was genau ist (die) moralische Instanz?

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Unter "moralische Instanz" versteht man das, weswegen man bestimmte moralische Werte hat.

Beispiel: Wenn jemand an Gott glaubt und deswegen sich an bestimmte moralische Werte hält (z.B. nichts stielt, nicht mordet, ...), dann ist Gott die moralische Instanz.

Wenn er sich aus anderen Gründen an bestimmte Moralvorstellungen hält, dann sind die anderen Gründe die moralische Instanz.


helmutwk  30.08.2014, 15:00

Oft wird auch das Gewissen eines Menschen als"moralische Instanz" bezeichnet.

elli13 
Beitragsersteller
 29.08.2014, 19:31

Vielen Dank!

Hallo,

mal Tacheles zu reden: Personen, die sich als moralische Instanz für andere aufspielen sind m.E. Scharlatane. Weil sie, wie die klassischen Scharlatane, zu oft auf Nachweise verzichten und ihre Position und ihren Einfluss hauptsächlich daraus beziehen, dass ihnen niemand entschlossen widerspricht.

Andererseits kann man einer Person für sich zu einer moralischen Instanz machen, einfach, indem man sie zu einer moralischen Angelegenheit befragt. Ihrer Rolle wird diese Person dann allerdings nur gerecht, wenn sie gute Gründe für ihre Einschätzung angeben kann. Womit wir bei der einzigen moralischen Instanz wären, die eine natürliche Gültigkeit hat: Der Vernunft, mit deren Hilfe wir erkennen könne, was gut und was richtig ist, und was nicht. Kann jemand, den man befragt, die Vernunft überzeugen, hat er etwas vollkommen anderes getan, als jene Marktschreier, die sich auf Ressentiment und Gefühl verlassen – Er hat einem einen Begründungsweg gezeigt, auf den man eben nicht von selbst gekommen ist. Verstehen muss man diesen Weg aber immernoch selber (während der Scharlatan vorgibt, das Verstehen selber zu übernehmen und alle anderen ihm blind vertrauen könnten).

LG,

Nemo


helmutwk  30.08.2014, 15:13
Womit wir bei der einzigen moralischen Instanz wären, die eine natürliche Gültigkeit hat: Der Vernunft, mit deren Hilfe wir erkennen könne, was gut und was richtig ist

Da Leute zu sehr unterschiedlichen Resultaten kommen, wenn sie die Vernunft befragen, könnte ich diesen Satz nicht unterschreiben.

Martin Luther hat gesagt: „Die Vernunft ist eine H u r e“, man muss ihr nur genug "bezahlen", dann denkt sie alles, was von ihr gewünscht wird. Ist nur minimal übertrieben - der Einfluss des Unbewussten auf das Denken kann kaum überschätzt werden.

nemoUnfound  31.08.2014, 10:26
@helmutwk

Nun, wenn ich in Mathe mit meiner Vernunft zu einem anderen Ergebnis gekommen bin, als die Lehrer, gab das einen Fehler. In Philosophie konnte ich die gröbsten Bösartigkeiten argumentieren – und das galt dann als brillant. Einzige Ausnahme waren die Logik-Kurse. Man müsste eigentlich immer logisch vorgehen. Mit genauen Definitionen, ohne jede Mehrdeutigkeit zuzulassen, mit den Unbewussten Erststäzen im vollen Licht des Bewusstseins und unter Ausschaltung der Angst vor dem, was man aus Angst in Unterbewusste abgeschoben hat und unter voller Verwendung des jeweiligen Kontextes. Dann hätten wir eine Chance.

Das Luther-Zitat habe habe ich übrigens immer anders verstanden (und ich weiß, dass das jetzt nach Selbstanwendung Deiner Aussage aussieht^^, aber da hat mir eigentlich immer der Textzusammenhang gefehlt) – sie tut's für jeden, der die nötigen Mittel mitbringt, um sich ihre Dienste leisten zu können. Und wie auch eine tatsächliche Prostituierte kann sie nur das tun, was sie können kann. Stellt man sich ihr gegenüber etwa so dämlich an, wie ein Geoffrey Barateon, und schießt mit der Armbrust drauf, wird man sie töten.

Was schlägst Du übrigens sonst vor? Die Schrift muss ausgelegt werden. Und auch, wenn die Schrift sich selbst auslegt, muss diese Auslegung gefunden und verstanden werden.

Liebe Grüße

von Nemo

helmutwk  31.08.2014, 11:41
@nemoUnfound
Nun, wenn ich in Mathe mit meiner Vernunft zu einem anderen Ergebnis gekommen bin, als die Lehrer, gab das einen Fehler.

Mathe (und fast genauso bei Naturwissenschaften) ist ein Bereich, wo die Vernunft dazu gezwungen werden kann, sich "anständig" zu benehmen, um im Bild zu bleiben. Nur sind das auch Bereiche, die nichts wirklich zur Ethik beitragen können. Wir können (im Idealfall) konstatieren was ist, nur ob das dann gut ist oder wir was gegen diese schlechte Welt tun sollen, diese Entscheidung ist dann immer noch offen.

Logik kann bei ethischen Entscheidungen eine große Hilfe sein, aber als Instanz würde ich sie nicht betrachten, sondern als Hilfsmittel.

mit den Unbewussten Erststäzen im vollen Licht des Bewusstseins

Dann wissen wir, dass A von den Erstsätzen X, und B von den Erstsätzen Y ausgeht. Und was hilft uns das?

nemoUnfound  31.08.2014, 15:54
@helmutwk

Freut mich :)

Wir können (im Idealfall) konstatieren was ist, nur ob das dann gut ist oder wir was gegen diese schlechte Welt tun sollen, diese Entscheidung ist dann immer noch offen.

Und deswegen wurde Pompej ausgelöscht. Weil die Bewohner über Generationen hinweg entschieden hatten, sich am Fuße eines aktiven Vulkanes sicher zu fühlen. Was sie in Kenntnis aller Fakten und mit einer Moral, die sich ein wenig mehr um das Leben bekümmert, vielleicht vermieden hätten. (Nebenbei bemerkt auch einer dieser Erstsätze, derer man sich bewusst sein sollte: Was ist Moral? Und: Was soll Moral leisten?)

Nur sind das auch Bereiche, die nichts wirklich zur Ethik beitragen können.

Sie können uns immerhin aufzeigen, wie wir das erreichen können, was wir wollen. Und, mit welchen Mitteln wir es garantiert nicht erreichen werden. Allerdings können sie uns in der Tat nicht unbedingt sagen, was wir wollen sollen. Da greifen dann bei jedem wieder die (unbewussten) Erstsätze.

Logik kann bei ethischen Entscheidungen eine große Hilfe sein, aber als Instanz würde ich sie nicht betrachten, sondern als Hilfsmittel.

D'accord! Die Instanz ist derjenige, der sie verwendet (oder vermeidet, sie zu verwenden). Sorry, falls das falsch herüberkam.

Dann wissen wir, dass A von den Erstsätzen X, und B von den Erstsätzen Y ausgeht. Und was hilft uns das?

Wir können verstehen, wie A und B zu ihren moralischen Aussagen und Anforderungen kommen, sofern diese irgendeinen vernünftigen Zusammenhang mit X und Y aufweisen. Wir können überprüfen, ob alles weitere korrekt von X und Y hergeleitet wurde. Und nicht zuletzt können wir auch schauen, ob X und Y wahr sind. Mit anderen Worten: Wir können Fehler ausfindig machen – und die Möglichkeiten ihrer Korrektur.

... wo die Vernunft dazu gezwungen werden kann, sich "anständig" zu benehmen...

Mhä..ich glaube, jetzt haben wir das Bild überdehnt. "Unanständiger" Verstandesgebraucht ist m.E. bestenfalls eine Spielerei, und schlimmstenfalls eine Torheit (welche sich ihrerseits durch ihre Unvernunft auszeichnet^^). Und ja, manche verwenden sie, um allen anderen die Hölle auf Erden heiß zu machen. Allerdings gibt es auch Menschen, die sich mit Brotmessern suizidieren. Anwendungszweck verfehlt, in beiden Fällen.

Und nochmals: Wenn nicht die Vernunft, was sollen wir denn sonst nehmen?

LG

helmutwk  02.09.2014, 11:29
@nemoUnfound
Und deswegen wurde Pompej ausgelöscht.

Du hast meinen Punkt nicht verstanden. Mir ging es nicht um einzelne Entscheidungen (die natürlich anhand der Fakten getroffen werden sollten), sondern um die Herleitung der ethischen Normen.

Angenommen, jemand stellt fest, dass Menschen von Natur aus einen Hang zu Aggression und Grausamkeit haben. Sollen wir daraus folgern, dass wir ein "natürliches" Maß von Aggression und Grausamkeit für gut bzw. tolerierbar halten sollen, oder sollten wir gegen diesen Hang der menschlichen Natur ankämpfen? Die Fakten ("Was ist") helfen bei dieser Entscheidung nicht. - Ich hab ein simples Beispiel konstruiert, es geht dabei also nicht um die Frage, ob es tatsächlich so ist (was bei realen Beispielen natürlich auch gefragt werden muss!).

Und noch zu Pompeji: die haben sich ja nicht entscheiden, an einem aktiven Vulkan zu siedeln, sondern lebten bei einem (wie sie meinten) erloschenen Vulkan So wie wir heute auch in der Eifel siedeln, obwohl nicht klar ist, ob die Vulkane dort nicht doch noch in den nächsten 10.000 Jahren (und wenn wir Pech haben, noch in diesem Jahrhundert) wieder ausbrechen ...

Wir können verstehen, wie A und B zu ihren moralischen Aussagen und Anforderungen kommen, sofern diese irgendeinen vernünftigen Zusammenhang mit X und Y aufweisen. Wir können überprüfen, ob alles weitere korrekt von X und Y hergeleitet wurde.

Damit können wir einiges ausschließen, das nicht logisch ist. Ich hatte stillschweigend vorausgesetzt, dass dies schon geschehen ist ;)

Und nicht zuletzt können wir auch schauen, ob X und Y wahr sind.

Nein, bei Erstsätzen geht das per Definition nicht. Die Logik kann immer nur Schlüsse von P auf Q machen, ein Erstsatz P wird von nirgendwoher abgeleitet, kann also auch nicht bewiesen sein oder widerlegt werden. Eine Diskussion über die Wahrheit von P könnte höchstens zu der Erkenntnis führen, dass P kein Erstsatz ist, sondern durch einen (natürlich unbewiesen) neuen Erstsatz N bewiesen werden kann.

Wer keine unbewiesenen Erstsätze haben will, muss eine Folgerungskette ohne Anfang aufstellen; die ist entweder unendlich (so was kann vielleicht Gott, aber mit Sicherheit kein Mensch) oder beginnt damit, dass in Kreis argumentiert wird (was natürlich auch keine Lösung darstellt).

"Unanständiger" Verstandesgebraucht ist m.E. bestenfalls eine Spielerei

Mir gings darum, dass in der Mathematik (und mit Einschränkungen in der Naturwissenschaft) relativ leicht ein Konsens hergestellt werden kann, was gilt und was nicht. Woanders ist das deutlich schwieriger.

Und nochmals: Wenn nicht die Vernunft, was sollen wir denn sonst nehmen?

Gute Frage ;) Wir könnten versuchen herauszufinden, ob es ethische Positionen gibt, die von allen oder fast allen Menschen geteilt werden, das liefe dann auf eine Art "Naturrecht" hinaus. Oder schauen, welche ethischen Systeme sich im Lauf der Geschichte bewährt haben oder nicht.

Wenn ich mich nicht irre war es C.S. Lewis, der darauf hinwies, dass es (abstrakte) ethische Prinzipien gibt, die praktisch universal sind. Etwa "du darfst kein Mitglied deiner Gruppe ohne triftigen Grund umbringen". Die konkreten Normen unterscheiden sich dann durch Parameter (etwa die Größe der "eigenen Gruppe"), und die Frage wär, ob es so was wie eine Meta-Ethik geben kann, die Ethiken nach ihren Parametern beurteilt. So nach dem Motto: beim Tötungsverbot sollte die "eigene Gruppe" möglichst groß sein ...

PS: Wenn ich nicht gleich antworte, hängt das damit zusammen, dass es außer GF noch andere Seiten im Netz gibt und neben dem Netz noch das reale Leben ...

Wiktionary meint, eine Instanz ist eine Adresse, eine Einrichtung, der man für eine bestimmte Angelegenheit Autorität beimisst. Wenn es dann moralisch zugehen soll, so wäre beispielsweise die Ethik-Kommission eine moralische Instanz.

Auch religiöse Wertvorstellungen kannst Du in den heiligen Büchern nachlesen.

Das Dümmste, was die Menschheit je erfunden hat:
Moral und Gott.

Ich wollte interessehalber den Begriff auch gerade googeln und bin dabei zuerst auf den Link "Die Unmoralische - Schöner Morden mit der Bibel" gestoßen.

Ich glaube, die "moralische Instanz" können einzig und allein ein demokratischer Staat und seine Gesetze sein, auch wenn die Durchsetzbarkeit diverse Lücken und Fehler aufweist.