Warum behaupten manche Gläubige beharrlich, der Atheismus wäre ein Glaube?

22 Antworten

Zwischen Gottesglauben und Atheismus herrscht ein uralter Glaubensstreit. Wer behauptet, der Atheismus sei auch ein Glaube, der stellt ihn damit auf eine Stufe mit dem Glauben an Gott.

Das ist aber nicht im Sinne aller Beteiligten, die an der Klärung dieser Frage interessiert sind. Viele wollen ihre Sichtweise besonders gewürdigt sehen, indem sie sagen: "Ich glaube an Gott! Wer meint, es gebe keinen Gott, der ist ungläubig, oder: "Für mich ist klar, dass es keinen Gott gibt!" Wer meint, es gebe Gott, der ist ein naiver Gläubiger."

Es kommt auf die Definition von Glauben an. Glauben ist etwas für wahr halten, was man nicht weiß oder nicht wissen kann. Glauben kann aber auch heißen, dass man ein höheres Wesen bejaht und verehrt und natürlich seine tatsächliche Existenz dabei voraussetzt; damit hat der Glaube ein Gegenüber, ein Wesen, an das man glaubt; wohingegen der Atheist eben kein solches Wesen für möglich hält und damit nicht glaubt.

(Die Begriffe legen einen im Denken immer fest auf eine bestimmte Sichtweise, so wie sie dem den Begriffen gegebenen Inhalt entspricht. Will man sich genauer oder verständlicher ausdrücken, so muss man sein Denken präzisieren, indem man zusätzliche Begriffe zur Hilfe nimmt. Aber immer bleibt es beim Reden in Begriffen. Lebendiges Denken ist aber eigentlich begriffsfrei; die Begriffe dienen nur der Übersetzung des Denkens in eine allgemeinverständliche Sprache. Leider gibt es dabei häufig Missverständnisse; eine vollkommene Übertragung des lebendigen Denkens ist mittels Sprache nicht möglich.)

Solche Aussagen habe ich auch schon häufig gelesen. Und für schwachsinnig befunden. Sie werden meist getätigt, um Atheisten zu diffamieren und ihnen zu "beweisen", dass sie ja eigentlich auch Gläubige sind.

Diese Leute sagen: ein Atheist glaubt, dass es keinen Gott gibt. Somit hat er also einen Glauben. Wenn man diesen Gedanken aber zu Ende denkt, zeigt sich der ganze Unsinn.

Jeder Mensch "glaubt" irgendwann im Leben etwas. Wenn man gerade mit seinem/seiner Partner/in zusammengekommen ist, wird man wohl glauben, dass diese/r aufrichtige Gefühle empfindet, und es nicht auf den eigenen Geldbeutel abgesehen hat. Wenn man sich auf eine neue Stelle bewirbt, glaubt man in der Regel, dass man für diesen Job gut geeignet ist. Wenn man in ein Taxi steigt, glaubt man höchstwahrscheinlich, dass der Fahrer einen Führerschein besitzt und nicht im alkoholisierten Zustand die Straßen unsicher macht.

Sind das nun alles "Glaubenssysteme" im religiösen Sinne? Nein. Warum sollte es also beim Atheismus, der sich ja sogar als "nicht-Glauben" definiert, anders sein? Ich glaube zum Beispiel nicht, dass ich in den nächsten Jahren Millionär werde. Macht mich das jetzt zum Gläubigen?

Der Dialog zwischen Menschen verschiedener Glaubens- und Wertevorstellungen sollte immer mit einer gewissen Achtung vor dem anderen Menschen stattfinden. Einen Atheisten als "in Wirklichkeit gläubig" zu bezeichnen, ist da keine gute Grundlage. Wer als gläubiger Mensch Respekt erwartet, sollte diesen auch selbst ausleben.

Leider sind Deine Vergleiche mit dem Taxi usw. etwas schief. Die von Dir angeführten Aussagen sind im Prinzip alle überprüfbar. Das gilt für die Nichtexistenz eines Gottes genau so weinig wie für die Existenz. Wer einfach nicht an einen Gott glaubt, ist ein Agnostiker. Ein Atheist ,,glaubt" ausdrücklich an die Nichtexistenz eines Gottes.

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Atheismus bezeichnet die Abwesenheit oder Ablehnung des Glaubensan Gott bzw. Götter.

Für mich ist religion der größte Schwachsinn schon fast Sekte.

Mal vorneweg: Tillich hat hier vollkommen unrecht, denn Zweifel bedeutet Nichtvertrauen, und Nichtvertrauen ist einer Überzeugung kontraproduktiv.

Was das jetzt mit Glaube zu tun hat?

Glaube kann auch sein: Überzeugung. Überzeugt sein von einer Sache, einer Person, einer Gegebenheit, ohne diese beweisen und belegen zu können, aus einer inneren Erkenntnis heraus....

Hier schließen wir nun den Kreis Deiner Frage: Da ein Atheist von einem Gott losen - a theistischen - Weltbild überzeugt ist, stellt diese Überzeugung ebenso ein Glaube dar: Ein Glaube von einer Nichtexistenz eines Gottwesens, einer Gottheit bzw. etwaigen Göttern...

Und diese Erklärung (Glaube = unbeweisbare Überzeugung) wird insofern noch bestätigt, als dass auch sie ihre Überzeugung nicht belegen und beweisen können...

womit es auch bei ihnen 'nur' bei einem Glaube bleibt...

Nicht der Atheismus per se ist ein Glaube, sondern die unbeweisbare Überzeugung einer Nichtexistenz Gottes stellt ein Glaube dar...

Diese Gläubigen flüchten emotional in ihre Glaubensgemeinschaft und fürchten sich vor allem, was dieser spirituellen Heimat fremd ist. Deshalb trösten sie sich mit der Absurdität, alle Nicht-Gottgläubigen seien ja "Glaubensbrüder im Geiste mit etwas abweichender Heilslehre". Damit schützen sie sich vor rationalen Auseinanderset-zungen mit der Religion. Warum sollten sie auch ihre traditionelle Religion gegen eine andere eintauschen? Man kann nach deren Auffassung doch nur konvertieren (z.B. "zum Atheismus konvertieren", wie auf GF immer wieder gefragt wird), aber nicht seine Glaubenszwänge einfach einmal abschütteln wie Kinderstubenmythen (wie z.B. Weihnachtsmann, Osterhase, Klapperstorch)?

Kurioserweise werden unter Gläubigen der angeblichen allgemeinen "Lehre der Atheisten" schier zahllose unterschiedliche Inhalte zugesprochen. Da scheint der Erfindungsreichtum der Religionslehrer schier unerschöpflich, wie man an den einschlägigen Fragen auf GF sieht.