Warum haben Cembalo und Klavier unterschiedliche Tastenfarben?

4 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Die Verwendung von dunklen und hellen Hölzern hat ursprünglich damit zu tun, dass die Vordertasten (Untertasten) wesentlich mehr als die Hintertasten (Obertasten) betätigt werden. Daher fertigte man die Vordertasten aus härterem Holz an (das vielfach dunkler ist), die Hintertasten aus weicherem (das meist heller ist). Als man dazu überging, die Vordertasten zu beschichten, verwendete man Elfenbein; seit dieses verboten ist, weissen Kunststoff. Die Hintertasten wurden dadurch folgerichtig schwarz. Der endgültige Übergang von schwarz zu weiss und umgekehrt erfolgte zwischen 1770 und 1800. Mozarts Hammerflügel, um 1780 gebaut, hatte noch dunkle Vordertasten, Haydns Kielflügel, 1785 gebaut, bereits weisse. (Ausnahmen sind Annibale Rossis Spinettino von 1577 (!), das weisse Vordertasten hatte, und Bartolomeo Cristoforis Spinett von 1693, dessen Hintertasten schwarz waren.) Die Verwendung der spezifisch schwereren Harthölzer bzw. der leichteren Weichhölzer hat auch mit dem Übertragungsmechanismus des Klaviers zu tun. PS: Schliesslich könnte man - aber nur als Scherz - hinzufügen, dass man sich mit dem Aufkommen des häufigeren Händewaschens weisse Tasten leistete und man die schwarzen Tasten so getrost jenen Leuten überlassen konnte, die nur den Kotelettwalzer spielen können und auf saubere Hände nicht so grossen Wert legen. Mit besten Grüssen.


pianoforte1994 
Fragesteller
 25.02.2010, 14:13

Interessant, danke schön! Mit einer solch ausführlichen Antwort hatte ich gar nicht gerechnet. PS.: Und für all jene Personen mit weißen Tasten und schwarzen Händen gibt es immer noch die leicht zu reinigende Kunsstoffbeschichtung. freundliche Grüße aus Wien.

0
Klinghaus  21.04.2012, 22:54

Die genannten Instrumente von Rossi und Cristofori sind keineswegs Ausnahmen. Praktisch alle italienischen und flämischen Instrumente des 16. und 17. Jhs. haben helle Unter- und dunkle Obertasten! Die umgekehrte Färbung ist eigentlich die modernere wurde wohl im 17. Jh. in Frankreich eingeführt. Ich habe mal gelesen, der Grund sei, dass so die Hände der Spieler besser zur Geltung kommen ...

Oh, ich sehe gerade, das haben hier schon andere so ähnlich geschrieben ... X-)

0

Die Farben von Cembalotasten sind mit der verschiedenen Bauschulen verbunden. In Italien alle Cembali (und Orgeln) wurden mit hellen Untertasten gebaut, d.h. aus Buchsbaum, ein helles Holz, sehr hart, üblich in Italien. Sonst wurde Rindknochen (schwieriger zu bearbeiten) gebraucht. Die Oberatsten wurden normaleweise aus Obstholz (Birnen oder Apfleholz) gebaut, dann schwarz gestrichen.

In Flandern wurden die Obertasten immer weiß, aus Rindknochen gebaut, und die Obertasten aus Ebenholz oder Eisenholz.

Elfenbein wurde erst am Ende des 18Jh gebraucht.

Nur in Frankreich und Deustchland die Bautradition war anders, d.h. Ebenholz für die Untertasten und Rindknochen für die Obertasten. Höchstwahrscheinlich war der Grund praktisch, denn Rindknochen ist sehr schwierig zu bearbeiten und zu verleimen (und verschutzt such sehr schnell)

Siehe auch:

http://www.williamhorn.it/clavicembali/de/wissenwertes

 

Ich darf der äußerst ausführlichen Antwort von 9702042615 noch eine Kleinigkeit hinzufügen: wohl wegen der besseren Verfügbarkeit und auch aus finanziellen Gründen wurden oftmals anstelle von Elfenbein ganz einfach gebleichte Rinderknochen verwendet, die allerdings eine gröbere Maserung und auch relativ große Poren haben (ungewaschene Hände fallen hier um so besser auf, da in sich in den Poren zwangsläufig Abrieb der Haut sammelt - brrr...). Und noch eine augenzwinkernde Anmerkung, weshalb es dunkle Untertasten gab/gibt: die feinen, zarten und hellen Händchen der hohen Damen kamen auf hier einfach besser zur Geltung PS: dem Erstaunen ob solch einer ausführlichen Antwort darf ich mich anschließen. Danke auch.


pianoforte1994 
Fragesteller
 25.02.2010, 23:14

Danke für die Ergänzung! hmm... Rinderknochen mit großen Poren, in welchen sich Dreck sammelt... da kommt Appetit auf!

0

damit es anderst ausschaut und sicher von einem Klavierflügel unterscheidet werden kann... vermut ich mal

ganz sicher ist das bei einem klavier im inneren geschlagen wird und im cembalo gezupft/gestrichen wird