Welche unterschiedlichen bedeutungen hat der Begriff Säure?

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Moin,

es gibt ein paar Säure-Base-Theorien, die sich unter anderem darin unterscheiden, dass sie immer allgemeiner und damit auch umfänglicher werden.

Die Arrhenius-Säure-Base-Theorie sagt zum Beispiel folgendes:
Säuren sind Stoffe, die in Wasser in Protonen und einen Säurerest zerfallen (dissoziieren).
Basen sind Stoffe, die in Wasser in Hydroxid-Anionen und Kationen zerfallen (dissoziieren).

Fett markiert wurden von mir die drei Nachteile, die in dieser (ersten) Säure-Base-Theorie auftreten. Das sind:

  • Es wird von Stoffen ausgegangen. Damit wird "sauer" oder "basisch" zu einer Eigenschaft eines Stoffes und man müsste stets (alle möglichen) Stoffe auf diese Eigenschaft hin überprüfen, um eine Zuordnung treffen zu können. Umständlich und nicht immer eindeutig möglich...
  • Man ist mit dieser Theorie an das Lösungsmittel Wasser gebunden. Es gibt aber durchaus Reaktionen, die nicht im Wasser stattfinden, aber dennoch wie eine Säure-Base-Reaktion ablaufen. Solche Reaktionen können von der Arrhenius-Theorie nicht erfasst werden.
  • Nach Arrhenius enthalten Basen Hydroxid-Anionen, die sie beim Lösen in Wasser ins Lösungsmittel abgeben. Damit kann man mit der Arrhenius-Theorie nicht erklären, wie Stoffe, die keine Hydroxid-Anionen enthalte dennoch in Wasser (oder überhaupt) basisch reagieren können.

Etwas später haben Brönsted und Lowry unabhängig voneinander eine Säure-Base-Theorie aufgestellt, die die Nachteile der Arrhenius-Theorie umgingen, indem sie sich auf die Rolle der Protonen konzentrierten.

Die Brönsted / Lowry-Säure-Base-Theorie besagt:
Säuren sind Teilchen, die Protonen abspalten und auf andere Teilchen übertragen können. Säuren sind Protonendonatoren.
Basen sind Teilchen, die Protonen von anderen Teilchen aufnehmen können. Basen sind Protonenakzeptoren.

Dadurch, dass nur noch danach geschaut wird, ob ein Teilchen Protonen abgeben oder aufnehmen kann, werden die Begriffe "sauer" und "basisch" Funktionen der Teilchen. Das schließt auch mit ein, dass es Teilchen gibt, die sowohl sauer als auch basisch reagieren können, was dann vom Reaktionspartner abhängt.

Die deutlichen Verbesserungen dieser Theorie gegenüber dem Arrhenius-Konzept sind, dass man

  • unabhängig vom Lösungsmittel Wasser wird und deshalb einige Reaktionen mehr als Säure-Base-Reaktion auffassen kann.
  • nicht mehr Stoffeigenschaften, sondern Funktionen von Teilchen betrachtet.
  • nicht mehr darauf angewiesen ist, dass Basen selbst Hydroxid-Anionen enthalten müssen; es reicht, wenn sie Protonen aufnehmen können, um sie zu den Basen zählen zu können.

Lewis war es dann, der eine noch umfassendere Säure-Base-Theorie vorlegte. In dieser werden nicht mehr die Protonen betrachtet, sondern Elektronenpaare. Nach Lewis gilt:
Eine Säure ist ein Teilchen, das Elektronenpaare aufnehmen kann. Eine Säure ist ein Elektronenpaarakzeptor.
Eine Base ist ein Teilchen, das Elektronenpaare hergeben kann. Eine Base ist ein Elektronenpaardonator.

Auch in dieser Theorie haben wir es also mit einem Donator-Akzeptor-Konzept zu tun. Nur ist diesmal im Gegensatz zum Brönsted / Lowry-Konzept die Säure der Akzeptor und die Base der Donator. Das kommt daher, dass im Brönsted-Lowry-Konzept die Protonen betrachtet werden, während im Lewis-Konzept die Elektronenpaare im Blickpunkt stehen.

Nach der Brönsted-Lowry-Theorie ist die Reaktion

H–Cl + H2O ---> H3O^+ + Cl^–

eine Säure-Base-Reaktion, weil die Säure H–Cl den gebundenen Wasserstoff in Form eines Protons (H^+) abgeben kann. Damit ist H–Cl eine Säure, weil sie ein Protonendonator ist.
Umgekehrt fungiert hier das Wassermolekül H2O als Protonenakzeptor, weil es das Proton der Säure HCl aufnehmen kann (und dies auch tut). Damit erfüllt Wasser die Definition einer Base im Brönsted-Lowry-Konzept.

Betrachtet man die gleiche Reaktion aus dem Blickwinkel der Lewis-Konzeption, bleibt es ähnlich. Nach Lewis ist das Chloratom im H–Cl eine Säure, weil es in der Lage ist, das bindende Elektronenpaar zum Wasserstoffatom ganz bei sich zu behalten (es zu akzeptieren!). Das Chloratom ist also ein Elektronenpaarakzeptor und damit eine Lewis-Säure. Der gebundene Wasserstoff kann also das bindende Elektronenpaar dem Chloratom überlassen und als Proton (H^+) abgespalten werden. Als gebundener Wasserstoff ist er daher eine Lewis-Base, aber als abgespaltenes H^+-Ion ist das Proton eine Lewis-Säure, weil es Elektronenpaare akzeptieren kann (und auf der Suche danach ist).
Umgekehrt besitzt das Wassermolekül im Molekül ein Sauerstoffatom, das freie (nichtbindende) Elektronenpaare besitzt. Eines davon kann der Sauerstoff dem "suchenden" Proton H^+ anbieten und zur Ausbildung einer Bindung zur Verfügung stellen. Damit ist das Sauerstoffatom im Wassermolekül also ein Elektronenpaardonator, also eine Lewis-Base.

Die Lewis-Säure-Base-Theorie ist noch umfassender als die Brönsted-Lowry-Konzeption, weil sie nicht mehr darauf angewiesen ist, dass eine Säure abspaltbare Wasserstoffatome enthalten muss. Sie kann daher auch Reaktionen als Säure-Base-Vorgänge auffassen, wo Protonen gar keine Rolle spielen.

So ist die Reaktion in deinem geposteten Beispiel nach Lewis auch eine Säure-Base-Reaktion, was im Brönsted-Lowry-Konzept nicht der Fall wäre:

AlCl3 + Cl^– ---> AlCl4^–

Hier werden keine Protonen abgegeben oder aufgenommen, weil gar keine Protonen vorkommen. Deshalb ist das keine Säure-Base-Reaktion nach der Brönsted-Lowry-Theorie.
Aber das Aluminiumatom im Aluminiumchlorid (AlCl3) weist eine "Elektronenlücke" auf. Das heißt, es ist in der Lage, ein Elektronenpaar zu akzeptieren. Demnach ist das Aluminium im Aluminiumchlorid ein Elektronenpaarakzeptor, also eine Lewis-Säure. Umgekehrt ist das Chlorid-Anion in der Lage, eines seiner vier Elektronenpaare dem Aluminium zur Verfügung zu stellen. Es ist ein Elektronenpaardonator, also eine Lewis-Base.

Ich hoffe, die Zusammenhänge zwischen den drei Säure-Base-Konzepten von Arrhenius, Brönsted & Lowry sowie Lewis ist dir nun verständlich geworden.

LG von der Waterkant

danke :)

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