Regenerationsvermögen von Acetabularia?

1 Antwort

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Moin,

Versuch 1:

Die einzellige Alge Acetabularia sp. (das ganze Ding ist eine Zelle!) besteht aus einer Wurzelregion mit Zellkern, einer Stielregion und einer arttypischen Schirmregion.

Jungalgen haben noch keinen Schirm.

Wenn man nun einer noch schirmlosen Jungalge die Spitzenregion vom Stiel und von diesem auch noch die Wurzelregion abtrennt, dann regeneriert sich die Alge zum Teil. Aus der Spitzenregion wird ein Stück Stiel und ein arttypischer Schirm.

Die Stielregion bleibt wie sie war: schirm- und wurzelregionlos...

Aus der Wurzelregion regeneriert eine vollständige Schirmalge (mit allem drum und dran).

Versuch 2:

Wieder wird eine schirmlose Jungalge in drei Teile getrennt. Diesmal wird aber zusätzlich der Zellkern aus der Wurzelregion in die Stielregion transplantiert. Diesmal regeneriert sich die (mit dem Zellkern ausgestattete) Stielregion zu einer vollständigen Schirmchenalge (mit allem Pipapo)...

In der abgetrennten Spitzenregion wurde erneut ein arttypischer Schirm gebildet, während sich diesmal in der Wurzelregion nichts tat.

Das zeigt schon einmal, dass sich im Zellkern offenbar die Erbinformationen für die Ausbildung einer vollständigen Schirmchenalge befinden, weil im ersten Versuch nur die Wurzelregion vollständig regenerierte, während im Versuch 2 die Stielregion regenerierte, nachdem sie mit dem Zellkern ausgestattet worden war. Und das, obwohl im ersten Versuch sich diese Region (damals ohne Kern) gar nicht regenerierte. Da sich in Versuch 2 die (nun kernlose) Wurzelregion nicht regenerierte, kann man festhalten, dass es nicht an der Region liegt, ob eine Regeneration stattfindet.

Unklar war aber bis dahin die Rolle der Spitzenregion bzw. warum sie einen Schirm (aber keine Wurzelregion) ausbildete...

Versuch 3:

In diesem Versuch wurde der Art Acetabularia mediterranea der Stiel entfernt und dieser auf die Wurzelregion (mit Kern) der Art Acetabularia crenulata gepfropft.

Spannend war nun, dass sich zunächst nicht der Crenulata-Schirm ausbildete, sondern ein Mediterranea-Schirm. Nachdem dieser nochmals entfernt worden war, entwickelte sich eine Mischform aus Crenulata- und Mediterranea-Schirm. Erst als auch dieser abermals entfernt wurde, bildete sich endlich ein Schirm aus, der typisch für Acetabularia crenulata ist.

Dieser Versuch zeigte, dass der Zellkern zwar die Information enthält, dass eine Jungalge an der Spitze des Stiels einen Schirm bauen soll und wohl auch das Baumaterial dafür liefert. Aber wenn es bereits Baumaterial gibt, dann wird zunächst dieses verbaut.

Das erklärt nicht nur, warum die in Versuch 1 und 2 abgetrennte Spitzenregion noch einen Schirm ausbildet (offenbar war das Baumaterial dafür schon vorhanden), sondern es erklärt vor allem auch, warum in Versuch 3 zunächst noch einmal ein Mediterranea-Schirm regeneriert, dann ein Mischling aus Mediterranea- und Crenulata-Schirm, um erst danach durch einen rein crenulatatypischen Schirm ersetzt zu werden.

Das kannst du dir so vorstellen, dass eine Firma für Ziegelsteine rote Klinker herstellt. Das Lager ist voll, da wird die Firma verkauft. Der neue Chef hat Kontakte zu einem anderen Zulieferer, so dass von nun an nur noch gelbe Klinker hergestellt werden können. Aber es gibt ja noch die roten Klinker im Lager. Also wird beim nächsten Bauauftrag zuerst der Lagerbestand verkleinert; es entsteht eine Mauer aus roten Klinkern. Die wird kurz nach dem Bau eingerissen. Nun werden die Restbestände des Lagers aufgebraucht und durch fehlende gelbe Neusteine ergänzt. Deshalb besteht die nun errichtete Mauer aus gelben und roten Klinkersteinen.

Erst als diese auch noch einmal eingerissen wurde, wird eine neue Mauer gebaut, die nun nur noch aus gelben Klinkern besteht...

Alles klar?

LG von der Waterkant

Vielen lieben Dank für deine ausführliche Antwort. Nun habe ich es auch endlich mal verstanden.

0