Welche Funktion hat die Szene "Kerker" für das ganze Drama ( Faust 1)?

2 Antworten

Die Kerkerszene, Funktion:

Sie soll einmal zeigen, dass Margarete (Gretchen) wahnsinnig geworden ist; sie hat ihr Kind ertränkt,außerdem war sie (allerdings unwissend) am Mord an der Mutter beteiligt (Gretchen dachte, es wäre ein Schlaftrunk). Das Urteil, Hinrichtung für die Kindsmörderin und die (angebliche, vom Gericht angenommene) Muttermörderin ist unausweichlich.


Zum Zweiten soll die Szene dartun, dass Faust Gretchen wirklich geliebt hat und nicht aus purem Vergnügen sich mit dem Mädchen eingelassen hat.

Das wird durch Fausts Rettungsversuch, durch den er sich selbst in Gefahr  brachte, bewiesen. Diese innere Einstellung Fausts ist wichtig für sein weiteres Schicksal, denn laut Wette mit Mephisto und laut den Abmachungen mit der „Herrn“ soll Faust aus rein irdischer Gier handeln und dadurch, d.h. seine Seele, dem Teufel gehören. Im Prolog im Himmel  sagt der Herr zu Mephisto: „Zieh diesen Geist von seinem Urquell ab.... und steh beschämt, wenn du bekennen musst: Ein guter Mensch, in seinem dunklen Drange, ist sich des rechten Weges wohl bewusst.“ Faust erweist sich hier als ein Mensch, der Verantwortung für die von ihm Verführte
übernimmt; in deren Not setzt er alles daran, das Mädchen, das er liebt, zu retten; damit wird gezeigt, dass Faust „sich des rechten Weges wohl bewusst ist.“ Die Affäre Fausts mit Gretchen nützt Mephisto, d.h. seinem Bestreben, die Wette zu gewinnen, überhaupt nicht.

Drittens zeigt die Kerkerszene, dass Margarete, d.h. ihre Seele, trotz ihrer schlimmen Taten, „gerettet“ ist. (Faust: "Und ihr Verbrechen war ein guter Wahn.") Das heißt: ihre Liebe zu Faust war aufrichtig, auch von ihrer Seite aus echt, also nicht rein irdisch, nur auf Sinnenbefriedigung ausgerichtet. Das bedeutet für Fausts Position gegenüber Mephisto ein Plus. Dessen Versuch, Faust zum „Staubfressen“, „und mit Lust“ (s. Prolog) zu verleiten, ist auf der ganzen Linie (zunächst)
gescheitert.

Diese auf beiden Seiten tief empfundene Liebe nützt
Faust auch am Schluss von „Faust II“: Die eine Büßerin, sonst Gretchen genannt, schwebt Fausts “Unsterblichem“ (Seele) entgegen. Mater Gloriosa zu Gretchen: „Komm, hebe dich zu höhern Sphären, wenn er dich ahnet, folgt er nach.“ Gretchen wird deshalb gerettet, weil sie – wie es in Faust II am Schluss heißt: „sich einmal nur vergessen, die nicht ahnte, dass sie fehle“. „Gönn auch dieser guten Seele.....dein (Mater Gloriosa) Verzeihen angemessen“, heißt es weiter.