Pferde besamen?

10 Antworten

Bei den Reitpferden wird in Deutschland heute sehr viel mit KB - künstlicher Befruchtung - gearbeitet (bei Vollblütern, also den Rennpferden der Rasse Englisches Vollblut, ist es übrigens weltweit nicht zugelassen. Ist da auch besser so, sonst würden da nur noch zwei, drei Modehengste für Millionensummen benutzt und kleine Züchter hätten keine Chance mehr. Außerdem würde die Blutführung zu eng).

Also, bei Warmblütern (Reitpferde) ist das so: Ein männliches Pferd wird von Geburt an scharf angeguckt. Wenn das Fohlen richtig, richtig gut ist und eine interessante Abstammung (beide Eltern müssen im Zuchtbuch eingetragen sein und möglichst auch noch Linien angehören, von denen einige Pferde im Sport erfolgreich sind. Wenn sie dann noch eigene Leistung haben, sind sie interessant), bleibt es Hengst. Alle anderen - und das dürften um die 90 % sein - werden meist drei- oder vierjährig "gelegt", d.h. kastriert.

Die Hengste werden einer Zuchtkomission vorgestellt, wenn sie das gut überstehen, müssen sie einen längeren Test (früher 100 Tage, heute 30) in einem dafür zugelassenen Gestüt durchstehen, dann dürfen sie erstmal decken. Allerdings werden ihre Nachkommen dann immer wieder überprüft und wenn sie im Sport keine Erfolge bringen, bekommt der Vater irgendwann die Deckerlaubnis entzogen.

Früher war es übrigens bei (hoher) Geldstrafe verboten, einen ungekörten Hengst einzusetzen, aber das Gesetz wurde Mitte der 90er oder so wegen der EU aufgehoben.

Weiter geht's mit der Stute. Wer sinnvoll züchten will, nimmt eine gesundes Stute mit guter Abstammung, die möglichst auch Eigenleistung gebracht und eine sog. "Stutenleistungsprüfung" abgelegt hat.

Stuten werden üblicherweise zwischen April/Mai und September regelmäßig alle 21-22 Tage für eine Woche "rossig" - d.h. in der Zeit findet ihr Eisprung statt und in der Zeit lassen sie sich vom Hengst befruchten. Ansonsten kriegt er übrigens richtig Dresche, wenn er versucht, ihnen zu nahe zu kommen. Die meisten Hengste, die frei gehalten werden, also mit der Herde laufen, sind aber Gentlemen, die zwar imponieren und rumschreien, aber sehr lieb mit ihren Stuten umgehen (ist auch besser so - sonst kriegen sie von sämtlichen Damen in der Herde Prügel. Hengste sind - im Gegensatz zu alten Westernfilmen, die immer den "wilden Hengst" zeigen - in der Rangordnung unter den Stuten).

Auf dem Gestüt wird gedeckt, in dem ein Tierarzt oder ein Besamungstechniker (den Beruf kann man in einem dreimonatlichen Kurs an der Tierärztlichen Hochschule Hannover erlernen - was ich übrigens in den 90er Jahren gemacht habe) mit Ultraschall nachguckt, ob die hochrossige Stute (die zeigt verschiedene Symptome - so bietet sie sich zum Beispiel dem Hengst an, zeigt durch Heben ihres schweifs und Rausdrücken ihre erregten, geröteten Geschlechtsorgane) ein befruchtungsfähiges Ei hat. Wenn ja, wird mit einer Art Spritze Samen eingebracht - und der kommt entweder direkt vom Hengst (=Frischsperma); aus der Gefriertruhe oder per Post in einem Eimerchen mit Trockeneis (ich bin früher während der Decksaison zweimal mit einem Auto voller Eimerchen zur Bahnstation gefahren und habe die aufgegeben. Die sind dann per Expressbahnfracht durch ganz Europa gereist - so wie die Züchter sie angefordert hatten).

Spätestens 22 Tage später merkt man, ob es ein Treffer war - wenn die Stute nicht mehr rosst, ist sie tragend. Der Zustand hält dann für ungefähr 11 Monate an, dann kriegt sie ihr Fohlen.

Der Samen nun wird auf dem sog. "Phantom" gewonnen. Das ist ein sehr stabiles Gestell, auf dass der Hengst aufspringen kann (in der Natur springt ein Hengst von hinten auf die breitbeinig stehende Stute, schiebt ihr den erigierten Penis rein, macht genau sieben Stöße, samt ab und steigt wieder ab. Manche Hengste beißen der Stute dabei in den Hals und verletzen sie sogar. Andersrum kommt es nicht selten vor, dass die Stute mit den Hinterhufen nach dem Hengst schlägt. Deckakt ist durchaus nicht ungefährlich für Pferde - das war einer der Gründe, warum man auf KB umgestiegen ist. Ein zweiter Grund waren natürlich die sog. "Deckseuchen". Auch bei Pferden gibt es so was wie "Geschlechtskrankheiten". Und da erfolgreiche Hengste in der Saison schon mal 400-500 Stuten decken, würden die sich natürlich irre ausbreiten). An seinem hinteren Ende ist eine künstliche Scheide befestigt - eine Kunststoffröhre in der Größe einer Vagina, die außenrum mit warmem Wasser - 38° C ungefähr, also die Temperatur, die auch in einer Stute ist - befüllt wird. Vorne ist ein Glasröhrchen dran, in dem das Sperma gesammelt wird).

Junge Hengste gehen meist schon so aufs Phantom - die stellen sich da wahrscheinlich weiß-was vor (übrigens masturbieren Hengste auch - die Youngsters durchschnittlich alle 90 Minuten). Bei älteren Hengsten braucht es meist ein bisschen mehr Anmache - auf meinem Heimatgestüt ist dafür eine alte Ponystute zuständig. Die ist dauerrossig (kommt bei älteren Stuten schon mal vor, macht ihnen auch nichts, nur sind die dann halt öfter zickig) und paradiert darum gerne vor Hengsten. Die werden dann sehr munter - und natürlich lässt man sie dann nicht auf das Pony, sondern aufs Phantom.

Der Hengst kommt anschließend wieder in seine Box, der Samen unterdessen geht ins Labor. Dort wird er aufbereitet - mehrfach geteilt (meistens werden aus einem "Schuss" vier Portionen), unter'm Mikroskop angeguckt und dauernd gezählt (wenn der Anteil an befruchtungsfähigen Spermien im Ejakulat unter 30% sinkt, ist der Hengst aus der Zucht raus). Danach wird er in einem Spezialkühlschrank schockgefrostet und in Trockeneis eingelagert, bis er angefordert wird.

Üblicherweise kommt an der Stelle die Frage, was der Spaß kostet. Also, in der Warmblutzucht wird Samen zwischen 600 und 1500 Euro pro Portion verkauft. Ausnahmen - der angebliche "Superhengst" Totilas - gehen auch schon mal höher (bei Totilas waren es, glaube ich, 6000 ohne Trächtigkeitsgarantie. Inzwischen ist der Preis aber gefallen. Man hat jetzt gemerkt, dass der auch nicht nur Kracher macht).

Das sieht auf den ersten Blick nach einem Bombengeschäft aus und in der Tat - wer was davon versteht, seine Hengste vor den Prüfungen einkauft (da sind sie noch preiswert) und gut managt, kann damit schönes Geld verdienen. Freunde von mir haben z.B. eine Station, auf der meist ein Dutzend Hengste steht und drei, vier davon sind immer sehr begehrte Herren, die dann 400 - 500 Stuten in der Saison decken. Da werden Millionenumsätze gemacht.

Der Haken ist nur: Es ist ein Hochrisikogeschäft. Nehmen wir an, Du hast einen guten Hengstanwärter - also einen zweijährigen Hengst - gekauft. Der kostet schon mal 100.000 - sein Züchter weiß ja auch, dass der richtig gut ist. Zuhause stellst du den mit deinen anderen Junghengsten auf die Koppel, da prügelt er sich, holt sich einen komplizierten Beinbruch und muss eingeschläfert werden. Ende der Blütenträume, 100.000 Euro weg. Natürlich könntest Du das Tier versichern, aber größere Gestüte haben nicht nur einen Junghengst auf der Koppel, sondern ein Dutzend. Wenn sie die alle versichern wollten, würden sie mehr Geld für Versicherungen ausgeben als sie der Ausfall von sogar zwei Jungen kostet. Nun könnte man sie natürlich auch in Watte packen und in eine Box stellen, damit sie sich nicht prügeln. Aber da kriegen sie einen Klaps im Hirn, toben irgendwann, entwickeln ein Magengeschwür, entwickeln sich nicht gut - hat man also auch nichts davon.

nehmen wir an, in der Aufzucht passiert nichts. Dann muss der Junge zu seinen Prüfungen - und da kostet jede Geld und man muss auf jede vorbereiten, wozu man Leute braucht, die das machen können. Ich habe mal eine Deckstation mit 7 Hengsten geführt - da gab es außer mir als Besamungstechnikerin und Verwaltungsfuzzi (und wie oben erwähnt: Der Job wird auch oft von einem Tierarzt gemacht. Oder einem Landwirtschaftsmeister mit Zusatzqualifikation oder einem studierten Agrarwirt) noch einen Stallmeister (Pferdewirtschaftsmeister - also mit 6jähriger Ausbildung - aus dem Haupt- und Landgestüt Schwaiganger in Bayern), eine Pferdewirtin Zucht und Haltung (mit dreijähriger Lehre und Prüfung), einen Pferdewirtschaftsmeister Fachrichtung Reiten (6jährige Lehre am Bundesleistungszentrum für Reitere, zwei Olympiaeinsätze als Vielseitigkeitsreiter, eine Silbermedaille) und einen Pferdewirt fachrichtung Reiten - und die Leute wollten jeden Monat ihr Gehalt und Du kannst dir bei den Qualifikationen vorstellen, dass die nicht für den Mindestlohn gearbeitet haben. Dafür haben wir es geschafft, dass gut 75 % der Fohlen, die wir eingekauft haben, später gute Hengste wurden und dass die, die das nicht geschafft haben, wenigstens als Sportpferde gut verkauft werden konnten. Dennoch war ich immer froh, wenn ich am Ende des Zuchtjahres keine roten Zahlen schrieb, sondern einen Gewinn gemacht hatte.

tanzella  02.09.2018, 12:40

Das ist eine tolle ausführliche Antwort! LG 😃

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FrauBeckmesser  02.09.2018, 12:49
@tanzella

Witzigerweise wissen selbst Reiter oft nicht, wie das eigentlich geht. Dabei ist Zucht aber wirklich spannend und zum Beispiel die Hengstvorstellungen der verschiedenen Gestüte eine tolle Show! Die Haupt- und Landgestüte machen ihre Hengstshow meist im Herbst nach der Saison, die privaten Deckstellen machen sie im Januar/Februar davor - und da ist dann richtig was geboten.

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Burgmaid2  06.11.2018, 22:39

Sehr,sehr gute und kenntnisreiche Antwort!Danke!

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Wie besamt ein Mann eine Frau?

Pferde nutzen in der Regel aber nur eine Stellung.

Künstliche Besamung erfolgt halt mit einem künstlichen "Penis"...

Woher ich das weiß:Hobby

Gib auf Youtube "Hengst deckt Stute" ein, dann weißt du es.

Von hinten. Wie soll das auch sonst gehen? Sie können sich dabei nicht in die Augen sehen.

Burgmaid2  06.11.2018, 23:26

Na ,das ist ja eine sehr intelligente Antwort!

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