ist. Wieviel moralischer Druck wurde z.B. durch Familienmitglieder auf sie ausgeübt? Wie sicher ist ferner die Diagnose "todkrank" bei Anna, d.h. welche Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie in einigen Wochen, Monaten oder gar Jahren vorzeitig an ihrer Krankheit sterben könnte? In der Medizin gibt es immer wieder substantielle Fortschritte, z.B. durch ein neues Medikament oder eine neue Behandlungstechnik oder auch durch die immer wieder beobachteten Spontanheilungen, die die Ärzte in Erstaunen versetzen. Ferner besteht eine große Unsicherheit, dass das Herz der Schwester überhaupt als geeignetes Spenderorgan gelten kann. Immunbiologische Differenzen auch zwischen Geschwistern sind die Regel, und folglich ist hier eine moralische Nötigung das sicher völlig falsche Leitmotiv.

Bilanz: Ein einfaches moralisches Prinzip mit seiner ganzen Fragwürdigkeit bei Anwendung auf komplexe gewichtige Lebensentscheidungen ist denkbar ungeeignet, um in diesem Fall als zielführende Leitlinie zu dienen.

Der kategorische Imperativ ist meiner Meinung nach, genauso wie der Utilitarismus ein theoretisches Gebilde, was in der Lebenspraxis kaum als Regel bei den meisten Menschen - auch Philosophen - Anwendung findet.

Ich habe mich mal mit dem kategorischen Imperativ befasst, mehr oder weniger intensiv, muss aber gestehen, dass das Wissen schon etwas verblasst ist :D

Ich würde aber sagen, das richtig eng und streng genommen, das Spenden des Herzes gegen den kategorischen Imperativ verstößt, denn sobald das Herz genommen wird, stirbt die Spenderin ja, obwohl sie ja noch weiter leben könnte. Dabei spielt es keine Rolle wie lange sie noch leben könnte. Denn im kategorischen Imperativ darf man keine Leben gegeneinander aufwiegen. Das kann kein allgemeines Gesetz werden. Aus utilitaristischer Sicht aber, wäre es geboten, das Herz zu spenden, denn hier darf mit Lebenszeit aufgewogen werden.

Wenn sie aber Tod ist, und das Herz dann genommen werden kann, weil es noch intakt ist, falls medizinisch möglich (das weiß ich nicht) dann wäre das aus dem kategorischen Imperativ heraus, möglicherweise geboten, zu spenden.

Vielleicht hilft dir das ja etwas weiter.

Woher ich das weiß:Hobby – Ich bilde mich autodidaktisch in philosophische Themen