Wm in Katar?

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Katar hat die WM bekommen, wie jedes andere Land auch: Man bewirbt sich, wird ausgelöst und am Ende bleibt ein kleines Geschmäckle ob sich nicht eine kleine Finanzspritze positiv auf die Vergabe ausgewirkt haben könnte, was aber bei Katar noch nicht so eindeutig nachgewiesen wurde, wie im Nachgang bei Deutschland.

Katar hat zwar eine Handvoll erfolgreicher Sportler hervorgebracht (z.B. der Ex-Tennisspieler Nasser El Khalaifi oder der Ralley-Fahrer Nasser Al Attiyah - zufall, dass beide gerade Nasser heißen, das ist da ein Name wie bei uns Michael), ist aber im internationalen Fußball (also alles, was über die Golfstaaten-Cups, in denen man sehr erfolgreich ist, hinausgeht) jetzt nicht unbedingt eine Riesen Nummer. Man hat aber als Gastgeber jetzt einen Freifahrschein, um endlich mal mitspielen zu dürfen, nimmt aber trotzdem per Sonderregelung an den Qualifikationsspielen teil.

Ein weiteres Kuriosum ist die Austragung im Winter, die aber dem Klima geschuldet ist. In den typischen WM-Monaten Juni und Juli ist es extrem heiß dort, die Monate Juli und August sind zudem mit der extremen Schwüle, da das umgebende Meer unter den teilweise deutlich mehr als 40 Grad verdampft, absolut lebensfeindlich. An Hochleistunssport ist da nicht zu denken.

Die Infrastruktur in der Hauptstadt Doha (und sonst gibt es kaum Städte und Siedlungen dort, aber es gibt sie) wird von Gastarbeitern aus armen Ländern wie Pakistan, Indien oder den Philippinen gebaut. Auch wenn das geringe Gehalt und die Unterkunft in "Labour Camps" eher wie moderne Sklaverei anmuten, was in der Vergangenheit auch durch das Einkassieren der Reisepässe (mittlerweile abgeschafft) und unmenschliche Arbeitsbedingungen (mittlerweile achtet man vermehrt auf Arbeitsschutz) verstärkt wurde, für die Gastarbeiter, die in ihrer Heimat trotz Arbeit oder halt ohne Arbeit verhungern würden, ist der steuerfreie Verdienst ohne Lebenshaltungsausgaben ein Segen und ihre Familien sehen sich in der Heimat regelrechtem Sozialneid ausgesetzt, wenn man plötzlich aus der Wellblechbaracke mit Pappkarton-Fenstern in ein richtiges Haus ziehen und die Kinder zur Universität schicken kann. Diese Zustände lassen sich auch auf die Vereinigten Arabischen Emirate (gerne auch nach dem Tourismusemirat Dubai benannt) oder Saudi Arabien übertragen, auch wenn die Saudis noch etwas mieser mit ihren Gastarbeitern umspringen, wie Katar oder die Emirate vor 10 Jahren. Ich war sowohl in Doha als auch Dubai und hatte dort die Möglichkeit, mit Gastarbeitern zu reden und die sind absolut überglücklich, dort zu sein, auch wenn es nach westlichen Standards (die aber immer weiter in die orientalischen Zustände abdriften) immer noch viel zu verbessern gibt. In sofern sollten sich all die, die im Moment gerne im Internet zu einem WM-Boykott aufgrund der Menschenrechtssituation aufrufen, unbedingt nach Dubai in den Urlaub fliegen müssen oder, noch näher, unbedingt ihr Obst bei Aldi kaufen müssen, geerntet in Deutschland von polnischen und rumänischen Hilfskräften, die mit Bezahlung nach Menge und überzogener theoretischer Menge pro Stunde weit unter Mindestlohn liegen. Zudem hat ja auch niemand die WM in Brasilien 2014 boykottiert, obwohl für den Bau der Stadien ganze Stadtteile, hauptsächlich ärmerer Schichten, abgerissen wurden.

Also neben einer fragwürdigen aber in den Medien eindeutig zu einseitig (von beiden Seiten, es sind weder Sklaven wie von Medienvertretern dargestellt, noch "ich hab keine Sklaven gesehen" unseres Kaiser Fanz, sondern eine Grauzone dazwischen) dargestellen Menschenrechtssituation und dass das Gewohnheitstier Mensch seine geliebte Fußball-WM nun im Winter gucken muss, mit einem automatisch qualifiierten Gastgeber, der im internationalen Fußball noch nie ansatzweise auf der Bildfläche war, gibt es noch ein paar andere Faktoren, die zweifeln lassen.

Katar beheimatet einen der größten Sport- und Entertainment-Pay-TV Sender der Welt, die beIN Media Group, vormals beIN Sports. Die hatten ja auch schon 2015 die Handball-WM exklusiv gekauft und wollten die Rechte nur an verschlüsselte Sender weitergeben. Schlecht damals für ARD/ZDF. Das will ja niemand, dass das mit der Fußball-WM passiert. Ich denke aber mal die FIFA hat etwas mehr Macht und Interesse und wird dies verhindern.

Ich war selbst auf Dienstreise in Doha zur Handball-WM 2015 und habe mir in einem fast leeren Stadion das Spiel Deutschland gegen Saudi Arabien angeschaut. Es ist ja nicht so, als wären nicht genug Fans da gewesen, aber Chaos am Ticketschalter und der Einlasskontrolle haben dafür gesorgt, dass halt nicht alle rein kamen. Wären sie, wäre das Stadion vielleicht halb voll gewesen. Trotzdem peinlich. Man stelle sich ein WM-Finale im halbvollen oder noch leereren Stadion vor und die Fans stehen draußen.

Die strikten Alkohol-Regularien (nur in lizensierten Hotel-Bars, nicht in Geschäften kaufbar außer für nicht-muslimische Gastarbeiter gegen Vorlage einer Kauflizenz in speziellen Geschäften, 0-Promille Grenze nicht nur im Straßenverkehr sondern auch in der generellen Öffentlichkeit) will Katar zur WM wohl lockern, um nicht zu viele Fans aus anderen Ländern abzuschrecken.

Man muss also eine solche WM nicht boykottieren. Korruption (sofern die Vergabe an Katar überhaupt auf Korruption beruht) und Menschenrechtsverletzungen gab es auch schon bei WMs davor und mit der fast schon Pinguin-artig süßen Unbeholfenheit der Gastarbeiter, die mehr schlecht als recht aber utra-exakt wörtlich unbrauchbare Arbeitsanweiseungen der einheimischen Vorgesetzten befolgen wird sich die WM schon durch ein gewisses Chaos selbst boykottieren.

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