Was Bedeutet "Freiheit ist die Einsicht in die Notwendigkeit"?

9 Antworten

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Mit diesem Satz ist das Verhältnis von Freiheit und Notwendigkeit gemeint.

Freiheit des Menschen kann nicht absolut sein, denn sie ist an Bedingungen, an Zwänge oder eben an Notwendigkeiten gebunden. Freiheit kann also nicht in der Unabhängigkeit von Naturgesetzen oder gesellschaftlichen Gesetzmäßigkeiten bestehen, sondern nur in ihrer Erkenntnis und der erst damit verbundenen Möglichkeit, ihnen gemäß auf ein bestimmtes Ziel hin zu handeln.

Nicht in der geträumten Unabhängigkeit von den Naturgesetzen liegt die Freiheit, sondern in der Erkenntnis dieser Gesetze, und in der damit gegebnen Möglichkeit, sie planmäßig zu bestimmten Zwecken wirken zu lassen. [...] Freiheit des Willens heißt daher nichts andres als die Fähigkeit, mit Sachkenntnis entscheiden zu können. [...] Die ersten, sich vom Tierreich sondernden Menschen waren in allem Wesentlichen so unfrei wie die Tiere selbst; aber jeder Fortschritt in der Kultur war ein Schritt zur Freiheit.

(Friedrich Engels, Antidühring)

Dem mag so gedacht gewesen sein, nur ist die Geschichte anders verlaufen.

Im Grundgesetz ist verankert "Der Wille ist frei..." ganz ohne die Einschränkung "...die Fähigkeit mit Sachkenntnis entscheiden zu können...."

Es ist zweifelhaft, dass Politiker oder sonstige Inhaber von Macht die allumfassende "Fähigkeit mit Sachkenntnis zu enstcheiden" besitzen.
Mit diesem Anspruch ließe sich jede Diktatur begründen, manches "basta" des Altkanzler Schröder (SPD) oder "das ist alternativlos" von Kanzlerin Merkel (CDU).

Engels Herleitung "Freiheit ist die Einsicht in Notwendigkeit" ist mißverständlich und wurde schon deshalb mißbraucht.

Heutige demokratische Gesellschaften pflegen den Begriff "freiheitlich", was soviel bedeuten soll wie "der Freiheit ähnlich".
Geschichte ist nicht statisch, sondern ein dynamischer Prozess.

Aus diesem Grund ist im Grundgesetz die Meinungsfreiheit geschützt.
Denn jede demokratische Gesellschaft ist entwicklungsfähig, durch eine breite Meinungsbildung in ihrer Gesamtheit.

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@soisses

Hier geht es um Philosophie und nicht um ein politisches Aktionsprogramm. "Freiheit ist Einsicht in die Notwendigkeit" ist keine politische Losung, sondern Quintessenz des Verständnisses von Freiheit im dialektischen Materialismus. Das geht übrigens bis auf Hegel zurück.

Das Grundgesetz der Bundesrepublik ist dafür genauso irrelevant wie das Scheitern der DDR.

Was an Engels Herleitung missverständlich sein soll, solltest du schon erläutern, wenn du diese Behauptung aufstellst.

Freiheit als philosophische Kategorie kannst du nicht einfach mit dem politischen Recht der Meinungsfreiheit vermengen. Wem die Erkenntnis von Gesetzmäßigkeiten aus welchem Grund auch immer verwehrt ist, mag sich zwar trotzdem eine eigene Meinung unbehelligt bilden können, ist aber aufgrund seiner mangelnden Einsicht/Erkenntnis unfrei.

Ansonsten empfehle ich dir diesen Text:

http://www.marx-forum.de/marx-lexikon/lexikon\_f/freiheit.html

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Danke für den Stern!

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Die Menschen erleben Freiheit primär dann, wenn sie ihnen verwehrt wird, d.h. wenn sie entgegen ihren Bedürfnissen zu Handlungen gezwungen werden oder von angestrebten Aktivitäten abgehalten werden. 

Wenn sich nun ein Mensch umfassend sachkundig macht, wird er vielleicht gerade im Bereich des Zusammenlebens bei vielen Gesetzen und Ritualen feststellen, dass diese durchaus für das harmonische Miteinander sinnvoll sind. Er wird damit in vielen Fällen die Erfahrung machen, dass seine abweichenden Begehrlichkeiten nicht mit einer öffentlich stimmigen Moral in Einklang standen, und eben durch diese Einsicht gelingt es ihm, die Anzahl der seine Freiheit einschränkenden Erlebnisse substantiell zu verringern. In der Bilanz erfährt er also durch Einsicht mehr Freiheit, was genau mit dem von Dir vorgelegten Zitat gemeint war.

Oft ist die Aufforderung zur 'Einsicht' nur eine zur Kapitulation vor der Macht.

Wünschenswert wäre eine "Einsicht in die Notwendigkeit der Freiheit".

Einsicht in die Notwendigkeit ist eine manchmal notwendige Begrenzung der Freiheit, aber weder eine Bedingung für Freiheit noch gar die Freiheit selbst.

Und zu oft unterliegt die "Notwendigkeit" einer Definitionsmacht.

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Freiheit bedeutet / ist damit verbunden, dass man versteht, dass irgendetwas notwendig ist.

Hi,- es gibt ja schon zwei Beiträge zur Urheberschaft dieses Satzes und einige Andeutungen zur argumentativen Schwäche, die darin steckt.

Würden wir diesem Satz 1:1 folgen wäre die nächste Frage: Wer bestimmt / definiert das "Notwendige" als Synonym für eine "gottgegebene Faktizität" woraus die abschließende Frage folgt: Was ist der Grund, dass es immer wieder Menschen gibt, die sich offensichtlich für Gott halten, um das "Notwendige" als solches behaupten zu können und welche psychische Störung ist dafür verantwortlich.

Bei aller Sympathie für Engels, der vielleicht sogar manchmal der überlegtere von beiden war aber das Problem besteht in der naiven Übertragung einer naiven Vorstellung von Physik (die ja damals noch sehr klassisch mechanistisch-linear-kausal gedacht wurde) als Funktionsparadigma für Gesellschaften / Menschen. Einer Idee von Gerechtigkeit mit der Metapher von "Naturgesetzen" den Charakter einer "Unausweichlichkeit" in ihrer Entwicklung geben zu wollen oder Interventionsformen der Macht als "unausweichlich notwendig" begründen zu wollen war neben der Unterschätzung der Lernfähigkeit von Macht nicht der einzige Denkfehler, den die beiden gemacht haben.

Aber da gab es ja auch noch keine moderne Physik und auch keine moderne Systemtheorie und keinen >Kritischen Rationalismus<. Das hätte die beiden wahrscheinlich vorsichtiger gemacht.

Aber die Aufklärung gab es und vielleicht hätten sie sich mehr mit Kant beschäftigen sollen. Dann hätten sie vielleicht auch nicht so viele Bücher schreiben müssen, um am Ende doch wieder nur beim >Kathegorischen Imperativ< als Paradigma für die Organisation einer gerechten Gesellschaft zu landen.

Gruß


Viel geschrieben, wenig gesagt, außer einen von metaphysischem Dachschaden geprägten Ansatz angedeutet.

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@PeVau

Genau das habe ich über deine heruntergeleierte "Vorlesung" gedacht - höflicherweise aber nicht artikuliert. - Manchmal ist das eigene Unverständnis eben genau nur das,- also nicht der Ausdruck einer "falschen" Argumentation sondern der Spiegel der eigenen "Dunkelzonen" im Kopf. Die leuchtet man aber sicher nicht mit dummer Überheblichkeit aus.  - Was den "metaphysischen Dachschaden" betrifft möchte ich den mit deiner Hilfe einmal praktisch vorführen: Was bitte schön sind  "Gesellschaftliche Gesetzmäßigkeiten" und in diesem Zusammenhang nach deinem Verständnis "Erkenntnis" außer Pseudo-Mechanismen einer trivial-kausalen Quasi-Physik im Kosmos deiner "hegelianischen BlackBox" - Na wenn das kein "metaphysischer Dachschaden" ist. - :-D

Aber wie schon aus deiner Sprechautomaten-Antwort auf einen Beitrag von >soissesPDF< hervorgegangen ist, ist die argumentative Auseinandersetzung mit anderen Denkansätzen wohl nicht so dein Ding, Zitat:"Wem die Erkenntnis von Gesetzmäßigkeiten aus welchem Grund auch immer verwehrt ist, mag sich zwar trotzdem eine eigene Meinung unbehelligt bilden können, ist aber aufgrund seiner mangelnden Einsicht/Erkenntnis unfrei." - Fazit: Du scheinst Erkenntnis mit Erleuchtung zu verwechseln und Erleuchtung schließt bekanntlich kritische Selbstdistanz durch Selbstblendung aus. ;-)

Gruß

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