Stellungnahme zum ersten Kreuzzug.

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Ich finde die Aufgabenstellung interressant: "anhand heutiger Wertvorstellungen". Muss man nicht als Historiker mit geschichtsimmanenten Maßstäben urteilen? Also mit Maßstäben, die man aus der Zeit die man erforscht zieht? Zumindest habe ich das Historische Urteil so verstanden. Nun gut. Gehen wir mal mit heutigen (westlichen) Wertvorstellungen daran:

  1. Religionsfreiheit. Kreuzfahrer sprechen "Ungläubigen" Existenzrecht ab, missionieren mit dem Schwert. Klarer Verstoß gegen die Religionsfreiheit.
  2. Menschenrechte (Recht of Leben): Verstoß, da zum Mord an Nichtchristen aufgerufen wird. Sinngemäß: "Einen Heiden zu Töten ist keine Sünde, sondern eine gottgefällige Tat."
  3. Demokratie? Das Wahlrecht liegt de facto exklusiv bei Adel und Klerus, also Fehlanzeige. Freiheit? Im Rahmen des Feudalen Systems, also unter Einschränkungen, ja. Obwohl ist das dann noch Freiheit? Rechtsstaat? Das Recht ist von Gott, sehr alt und darf nicht geändert werden. Es gibt keine Gewaltenteilung in den Kreuzfahrerstaaten und in Europa und in der Levante. Keine Politische Gleichberechtigung. Frauen werden gegenüber Männern benachteiligt. Das einfache Volk hat nichts zu sagen, trägt aber die Hauptlast. Immerhin gibt es keine Sklaverei (unter Christen).
  4. Zweifelhafte Legitimation: "Deus lo vult/Gott will es"
  5. Verstoß gegen das Völkerrecht: Exzesse von Kannibalismus. Massenmord an der Zivilbevölkerung Jerusalems, Plünderung, Vergewaltigung. Verstoß gegen die Genfer Konvention und damit das Völkerrecht. Es gab keine offizielle Kriegserklärung. Das Selbstbestimmungsrecht der Völker in der Levante wird verletzt, indem diese unter die Kreuzfahrerstaaten gezwungen werden..
  6. Vertragsbruch von Seiten der Kreuzfahrer, da die zurückeroberten Gebiete nicht wie vorher abgesprochen an das Byzantinische Reich zurückfielen.

Die Aufgabenstellung finde ich aber immernoch komisch, da heutige westliche Wertvorstellungen, wie sie in den Menschenrechten oder dem Völkerrecht festgehalten sind, im Mittelalter, wenn überhaupt nur rudimentär existierten; in Form der 10. Gebote zum Beispiel. Eine Stellungsnahme zum ersten Kreuzzug meinetwegen, aber anhand heutiger Wertvorstellungen? Bist du dir sicher dass du die Aufgabenstellung richtig aufgeschrieben hast?

Muss man nicht als Historiker mit geschichtsimmanenten Maßstäben urteilen?

Das hast Du richtig verstanden. Aus heutigen, eigenen Wertvorstellungen zu (ver)urteilen ist gerade das, was jeder Hanswurst kann und was die fachliche historische Schulung gerade abtrainieren sollte.

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@derdorfbengel

@karolusmagnus & @dorfbengel

Nun schüttet doch bitte nicht gleich das Kind mit dem Bade aus.

Ihr kennt weder den Unterrichtszusammenhang noch die genaue Art der Aufgabenstellung in der ganzen Klasse. Vielleicht hat ein Teil der Klasse den Auftrag bekommen, über die Kreuzzüge nach geschichtsimmanenten Maßstäben zu urteilen? Oder vielleicht hat die Lehrkraft vor, diese Hausaufgabe dazu zu nutzen, um "mehrgleisige" Beurteilungskriterien zu thematisieren? Wir wissen es nicht.

Warum dann diese Schelte auf Grundlage unzureichender Informationen?
Wir sind uns darüber einig, denke ich, daß es sinnvoll ist, ein komplexes Thema wie die Kreuzzüge "multiperspektivisch" anzugehen.

Dazu kann die kritisierte Aufgabenstellung ihr Scherflein beitragen.
Und selbstverständlich kann auch eine schöne Lösung wie die von dir gelieferte, karolusmagnus, dazu beitragen.

Gruß, earnest

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na ja, der erste Kreuzzug ist laut amin maalouf ziemlich in die Hose gegangen.

Erst sind die Kreuzritter mordend, raubend, vergewaltigend in den nahen osten gezogen (auch in Europa haben sie schon Pogrome gegen juden veranstaltet). Dann haben sich das die Leute dort nicht mehr bieten lassen und die Kreuzritter ziemlich vernichtend geschlage (Ritterrüstung in Wüste war nicht ideal)

Musst dir vorstellen, das waren tunichtgute aus aller herren länder (in Europa), die sich entweder bereichern wollten oder Straftaten "bereinigen" wollten, denn für Kreuzzug winkte der Ablass aller Sünden. Mit einem Wort: keine sehr empfehlenswerte Gesellschaft, nichts worauf Europa oder die katholische Kirche stolz sein muss....

Im Orient gab es damals noch viele byzantinische Christen, nach den Kreuzzügen nicht mehr, da wurde dann praktisch alles islamisiert, ausser teile von syrien, libanon...

auch die araber waren sich nicht einig und kämpften tw. gegeneinander

Er fing als Volkskreuzzug an. Unter Predigern und endete, nachdem ebendiese Scharen in Kleinasien von den Seldschuken vernichtend geschlagen wurden, mit Eroberung Jerusalems durch ein Heer franz-, lothringi. & normannischer Ritter.

Als der Vogt (Beschützer) des Heiligen Grabes ernannte Herzog v. Niederlotring (?), starb dessen Bruder der 1. König von Jerusalem. Die teilweise schon vorher entstandenen Kreuzfahrerstaaten neben dem Königreich Jerusalem die Grafschaft Edessa, das Fürstentum Antiochia und die Grafschaft Tripolis schwächten gegenseitig durch Rivalitäten und Thronwirren. Als der Islam sich zum Gegenstoß sammelte und Edessa diesem erlag, rief man zum 2.Kreuzzug auf.

Propaganda wäre noch ein Stichwort.

Der erste Kreuzzug war, wie immer man ihn moralisch bewertet, eine beachtliche militärische und organisatorische Leistung, die -mal wieder- unser Bild vom "finsteren", primitiven Mittelalter widerlegt! Er zeigt auch, daß die arabisch-islamische Kultur damals keineswegs soviel leistungsfähiger oder "überlegener" war, auch wenn man das heute oft so liest.

Interessant ist auch die These, die Kreuzfahrer handelten in einer Art "Notwehr", da die islamisch-arabische Expansion seit Jahrhunderten hochaggressiv voranschritt und den Christen schon viel Land gekostet hatte, z.B. Spanien. Diese letzte These finde ich aber etwas krude, wäre aber vielleicht interessant, daß mal zu erforschen.