Wieso sprechen die Frauen im Film "Braveheart " beim englischen König französisch?

9 Antworten

In diesem Film ist zwar so einiges falsch, aber dass die Film-Prinzessin Isabella französisch mit ihrer Zofe spricht, wird auch die echte Isabella so gemacht haben: Sie war nämlichFranzösin, und die machen das nunmal so. ;-)

Im Übrigen war auch am englischen Königshof des späten 13. und frühen 14. Jahrhunderts die französische Sprache weit verbreitet. König Edward I. und demzufolge natürlich auch sein Sohn und Nachfolger Edward II. entstammten dem normannischen Adelsgeschlecht des Hauses Plantagenet-Anjou, die noch einige Besitztümer in Kontinentaleuropa (Frankreich) besaßen. Französisch perfekt zu beherrschen gehörte für diese Könige zur vorgeschriebenen Schulbildung.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Studium der Geschichts- und Religionswissenschaften
KittyCat2909  17.08.2018, 19:30

Edward I entstammt einem französischen Herrschergeschlecht (Anjou-Plantagenêt). Er verstand englisch- dies war- wie auch bei seinem Sohn jedoch nicht seine Muttersprache, diese war französisch. Er musste gar nicht darin ausgebildet werden. Im Gegenteil wurde ihnen wenn, dann englisch beigebracht.

2
MarkusPK  17.08.2018, 19:58
@KittyCat2909

Nein, das ist nicht richtig. Edward I. wuchs nicht in Frankreich auf, sondern in Westminster und London. Er sprach eine Variante des Anglonormannischen als Muttersprache, das sich aber bereits im frühen 13. Jahrhundert, also schon eine ganze Zeit vor Edwards Geburt deutlich vom im Großraum Frankreich gesprochenen Französisch (Île-de-France) unterschied. Wahrscheinlich waren dafür der Verlust des normannischen Stammsitzes durch Johann Ohneland verantwortlich. Fortan versuchten die englischen Herrscher verstärkt, sich mit ihrem Inselkönigreich zu identifizieren und verstanden und sprachen nun das Englisch der gemeinen Bevölkerung immer besser.

Edwards Anglonormannisch stand dem heutigen Englisch also bereits deutlich näher als dem heutigen Französisch.

0
KittyCat2909  17.08.2018, 20:54
@MarkusPK

Ich habe nicht gesagt, dass er in Frankreich aufwuchs, sondern dass Französisch es seine Muttersprache war, wie auch bei seinem Sohn.

0
MarkusPK  17.08.2018, 21:26
@KittyCat2909

Ja und eben das ist nicht richtig. Falsch ist es auch nicht, jedenfalls nicht zu 100%, weil das anglonormannische ja eben eine romanische und mit dem Französischen verwandte Sprache ist, aber Französisch hatte seinen Status als Hofsprache im späten 13. und frühen 14. Jahrhundert bereits verloren - und dieser Status nahm zu Edwards Zeit auch immer weiter ab. Edward und sein gleichnahmiger Sohn sprachen das französisch, dass in Kontinentaleuropa gesprochen wurde, jedenfalls bereits nur noch als Fremd- und nicht mehr als Muttersprache.

0
KittyCat2909  17.08.2018, 21:37
@MarkusPK

Eduards Muttersprache war Französisch, das er auch lesen konnte, daneben verstand er Englisch wie sein Vater.*https://de.wikipedia.org/wiki/Eduard_II._(England)

Dass zu dieser Zeit Französisch die allegmeine 'Soprache bei Hofe war, habe ich selbst in meiner Antwort gesagt, das bezweifel ich in keinster Weise. :)

Nur, dass Französisch eine Fremdsprache für Eduard 1 und seinem Sohn waren, ist eben nicht der Fall. Es war ihre Muttersprache.

0
MarkusPK  17.08.2018, 22:27
@KittyCat2909

Wikipedia ist nun nicht gerade eine zuverlässige Quelle, denn jeder, auch Nichthistoriker und Nichtsprachwissenschaftler, können darin mitschreiben. An der Stelle, die du zitierst, steht ja noch nicht einmal ein Literaturverweis - somit ist dieser Satz nur eine Behauptung des Autors dieser Seite, die er nicht belegt.

Lege dir lieber mal entsprechende Literatur zu, wie zum Beispiel das renommierte Werk von Albert C. Baugh "A History of the English Language". Baugh beschreibt anhand der überlieferten Quellen sehr deutlich und nachvollziehbar, wie der normannische Adel, der zuvor tatsächlich bilingual zum angelsächsischen Volk lebte und sprach, sich seit Beginn des 13. Jahrunderts mehr und mehr sprachlich mit diesem assimilierte.

Wie bereits erwähnt verlor Johann Ohneland im Jahre 1206 endgültig seine Besitzungen in Kontinentaleuropa, und damit natürlich auch seine Vasallen. Die englischen Dukes und Lords verloren nun den Bezug zur französischen "Muttersprache", da sie diese in ihren Stammlanden auch nicht mehr so häufig sprechen mussten - denn vom gemeinen Volk und ihren Grafen und Rittern sprach kaum jemand Französisch mit ihnen. Das Englische, dass den Adligen zuvor als "barbarisch" und "rückständig" erschien und von ihnen tatsächlich nur als Fremdsprache gesprochen wurde, erlangte nun mehr und mehr das Prestige zurück, während das Französische an Boden verlor.

Schon 30 Jahre später lässt dieser kulturelle Wandel bereits deutlich erkennen, dass Französisch nicht mehr besonders populär in England war: König Heinrich III., der Sohn Johann Ohnelands, der ja selbst noch einen typischen normannischen Plantagenet-Namen trug, wählte keinen Normannen, sondern den Angelsachsenkönig Edward den Bekenner zum Namenspatron für seinen Sohn und Thronfolger - das ist schon ein ziemlich radikaler Bruch mit den normannisch-französischen Traditionen, der vom Volke aber sehr begrüßt wurde. Eduards Geburt wurde landesweit gefeiert - jedenfalls so lange, bis der abgebrannte Heinrich kostspielige Geburtstagsgeschenke für seinen Sohn verlangte, um sich zu refinanzieren. ;-)

Dass Eduard I. noch einen anglonormannischen Dialekt sprach und "normannisch" erzogen wurde und auch eine Form des normannischen Französisch als Muttersprache sprach, habe ich dir bereits zu erklären versucht. So hat auch der Wikipediaartikel nicht unbedingt unrecht,wenn er schreibt, dass Französisch die Muttersprache Edwards I. (bzw. dessen Sohn) war, doch das ist schon sehr unpräzise: Das Anglonormannisch, das beide sprachen, stand zur Zeit von Edwards Geburt bereits gut 175 Jahre unter dem Einfluss, den das Altenglische darauf genommen hatte - und es bekam mehr und mehr eine gewisse Ähnlichkeit zu unserem heute gesprochenen, modernen Englisch.

Gerade zu der Leb- und Herrschaftszeit von Edward I. machte das Englische einige entscheidende Schritte auf dem Weg zur eigenständigen Kultursprache. Und Eduard II., der ja erst geboren wurde, als sein Vater bereits Mitte vierzig war, brauchte Englisch schon nicht mehr als Fremdsprache zu lernen - das wurde schon überall um ihn herum gesprochen. Seine Mutter war zudem auch keine Französin, sondern stammte aus dem spanischen Kastillien - also hatte er anders als seine Vorgänger auch keine französischsprachige Mutter, die mit ihrem Kind französisch sprach.

In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts erschienen schon die ersten Gedichte und Lieder auf Mittelenglisch, und das in einer Qualität, dass Literaturwissenschaftler von einer Blütezeit Literatur sprechen. Nicht viel später wurde Englisch auch zur Geschäfts- und Parlamentssprache, und auch vor Gericht wurde nun in der Sprache des gemeinen Volkes verhandelt.

Die Entwicklung einer Sprache geschieht nunmal nicht über Nacht, sondern erfolgt im Zeitraum von Jahrhunderten. Zu sagen "Edward I. sprach französisch als Muttersprache" ist also genauso falsch wie zu sagen "Edward I. sprach englisch als Muttersprache". Er sprach nämlich ausgehend von unseren modernen Sprachen weder das eine noch das andere, sondern irgendwas dazwischen, allerdings hätte spätestens sein Sohn einen modernen Engländer wahrscheinlich besser verstanden als einen modernen Franzosen. Edward I. sprach ein Anglonormannisch, dass sich zu seinen Lebzeiten zu einem Mittelenglisch hinentwickelte.

Kommen wir so nun zusammen? :-)

0

In jenen Zeiten war Französisch die allgemeine Umgangssprache des Adels und bei Hofe, egal in welchem (europäischen) Land.

Und wie haben sie auf dem königlichen Hof von Friedrich dem Großen gesprochen? Französisch - von Lissabon bis Wladiwostok (resp. damals nur bis Ural).

Das spielt im 13.Jahrhundert, damals war Französisch die bevorzugte Sprache im englischen Adel. Die Umgangssprache "auf der Straße" war zwar das (damalige) Englisch, aber auch dort wurden im Laufe der Zeit mehr und mehr französische Wörter benutzt.

Das moderne Englisch hat in seinem Vokabular 29% Wörter, die aus dem Französischen stammen (und ebenso viele aus dem Latein). For example (par exemple) to survive (survivre).

https://en.wikipedia.org/wiki/English_language#/media/File:Origins_of_English_PieChart.svg

Im Deutschen sagen wir "Beispiel" und "überleben".

MarkusPK  17.08.2018, 18:53

Das ist insofern schon alles richtig, was du schreibst, aber am Königshof von Edward I. wurde bereits Englisch gesprochen. Allerdings haben viele seiner Vorgänger aus dem Haus Plantagenet, die meist sogar in Aquitanien aufgewachsen sind, das Französische weit besser beherrscht als Englisch - es war nunmal ihre Muttersprache. Der berühmte Richard Löwenherz, heute bei vielen ein Inbegriff "englischen" Wagemuts und Held des Dritten Kreuzzuges, soll England wegen des schlechten Wetters sogar gerazu verabscheut und die Sprache so gut wie überhaupt nicht verstanden haben.

5
OlliBjoern  17.08.2018, 18:57
@MarkusPK

Ja ok, ich wollte ja auch nicht sagen, dass man gar kein Englisch gesprochen hatte am Hof. Im Detail war es natürlich komplizierter, als ich es beschrieben hatte (ich wollte es nur recht simpel erklären).

Danke für die Ergänzung. 

1
OlliBjoern  17.08.2018, 18:54

Daher gibt es im Englischen oft zwei Wörter für denselben Begriff: to survive oder to overlive (beides heißt "überleben", das erste Verb aus dem Französischen, das zweite ist germanischen Ursprungs, wie das deutsche Verb auch).

4
PWolff  17.08.2018, 19:57
@OlliBjoern

Besonders auffällig bei vielen Begriffen aus der Küche - sobald ein Tier vom Stall in die Küche wandert, ändert es oft seinen Namen (pig/swine -> pork, cow/ox -> beef, sheep -> mutton, deer -> venison ...)

3
OlliBjoern  17.08.2018, 20:03
@PWolff

Ah ja, stimmt. War mir noch nicht aufgefallen. :)

Aber es passt ja: was mit dem Essen zu tun hat, ist oft französisch. Auch die Schweden sagen "kantareller" (chanterelles) für Pfifferlinge. Auch die "Champignons" sind französisch.

1
PWolff  17.08.2018, 20:08
@OlliBjoern

Wobei Champignons auf Englisch (britisch) auch "button mushrooms" heißen.

0

Da sind zwei Deutungen möglich:

1.) Die Hof-und Adelssprache war nicht nur in England Französisch.

2.) Nach dem Sieg im Jahr 1066 in der Schlacht von Hastings beherrschten die Normannen immer größere Teile Englands. Die normannische Sprache, eine Frühform des Französischen, blieb lange die Sprache des Adels und der Könige.