Zukunftsängste mit 21?
Hallo,
Ich möchte mich zu einem Thema äußern, über das ich mit niemandem sprechen kann.
Ich werde bald 21, habe bereits einen festen Job und studiere berufsbegleitend. Seit über zwei Jahren bin ich in einer Beziehung. Ich wohne noch bei meinen Eltern und habe ein sehr gutes Verhältnis zu ihnen – besonders mein Vater ist wie ein bester Freund für mich.
Ich habe eine eigene Etage, ein großes Zimmer und viele Freiheiten. Trotzdem leide ich seit Anfang des Jahres unter starken Zukunftsängsten und habe große Angst davor, wirklich erwachsen zu werden.
Auch wenn ich bereits ein „erwachsenes Leben“ führe – mit 40-Stunden-Job, eigenem Auto, finanziellem Einkommen und Studium – fühle ich mich innerlich oft noch wie 17 oder 18.
Die Zeit vergeht gefühlt so schnell, und ich habe ständig den Gedanken, dass meine Eltern immer älter werden – und ich sie irgendwann verlieren werde. Dieser Gedanke bringt mich sofort zum Weinen.
Mein Freund und ich planen, uns mit 23 zu verloben und mit 24 bzw. 25 zu heiraten. Wir kommen beide aus einem türkischen Haushalt (nicht konservativ oder streng muslimisch), deshalb plant man solche Schritte schon im Voraus und zieht in der Regel erst nach der Hochzeit zusammen.
Doch ich kann den Gedanken nicht loslassen, dass ich bald verheiratet bin, ausziehe und mein jetziges Leben hinter mir lasse – das gemeinsame Essen, das Nachhausekommen zu meinen Eltern, die Urlaube mit der Familie.
Ich liebe meinen Freund, aber ich habe das Gefühl, dass ich nie wirklich bereit sein werde, diesen Schritt zu gehen.
Manchmal denke ich sogar daran, mich einfach zu trennen, nur um diesen Gedanken loszuwerden – und danach nie wieder eine Beziehung einzugehen.
Viele meiner Freundinnen sind schon verlobt oder planen ihre Hochzeit – und auch sie haben ein gutes Verhältnis zu ihren Eltern.
Aber warum fühle ich mich, als würde ich das alles nicht schaffen können? Warum habe ich das Gefühl, niemals bereit zu sein?
Ich fühle mich emotional überfordert, manchmal sogar depressiv. Mein Kopf ist voller Gedanken, und fast jeden Abend liege ich weinend im Bett.
Wie kann ich lernen, mit diesen Gefühlen umzugehen?
3 Antworten
Es tut mir leid, dass Du mit solchen Gedanken zu kämpfen hast. Solche Beschwerden sind ernst zu nehmen, besonders wenn sie deinen Alltag und sogar deine Beziehung schwerer machen. Hinter solchen Gedanken kann sich mehr verbirgen, als man zuerst meint - vorallem, wenn Du von depressiver Verstimmung und emotionaler Überforderung sprichst.
Es kann schon reichen, dass Du den Kontakt zu deinem Freund suchst und ihm deine Situation schilderst. Er wird sicher Verständnis dafür haben.
Falls das für Dich gerade keine Option ist, kann professionelle Hilfe ein sinnvoller nächster Schritt sein. Das muss auch nicht sofort eine Psychotherapie sein, wenn Du Dich damit noch nicht wohl fühlst. Ich bin mir sicher, dein Hausarzt kann Dir eine grobe Einschätzung deiner Symptomatik geben und Dich zu einer entsprechenden Weiterbehandlung verleiten.
Wenn Dich keiner dieser Optionen gerade anspricht, kann Dir auch eine Hotline weiterhelfen - komplett anonym und frei von Urteilen. Beispielsweise die deutsche Telefonseelsorge oder eine Beratungsstelle in deiner Nähe.
Ich möchte, dass Du weißt, dass es gut ist, sich Hilfe zu holen. Besonders bei hartnäckigen Gedanken. Ich wünsche Dir viel Kraft und eine gute Besserung.
Ich kann mich dem hier gesagten nur anschließen! Hier sind noch ein paar konkrete Anlaufstellen für dich, an die man sich wirklich ganz unverbindlich, kostenlos und (teilweise) anonym wenden kann:
- Jugendberatungsstellen (gibt es in den meisten größeren Städten)
- Familienberatungsstellen (gibt es auch in den meisten Städten und kann auch von Einzelpersonen in Anspruch genommen werden, auch wenn es nur danach klingt, dass man da als Familie hin kann. :D)
- Sozialberatungsstellen (die sind wirklich sehr themenoffen und beraten zu fast allem)
Wenn noch weitere Fragen sind, oder du lieber direkt online mit jemandem sprechen willst, kannst du dich auch gern bei mir melden. Ich bin von Digital Streetwork Bayern, wir bieten professionelle Online-Beratung an, kostenlos, anonym und unverbindlich. Wir sind immer Mi/Do/Fr bis 18 Uhr online. Weitere Infos findest du auf unserem Profil oder unter www.digital-streetwork-bayern.de
Hallo,
du musst nicht „lernen, mit diesen Gefühlen umzugehen“. Sondern du musst lernen, auf dein Bauchgefühl zu hören. Deine Angst will dir etwas sagen – aber du hörst nicht zu.
Ich glaube, du bist gerade gefangen zwischen zwei Polen: Da ist zum einen dein Gefühl, dass du noch lange nicht bereit bist für eine Ehe, für Kinder, für den Auszug von zuhause. Das ist eine Tatsache. Daran ist nichts Falsches, es ist ein ganz natürliches Gefühl, wenn man erst 21 Ist. Manche möchten früher von zuhause weg, manche erst sehr viel später. Viele (auch deutschstämmige) junge Leute wohnen daheim, bis sie 30 sind. In anderen Ländern (vor allem Italien und Spanien) ist das ebenfalls ganz normal.
Der zweite Pol ist deine Kultur und dein Freund. Vielleicht sind deine Eltern und dein Freund und seine Familie nicht streng. Aber du hast das Gefühl, dass von dir erwartet wird, dass du in den nächsten Jahren heiraten und von zuhause weggehen wirst.
Deine Angst sagt dir, dass das für dich noch zu früh ist, weil du einfach noch nicht bereit bist dafür. Wenn du nicht auf diese Warnung hörst, ist das schlecht. Denn die Seele lässt sich niemals austricksen. Sondern es kommen dann immer mehr Probleme. Die Angst wird vielleicht größer, oder sie wird zu einer echten Angststörung.
Deshalb ist es so wichtig, dass du deine Gefühle achtest. Sie sind immer echt und immer wichtig. Schiebe sie niemals weg. Lass dir auch von deinem Freund nicht einreden, dass sie sich von selbst in Luft auflösen werden, oder dass man sie nicht ernst nehmen muss. Das geht schief. Und den Preis zahlen nicht die anderen, sondern du selbst.
Es ist gerade für eine junge Frau das Allerwichtigste im Leben, dass sie lernt, gut auf sich zu achten. Du kommst in deinem Leben an allererster Stelle. Niemand kann dein Leben für dich leben, und niemand weiß so gut, was für dich richtig ist, wie du selbst. Lass dir nichts anderes einreden.
Sei ehrlich zu deinem Freund. Sage ihm, dass du nicht glaubst, dass du ihn bald heiraten kannst. Und dass du noch lange nicht zuhause ausziehen möchtest. Ja, das ist schwer, ich weiß. Aber wenn DU nicht für dich und deine Wahrheit eintrittst, wer macht es dann? Niemand wird dir das abnehmen.
Ich hätte in deinem Alter auch noch lange nicht heiraten wollen, das wäre mir viel zu früh gewesen, egal was meine Familie, mein Freund oder meine Kultur mir sagen. Ich wusste für mich: Das geht nicht. Und fertig. Ich habe mit 29 geheiratet und dann zwei Kinder bekommen. Das war für mich genau richtig.
Wenn du deinem Freund sagst, dass du dich so bald nicht verloben willst, kann es sein, dass du ihn verlierst, das stimmt. Aber das wäre immer noch besser, als eine Ehe einzugehen, für die es seelisch zu früh ist und die sich noch nicht richtig anfühlt. Manchmal muss man solche Entscheidungen treffen. Wenn dein Freund dich sehr liebt, wird er warten. Wenn nicht, wird es einen anderen geben.
Alles Liebe für dich, und achte immer gut auf deine Seele, ja?
Leider ist die Wert eines Beitrages nicht immer identisch mit dessen Länge, so wie hier.
Ich bin nahezu sicher, dass es für Dich das beste wäre, Dich einem Profi anzuvertrauen : Du solltest Deine Probleme mit einem Psychotherapeuten besprechen.