Staatsform zur Zeit Elisabeth I. in England

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Eine zutreffende allgemeine Bezeichnung ist Monarchie. Sie war eine erbliche Monarchie.

Schwieriger ist die Frage, ob die Staatform mit Elisabeth I. als Königin eine konstitutionelle Monarchie war oder nicht. Ansätze dazu hat es gegeben, aber eine umfassende geschriebene Verfassung, von der die monarchischen Befugnisse eingeschränkt wurde, hat es nicht gegeben, nur einzelne Texte mit einigen Bestimmungen (z. B. die Magna Charta von 1215) und traditionelle mehr oder weniger verbindliche Üblichkeiten. England wurde erst 1688/9 mit der Glorreichen Revolution und der Bill of Rights (Gesetz der Rechte) in vollem Ausmaß eine konstitutionelle Monarchie und eine parlamentarische Monarchie. Indem Georg I. auf der Grundlage des von ihm anerkannten Act of Settlement (Thronfolgeregelung von 1701) den Thron bestieg, wurde dies bestätigt.

Die Staatsform könnte semikonstitutionelle Monarchie genannt werden, um auszudrücken, daß sie nicht voll, sondern halb/teilweise konstitutionelle Monarchie war.

Monarch und Parlament (Oberhaus und Unterhaus) bildeten zusammen einen Souverän des Landes. Allerdings hatte die Monarchin innerhalb dieser gedachten Körperschaft die ausschlaggebende Rolle und die Lords und Commons eine eher geringe eigenständige Bedeutung.

Ein grundsätzlicher Streit um die genaue Abgrenzung der Befugnisse von Krone und Parlament hat in der politischen Praxis höchstens eine untergeordnete Rolle gespielt.

Die Königin hatte Macht und Autorität, aber nicht unbegrenzt. Eine absolutistische Monarchie war England nicht. Auch das Parlament hatte gewisse Macht. Allerdings wurden Parlamente von der Königin einberufen, vertagt oder aufgelöst. Es gab daher nicht ständig oder fast ständig ein Parlament. Insgesamt hat es in Elisabeths Regierungszeit nur 13-mal ein Parlament gegeben. Ein Parlament hatte üblicherweise keine lange Dauer. Es hat Unterbrechungen von mehreren Jahren gegeben.

Zu einer Art Regierung Elisabeths wurde ihr «Privy Council» (Geheimer Staatsrat). Das Parlament hatte traditionell ein Etatrecht (Finanzmittel für den Haushalt). Beim Parlament lag die Steuerbewilligung. Das Parlament verabschiedete Gesetz, die allerdings erst mit Bestätigung der Königin in Kraft traten. In sehr wichtigen Fragen war die Königin an die Mitwirkung des Parlaments gebunden, soweit Angelegenheiten nicht in die königlichen Prärogative (Vorrechte) fielen.

Jürgen Klein, Elisabeth I. und ihre Zeit. Originalausgabe. 2., erweiterte Auflage. München : Beck, 2010 (Beck'sche Reihe ; 1586), S. 2 schreibt von der „Führung einer parlamentarisch begleiteten Monarchie“.

S. 23: „Entscheidungen über die Politik des Staates auf höchst formaler Ebene wurden im Parlament getroffen, einer Institution, die nicht nur über Regierungsvorlagen (bills) abstimmte, sondern zu den wichtigen Fragen des Haushalts, des Rechts und der Politik insgesamt Stellung nahm. Im Parlament konzentrierte sich der souveräne Wille des Staates. Die Konstruktion zur Zeit Elisabeths verband die Iden von Zustimmung und Repräsentation mit den Forderungen der Souveränität. In den neunziger Jahren betrachtete man die parlamentarische Zustimmung als von zwei Säulen getragen: vom Monarchen und von allen seinen Untertanen. Daraus ergab sich die allseitige Kompetenz der parlamentarischen Gesetze. Allerdings hat die Königin weniger auf die parlamentarische Schaffung neuer Gesetze Wert gelegt als auf deren Durchsetzung. Insofern rangierte die Exekutive vor der Legislative.

Kein Gesetz konnte ohne Zustimmung des Parlaments in Kraft treten. Das englische Parlament setzte sich aus dem Ober- und Unterhaus zusammen. Im ersteren waren die Bürger, die Grafschaftsritter und der niedrige Adel (gentry) vertreten, im Oberhaus die geistlichen und weltlichen Lords. Ein Gesetz konnte nur durch die Zustimmung beider Häuser verabschiedet werden. Selbst ein nach drei Lesungen in den »Commons« akzeptierter Gesetzentwurf konnte von den Lords abgelehnt, verbessert oder in die Ausschußarbeit zurückgegeben werden, bevor er zustimmungsfähig war. Nachdem beide Häuser zugestimmt hatten, bedurfte es erst der königlichen Bestätigung, um Gesetzeskraft zu erhalten. Das Parlament hatte traditionell das Etatrecht inne und war entscheidend für die Steuerbewilligungen. Ohne Steuergelder konnten die Tudor-Könige – dies gilt vor allem auch für Elisabeth – die Kosten der Staatsführung nicht bezahlen. Im Verlauf der Geschichte der Tudors kam der Gesetzgebung über »Statute Law« (parlamentarisch verabschiedet Gesetze) eine immer höhere Bedeutung zu.“

S. 25 - 26: „Obwohl Elisabeth Parlamente nicht schätzte und in ihrer fünfundvierzugjährigen Regierungszeit nur dreizehn einberief (in den drei Jahrzehnten vor ihrem Regierungsantritt war das Parlament achtundzwanzigmal einberufen worden), konnte sie doch aus finanziellen Gründen nicht auf sie verzichten. Außerdem ist es ausgerechnet der Einfluß ihrer eigenen Minister gewesen, welcher der Institution zugutekam. Es war die Praktik ihrer engsten Berater, die in entscheidenden Fragen oft schwankende oder störrische Königin mit Hilfe eines Parlaments unter Druck zu setzen.“

Hans-Christoph Schröder, Englische Geschichte. Originalausgabe. 6., aktualisierte Auflage. München : Beck, 2010 (Beck'sche Reihe : C.-H.-Beck-Wissen ; 2016), S. 26 - 27:
„Das Parlament hatte aufgrund intensiver und maßgeblicher gesetzgeberischer Tätigkeit nicht nur eine feste Stellung erlangt, sondre war auch noch stärker mir der englischen Identität verknüpft als im Mittelalter. Vor allem aber war im Zusammenhang mit der religiösen Neuordnung das Konzept des „King-in-Parliament“ entstanden, die „parlamentarische Trinität […] von König, Oberhaus und Unterhaus, bei der die souveräne Gewalt des Landes lag. Die Tatsache, daß im 16. Jahrhundert parlamentarische „statutes“ eine den königlichen Proklamationen eindeutig überlegene Qualität erhielten, sprach ebenfalls für seine Unentbehrlichkeit. Sogar Heinrich VIII: erklärte 1542, daß er in seinem Königreich niemals höher stehe, als wenn er im Parlament mit den Lords und Commons zu einem „body politic“ verbunden sei.

Selbst wenn man jedoch Oberhaus und Unterhaus – wie maßgebliche Zeitgenossen es taten – neben dem Monarchen als integralen Bestandteil der souveränen Gewalt betrachtete, blieb immer noch die Frage der Machtverteilung zwischen Krone und Parlament ungeklärt. Die Vorstellung des „Kin-in-Parliament“ ließ offen, wie die Kooperation und Harmonie zwischen den in diesem Begriff zusammengefaßten Organen dauerhaft gewährleistet werden konnte und wo im Konfliktfall das Übergewicht lag. Diese Fragen stellten sich angesichts des Grundkonsenses zwischen der Königin und den Führungsschichten des Landes und angesichts des Prestiges der Monarchin, das mit dem Sieg über die spanische Armada (1588) seinen Höhepunkt erreichte. nicht in akuter Schärfe. Sie deuten sich jedoch bereits in der Spätzeit ihrer Herrschaft an, und die nächsten beiden Jahrhunderte englischer Geschichte wurden von ihnen beherrscht.“

Michael Maurer, Kleine Geschichte Englands. Aktualisierte und erweiterte Ausgabe. Stuttgart : Reclam, 2007, S. 152 – 153:
„Als Prärogative der Krone galten damals: Entscheidung über Krieg und Frieden, Zusammensetzung des Privy Council, Münzrecht, Dispens von der Anwendung von Gesetzen im Einzelall, Ernennung der Beamten, Rechtsprechung, überlieferte feudalrechet. In allem Übrigen war die Krone an die Mitwirkung des Parlaments gebunden. In elisabethanischer Zeit erhoben sich erstmals Stimmen, welche eine allgemeine Redefreiheit postulierten. Entscheidend war, daß das Parlament noch immer keine autonome Institution war, sondre an die Einberufung, Vertagung oder Auflösung durch die Krone gebunden war, wogegen sich auch keinerlei Widerstand regte. Insofern ist es durchaus gerechtfertigt, von Parlamenten nur im Plural zu reden. In den fast 45 Jahren der Regierungszeit Elisabeths wurden diese nicht öfter als dreizehnmal einberufen. Es wurden weniger Gesetze als in den vorangegangenen Jahrzehnten verabschiedet. Das Gewicht verschob sich von der Politik auf die Verwaltung.

Dem Parlament kamen zwei Funktionen zu: der Königin Steuern zu bewilligen, was grundsätzlich für militärische Unternehmungen gefordert wurde, und Gesetz zu verabschieden. Gesetzesvorlagen konnten sowohl im Oberhaus als auch im Unterhaus eingebracht werden; Gesetzeskraft erlangten sei erst, wenn sie in beiden Häusern mit Mehrheit beschlossen und von der Königin in Kraft gesetzt wurden. Organisierte Parteien oder eine ständige Opposition gab es noch nicht.“

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@Albrecht

Vielen, vielen, vielen lieben Dank für die ausführliche Antwort! Hat mir sehr geholfen. :)

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