Welche Wirtschaftsordnung schreibt das Grundgesetz vor?

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Welche Wirtschaftsordnung schreibt das Grundgesetz vor?

In der Bundesrepublik Deutschland hat sich zu Beginn ihres Daseins die soziale Marktwirtschaft durchgesetzt. Im Grundgesetz gibt es Bestimmungen (Artikel 9, 1), die die Allmacht von Arbeitgebern beschränken:

  • Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

Die Bürger in Deutschland haben weitere Rechte, etwa (GG Artikel 12, 1):

  • Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. (...)

Aus historischer Erfahrung wurde bestimmt (GG Artikel 12, 2):

  • Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden (...)

Natürlich wird auch das Recht auf Eigentum garantiert, das ebenfalls Firmen-/Betriebseigentum umfasst (GG Artikel 14, 1), aber zugleich wird eine soziale Komponente vorgegeben (GG Artikel 14, 2):

  • Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

Über die praktische Anwendung oder Nichtanwendung dieser Grundgesetzverpflichtung und ihre reale Bedeutung oder Nichtbedeutung lässt sich trefflich streiten.

Grundsätzlich hat der Staat die Möglichkeit, sich zum Wohle der Allgemeinheit in die Wirtschaft einzumischen (GG Artikel 15):

  • Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden. (...)

Außerdem wird folgender staatlicher Grundsatz vorgegeben (GG Artikel 20, 1):

  • Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

Bund und Länder geben der Wirtschaft gesetzliche Rahmenbedingungen vor (GG Artikel 74, 1 Satz 11 f.):

  • 11. das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen) ohne das Recht des Ladenschlusses, der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen, der Messen, der Ausstellungen und der Märkte;
  • 12. das Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, des Arbeitsschutzes und der Arbeitsvermittlung sowie die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung;

Das Grundgesetz hat dem Staat ermöglicht, als Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik über eine Rahmengesetzgebung die freie Marktwirtschaft festzulegen. Die soziale Absicherung der Marktwirtschaft wurde ebenfalls gesetzlich festgelegt. Gegen die zunehmende Aushöhlung der sozialen Marktwirtschaft und ihre Entwicklung zur radikalen Marktwirtschaft zuungunsten der Arbeitnehmer kann der Staat gesetzlich vorgehen. Er wäre auch berechtigt, gewisse Schlüsselindustrien zu vergesellschaften. Insofern ist die Macht des Staates auch hinsichtlich der Wirtschaft allumfassend, sofern sie die Rechte aufgrund des Grundgesetzes wahrt. Staatlichen Zwängen sind enge Grenzen gesetzt, das Soziale vorgeschrieben.

Bleibt gesund und vernünftig!

Arnold

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

Ich denke nicht, dass wir hier festgelegt sind. Es gibt ja auch die Klausel, dass Eigentum verpflichtet.

Wieso, welche Wirtschaftsordnung hätten Sie denn gern?

Ich bin durchaus sehr zufrieden mit der sozialen Marktwirtschaft, habe diese Frage nur aus reiner Neugier gestellt.

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Ich denke, man kann getrost davon ausgehen, dass ein Kapitalismus aus den Zeiten der freien Konkurrenz mit Kinderarbeit und bis zu 16-stündigen Arbeitszeiten ohne Sozialversicherungen kaum mit dem GG zu vereinbaren wäre.

Ebenso ist die stalinistische Planwirtschaft mit ihrer Feindschaft gegenüber privatem und genossenschaftlichem Eigentum und einer vormundschaftlichen zentralen Planung und Lenkung nicht mit dem GG vereinbar.

Ansonsten wäre zu fragen, welche Wirtschaftsordnung außer diesen beiden verfassungswidrigen und ansonsten kolossal gescheiterten gäbe es denn überhaupt jenseits utopischer Tagträumereien in der Realität...?

Keine, das Grundgesetz nimmt keinen Bezug zur Ökonomie.

Es beinhaltet die Pflichten des Staates und die (Abwehr)rechte der Bürger.
Der Staat, respektive die Politik hat die Gestaltungshoheit, u.a. wie es ökonomisch zugeht.

Das Grundgesetz ist da leider neutral.