Warum war Hitler sehr beliebt in Deutschland?

7 Antworten

Der deutsche Nationalismus war nach dem Ersten Weltkrieg und den Vorgaben des Versailler Vertrags sehr angeschlagen und viele Deutsche litten an gekränktem Nationalstolz.

Daher hatten nationalistische Bewegungen natürlich einen nicht unwesentlichen Rückhalt in der Gesellschaft.

Beeinflusst von der so genannten Ariosophie griff er zudem den Antisemitismus in der Gesellschaft auf und propagierte das Feindbild des "jüdischen Bolschewismus", mit dem er einen Sündenbock schuf und gleichzeitig politische Gegner diffamieren konnte.

Zusammen mit der Dolchstoßlegende wertete dies das deutsche Selbstbewusstsein wieder auf.

Wenn man dann noch Lohn, Brot und Arbeit verspricht, kann man natürlich mit einer erhöhten Popularität rechnen.

alle Deutschen haben Hitler gefeiert

das ist natürlich eine ziemlich unsinnige Behauptung.

Weder die Anhänger / Mitglieder der SPD, noch die der KPD haben "gefeiert", vielmehr wurden diese bereits in den frühen 30er Jahren verfolgt.


Daedalus723  25.05.2025, 16:41

Wirklichen Widerstand gegen Hitler gab es aber hauptsächlich aus konservativen Kreisen wie z. B. dem Grafen von Stauffenberg.

Weil eben - natürlich aus zeitgenössischer Sicht - nicht alles schlecht war.
Wenn wir vom Dritten Reich reden, dann haben wir meistens das Bild einer rassistischen, mordenden, unterdrückenden Diktatur vor Augen, die Deutschland und Europa in Schutt und Asche gelegt hat. Klar, das hat seine Richtigkeit, aber eben nicht nur. Wir haben da meistens das Bild der Kriegsjahre 1941-1945 vor Augen, blenden aber die Jahre 1933-1940 oft in ihrer Komplexität aus. Da geht es oft nur: Machtergreifung, Aufrüstung, Nürnberger Gesetze, Reichsprogromnacht und dann die Expansion ab 1938. Das sind einzelne wichtige Etappen, aber ignorieren, dass diese Jahre eben nicht auf ein paar Schlüsselereignisse zu reduzierbar sind.

Gerade auf die Frage des „Warum ist das passiert?“ Muss man sich anschauen, warum Hitler so Erfolgreich war. Was haben die Menschen damals als das „Gute“ wahrgenommen? Worin lag Attraktion, Faszination und Anziehungskraft des Nationalsozialismus?
Die gängigen Narrative der Verführung sind zwar stückweise berechtigt, aber zum „Verführer“ gehört immer jemand, der sich verführen lässt. Und ein Regime, dass nur auf Unterdrückung und Gewalt baut, das überlebt keine 12 Jahre. Die komplette Gewaltextase kam streng genommen erst 1941, als Hitler wusste, dass er den Krieg verloren hat. Und die Erosion und der Kollaps wurde dann von Außen herbei geführt. Die Jahre 1933-1939/40 waren im kollektiven Bewusstsein der damaligen Gesellschaft die „gute Zeit“.

Seit den 2000er Jahren gibt es da auch immer mehr Forschung dazu, die sich die NS-Ideologie und Propaganda genauer anschaut. Die Ideologie und Propaganda wurde sehr lange einfach abgetan, mit „braucht man sich nicht mit befassen, muss man nur erkennen“ aber solche Fragen wie: Wo setzte die an? Welche Kontinuität gab es? Wo traf Hitler die Nerven der Deutschen?
Z. B.: Die „Volksgemeinschaft“: Das war eine utopische Verheißung der Nazis, die eine egalitäre Gesellschaft versprach und sehr stark auf den deutschen Nationalismus abzielte. Wichtig ist das, dass keine Realität war, sondern ein Versprechen, dass punktuell in einzelnen Events konstruiert wurde, aber - als der Krieg 1941 kam - sehr schnell komplett implodierte. Und da war es dann auch vorbei mit der Loyalität und es folgte Unterdrückung und Gewalt bis 45.


beamer05  23.05.2025, 21:24
Die Jahre 1933-1939/40 waren im kollektiven Bewusstsein der damaligen Gesellschaft die „gute Zeit“.

... so lange man nicht Anhänger der SPD oder gar der KPD - oder Jude - oder Sinto / Roma - oder sonst nicht angepasst war (und zusammen waren das nicht eben Wenige)

Udo107  23.05.2025, 21:42
@beamer05
und zusammen waren das nicht eben Wenige

Aber eben auch keine Mehrheit. Und das ist das Entscheidende. Die große Mehrheit wurde von Ideologie und Propaganda mitgenommen. Anders hätte das System überhaupt nicht funktioniert.

Selbst mit Verfolgung ... am Ende waren das "nur" wenige. Und auch, wenn das natürlich schlimm ist, das muss man erstmal zur Kenntnis nehmen um zu verstehen, wie das System funktionierte und das 12 Jahre. Schau Mal:

Deutschland hatte 1933 ca. 65 Millionen Einwohner

1 Millionen Mitglieder hatte ca. die SPD, 90.000 die KPD, 561.000 waren Juden und 130.000 Sinti und Roma. Macht - wenn man davon ausgeht, dass es da keine Schnittmengen gibt, was unrealistisch ist, kommt man auf 1.681.000 Menschen.

Und in Prozent heißt das, dass 2,5% der Bevölkerung unter der Verfolgung zu leiden hatten. Die anderen 97,5% profitierten, blieben weitgehend unbehelligt oder waren "anpassungsfähig". Und das ist eine Sache, die man eben zu Erkenntnis nehmen sollte, wenn man sich mit dem Dritten Reich befasst und verstehen möchte, wie es dazu kommen konnte, warum die Mehrheit der Deutschen da mitgemacht hat.

beamer05  23.05.2025, 21:50
@Udo107

Du schriebst von Mitgliedern (Parteien), Ich schrieb von Anhängern - das war damals wie heute, dass es selbstverständlich deutlich mehr Anhänger gab und gibt, als eingeschriebene Mitglieder - und man brauchte wahrlich kein Parteimitglied sein, um für seine Ansichten - so sie denn bekannt wurden - verfolgt zu werden, da reichten schon ein paar missbilligende Worte oder ein "unpassender" Witz.

Von daher ist es massiv beschönigend, davon auszugehen, dass "nur" 2,5% der Bevölkerung Verfolgung und kriminalisierung ausgesetzt gewesen wären etc.

Und nicht mal bei den Wahlen 03/33 gab es eine absolute Mehrheit für die Braunen - trotz aller Einschüchterungen. (Danach waren die "Wahlen" ohnehin keine mehr)

Sollte Dir als Historiker(?) doch geläufig sein ;)

Udo107  24.05.2025, 01:08
@beamer05
Von daher ist es massiv beschönigend, davon auszugehen, dass "nur" 2,5% der Bevölkerung Verfolgung und kriminalisierung ausgesetzt gewesen wären etc.

Von mir aus können wir über die genaue Zahl ewig und drei Tage diskutieren. Für die von dir genannten Gruppen sind die 2,5% die Zahlen, soweit nachweisbar. Zahlen über Anhänger auérhalb von Parteilisten wird man schwer ermitteln können

An meiner Grundaussage ändert das ja nichts. Auch, dass es ein Denunziationsystem gab steht außer Frage, aber auch das richtete sich gegen eine Minderheit und nicht gegen die Mehrheitsbevölkerung. Ob uns das aus unserer heutigen Perspektive gefällt oder nicht - und mir ist schon klar, dass das eine bittere Pille ist - es lebte sich für die Mehrheitsbevölkerung durchaus angenehm in den Friedensjahren des Dritten Reiches.

Und auch dass die Wahlen oder alles danach keine Wahlen im heutigen, demokratischen Sinne waren steht außer Frage. Dennoch ist das Bild, dass wir vom Dritten Reich haben als diktatorische Gewalt, Terror und Vernichtung nicht die der meisten Zeitgenossen, ob sie Hitler nun gewählt haben oder nicht. Und gerade, wenn man ergründen will, warum denn so jemand wie Hitler an die Macht gekommen ist. warum ihm eine Viertel Millionen auf dem Heldenplatz 1938 zu gejubelt haben, warum viele Menschen nach 1945 durchaus Positiv auf die 1930er Jahre zurückblicken, muss man die "Faszination des NS-Regimes" ergründen, die es auf die Menschen damals hatte.

Ähnlich wie die Kommunisten war Hitler wohl eine Art politischer „Rattenfänger“, der den Menschen Hoffnungen auf ein besseres Deutschland machte als dem der Weimarer Republik mit ihrem Elend der breiten Massenverarmung aufgrund des Versailler „Vertrages“.

Wenn man damals SPD, Zentrum (CDU-Vorgängerpartei) oder DDP (FDP-Vorgängerpartei) wählte, so wählte man faktisch die sogenannte „Erfüllungspolitik“, d. h. eine Politik, welche das Unrecht begang, die absurden Versailler Forderungen der westeuropischen Kolonialunterdrücker tatsächlich erfüllen zu wollen. Das war in Deutschland zu Recht extrem unpopulär, da damals jeder wußte, dass die Deutschen hier für einen Krieg bestraft werden, den weder sie noch ihre Regierung gewollt hatten, der vielmehr im Interesse der westlichen Imperialmächte sowie Russlands geführt wurde. Die Leute, die dennoch Parteien wie SPD, Zentrum oder DDP wählten, taten dies aus der Resignation der scheinbaren Alternativlosigkeit heraus: Würden die Deutschen aus dem Versailler Diktat nämlich aussteigen, so wäre der Krieg und das Ermorden von Deutschen wieder losgegangen. Die Briten haben ja 1918/19 durch ihre berüchtigte Hungerblockade ein diesbezügliches Exempel statuiert und durch die Blockierung der Nordsee durch Kriegsschiffe den deutschen Nahrungsexport gestoppt. Ergebnis: 763.000 Menschen sind damals in Deutschland verhungert. Kurz zuvor hatte der britische Imperialist Winston Churchill übrigens gerade im Iran Nahrungsmittel einziehen lassen und dort sogar eine Hungersnot mit über 8 Millionen Toten evoziert!

Sobald Deutschland unbotmäßig wurde und die Zwangsabgaben dieses „Vertrages“ nicht erfüllte, konnten die westlichen Imperialmächte mit den Deutschen also machen, was sie wollten. Als die Deutschen Anfang der 20er nicht in dem vom gierigen Frankreich verlangten Maße Kohle liefern konnten, wurde sofort das Ruhrgebiet besetzt. In der französischen Armee wurden dabei schwarze Kolonialsoldaten ermuntert, Frauen nach Belieben zu vergewaltigen, was einer besonderen Demütigung der Deutschen gleichkam.

Die Nationalsozialisten nun wollten ja diesen „Vertrag“, der zu Hunger und Armut für zig Millionen führte, aufräumen und versprachen Wege, auf denen dies möglich war.

Das versprachen freilich auch die Kommunisten, die diesen „Vertrag“ ebenfalls nicht anerkannten. Doch die Kommunisten waren ab dem Zeitpunkt nicht mehr wählbar, ab dem man erfuhr, was in Russland zur selben Zeit geschah, nämlich Terror, Verfolgung, Internierung und grauenvolle Massenmorde im Namen der angeblichen „Befreiung der Arbeiterklasse“ zu etlichen Millionen.

Was also sollten die Deutschen tun? Sie waren zwischen der realen Skylla des zu Massenarmut und Hunger führenden Versailler „Vertrages“ und der Charybdis der potentiellen Gefahr der Machtübernahme kommunistischer Massenmörder gefangen.

So erschien ihnen damals Hitler und seine neue nationalsozialistische Bewegung als der Retter in der Not. Daß Hitler aber, nicht anders als die Kommunisten, selbst auch wieder nur ein politischer Trickbetrüger war, konnten damals nur wenige ahnen. Ein paar Konservative wie z. B. Erich Ludendorf oder später Graf von Stauffenberg haben Hitler durchschaut, nicht aber die breiten Massen des Volkes.

Es haben ihn in erster Linie alle Anhänger gefeiert, wo er war. Die ihn nicht gut fanden oder denen er egal war, sind natürlich zuhause geblieben.

Beliebter wurde er, als er - im Gegensatz zu seinen Vorgängern - die Wahlversprechen eingelöst hat, z.B. die bittere Armut und Arbeitslosigkeit gesenkt hat, u.a. durch Wiederaufrüstung und mehr Investitionen in den öffentlichen Verkehr. Dazu kam noch der empfundene Respekt und Selbstrespekt - genauso wie bei den Russen wegen Putin jetzt auch.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Studium und Beruf