Lydische Quart Norwegische Volksmusik/ Edvard Grieg

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Hallo benBRO5m2!

Also natürlich gibt es diese Quart öfter mal bei Grieg, und vor allem da, wo er sich an die norwegische Volksmusik macht, aber ich habe so meine Probleme mit dem Begriff "lydische Quart". Das Lydische ist doch nicht nur eine Quart, sondern eine ganze Tonleiter. Etwas übrigens, was weit häufiger z.B. bei Bartok vorkommt, als bei Grieg.

Dort gibt es z.B. der Dur-Teil im 1. Norwegischen Tanz Op. 35, Nr. 1. Im Takt 90 wechselt er nach D-Dur, und schreibt Cantabile vor. Die Melodie - denkt man sie analog der Harmonisierung - verwendet die übermäßige Quart (gis). Allerdings - und so etwas gibt es eben ziemlich oft bei Grieg - kann man die Melodie auch hören als eine A-Dur-Melodie, die hier mit der "falschen" Tonart begleitet wird. Die Lydische Tonart selbst kommt bei Grieg nicht wirklich vor; dazu denkt er viel zu chromatisch und moduliert sehr schnell.

In dem Stück Halling in D-Dur (Lyrische Stücke, Heft 4, Opus 47, Nr. 26) benutzt Grieg die übermäßige Quart durchgehend als Vorschlag zu der bordunartigen Baßquinte. Die Melodie springt im Takt 9, 15, 19, 23 und 27 jeweils eine Quinte nach oben, während die Begleitung bei D-A bleibt. In diesen Passagen hört man die übermäßige Quinte deutlich. Als "lydisch" würde ich sie trotzdem nicht bezeichnen. Es ist doch zu offensichtlich einfach eine Transposition, die durch die durchgehend gleichbleibende Begleitung eine andere Farbe bekommt. Dazu trägt hier die übermäßige Quart natürlich entscheidend bei.

Gruß Friedemann

Also zunächst mal vielen lieben Dank für diese ausführliche und überaus hilfreiche Antwort!

Mit lydische Quart ist glaube ich nichts anderes gemeint als dass die Quart, im lydischen System wenn man die töne 1 und 4 nimmt einen Tritonus ergibt, und nicht wie bei der normalen Durtonleiter eine reine Quart. Vielleicht daher der Name (?), das wäre zumindest eine für mich halbwegs nachvollziehbare Erklärung.

Die norwegische Hardangerfiedel besitzt neben den vier Spielsaiten, die gestrichen werden ja noch weitere Resonanzsaiten aus Stahl oder Messing, die wie bei der Viola d’amore unter dem Griffbrett verlaufen und durch separate Öffnungen im Steg geführt werden. Diese klingen auch Bordunartig mit, vielleicht kann man das auch so herleiten, da sich hier oft eine Quint/Quart ergibt, bzw mit der Charakteristik von Griegs Musik in Verbindung bringen.

Das sind prinzipiell die Passagen meiner Arbeit die mir noch Fehlen, die Merkmale der norwegischen Musik (hier mit Hauptaugenmerk auf Grieg und Ole Bull) und ein Werkvergleich, bei dem ich einfach die jeweils typischen Merkmale hervorhebe.

Falls Du noch einen Rat für mich hast, was man da sonst noch gesondert hervorheben könnte und welches Werk sich gut eignen würde wäre ich Dir sehr dankbar! Bei Ole Bull habe ich an die Pollaca guerriera gedacht, da diese teilweise Vierstimmige Passagen für eine (!) Geige hat und Bull das nur spielen konnte, indem er den Steg ähnlich wie bei der Hardangerfiedel tiefer baute/schraubte , um mehrere Saiten gleichzeitig zu Streichen und das sicher ein typisches Merkmal für ihn ist. Was Edvard Grieg angeht bin ich noch am überlegen welches Werk ich heranziehen soll.

Nochmals Danke für die Antwort und liebe Grüße,

Ben

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@benBRO5m2

Hallo Ben!

Die speziellen Einflüsse der norwegischen Volksmusik, die sich in Griegs Werk finden, - würde ich sagen - sind 1. eine Vorliebe für plagale Schlußwendungen (Schlüsse nicht über die Dominante, sondern die Subdominante), 2. die ausgiebige Verwendung von Borduntechniken und 3. die Übernahme von bestimmten Motiven, z.B. das sogenannte "Grieg-Motiv": Grundton-Leitton-Dominante in Abwärtsbewegung. Gehäuft findet man diese Einflüsse in der Sonate Nr. 2 G-Dur für Violine und Klavier, für Dich vielleicht besonders interessant: Slatter op. 72. Dies besteht aus 17 Stücken für die Hardangerfidel, die von dem norwegischen Geiger und Komponisten Knut Dahle aufgezeichnet wurden, und von Grieg für Klavier eingerichtet wurden. In beiden Werken findet man die obengenannten Eigenschaften zu Hauf.

Viele Grüße Friedemann

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Hallo! Grieg hat sich viel mit Hardingfele/Hardangerfiedel-musik beschäftigt, war z.b. auch mit dem geiger halvorsen befreundet, der transkriptionen angefertigt hat, die grieg dann bearbeitet hat (Slatter, op 72 (einspielung zum vergleichhörn zw hardingfeleversion und klavierversion: Knut Buen & Einar Steen-Nøkleberg: Edward Grieg: Slåtter, 1999, Simax Classics, Compact Disc). "lydische quart" ist bei dieser musik vielleicht nicht ganz die richtige bezeichnung. in traditineller norwegischer musik war neutrale oder variable intonation üblich, also alles mögliche zwischen reiner quart und lydischer, und abgesehn davon noch eine menge verschiedene intonation bei anderen intervallen. über intonation kannst du zb hier nachlesen: http://www.museum-lissberg.de/Musikinstrumentenmuseum_Liberg/Termine_files/anhemitonische-heptatonik_boris-koller.pdf aber es gibt noch bessere quellen, ich empfehle zb den artikel : Sevåg, Reidar : Neutral Tones and the problem of mode in norwegian Folkmusic , In: Jähnichen, Gisa (Hg.): Studia Instrumentorum Musicae Popularis, Band 3, 1974 S. 207-213, falls du zu dem irgendwie kommst. (musikwissenschaft- bibliotheken haben den mit hoher wahrscheinlichkeit, zumindest die in wien..) stücke mit "lydischer" oder alternativ intonierter quart gibts viele, zb den Halling Røtnams-Knut (auf der CD, die ich oben empfohlen habe..). ich hab zu dem thema grad bakk-arbeit geschrieben und ein paar stücke auch transkribiert und analysiert, eventuell könnt ich dir da auszüge zukommen lassen, wenn du magst. viel glück!

Alles klar, dann lasse ich das mit der lydischen Quart einfach weg und schreib stattdessen noch was zur Intonation, Slåtter habe ich mir angehört, das macht sich sehr gut als Beispiel, das baue ich auf jeden fall ein.

Falls du mir wirklich noch Auszüge zukommen lassen könntest wäre ich dir sehr dankbar! meine Mailadresse: benjaminmusic.brokke@gmx.at

Vielen Dank für die hilfreiche Antwort!

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Das wäre ja dann ein Tritonus, wenn ich Dich recht verstehe, oder? Und der soll typisch für die norwegische Musik sein? Das kann ich mir gar nicht denken.

Hat mich zunächst auch verwundert, aber es steht in mehreren Quellen, dass auch Grieg diese Quart verwendet, ich finde nur nicht ein einziges Beispiel wo das der Fall ist.

Ich zitiere aus "Wem gehört Musik? Warschau und WIlna im Widerstreit nationaler und städtischer Musikkulturen vor 1939"

Nationalmusik

Eine noch aus dem 19. Jahrhundert stammende Forschungstradition fasst "Nationalmusik" primär als innermusikalische Erscheinung auf. Das führte zu Arbeiten, die versuchten, einen wie immer auch gearteten nationalen Charakter der Musik durch eine Anzahl von einzelnen, im Notentext als solchen aufweisbaren Merkmalen nachzuweisen. Dieses Verfahren erweist sich jedoch als höchst unbefriedigend, ja sogar irreführend. Es kann keinesfalls schematisch vom Vorhandensein bestimmter Gestaltungselemente auf die nationale Zuordnung eines Musikstücks geschlossen werden. Man müsste dann - um das Paradebeispiel hierfür zu zitieren- aufgrund der Kenntnis der sogenannten "lydischen Quart" als Gestaltungselement der polnischen Volksmusik nicht nur Werke Chopins sondern auch Edvard Griegs als polnisch bezeichnen, bei dem die lydische Quarte ebenfalls auftaucht, hier freilich als verarbeitetes Element der zugrundeliegenden norwegischen Volksmusik.

Grieg orientiert sich zB sehr stark an der Hardanger Fidel, da klingt ja meistens ein Bourdunton, sprich eine Saite mit. Vielleicht ist das gemeint, dass da oft ein Tritonus zu hören ist, aber ich habe noch kein Beispiel gefunden, welches das belegt, ich hoffe jemand von euch weiß da was.

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