Karikatur Marshall-Plan

Karikatur 1 - (Geschichte, Karikatur) Karikatur 2 - (Geschichte, Karikatur)

2 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Ein methodisches Verstehen geschieht bei einer Karikatur in zwei Schritten: Beschreibung und Deutung

Es geht also darum, zu erfassen, was zu sehen ist, Informationen zu einem Geschehen/einem Zustand/einer Entwicklung zu bekommen, auf die sich die Karikatur bezieht, und darauf eine Deutung aufzubauen.

Karikatur 1

„Once past the Commissionaire - - -�? („Einmal am Portier vorbei - - -�?): Cartoon des britischen Karikaturisten Leslie Gilbert Illingworth in der britischen Tageszeitung „Daily mail“, 7. Januar 1948

Beschreibung

Gezeigt wird ein Geschäft mit der Aufschrift „Marshall & Tru[man]“ (zu sehen ist nur „Tru“, aber die vorzunehmende Ergänzung ist offensichtlich.

Durch die Schaufensterscheibe sind zwei Schaufensterpuppen mit einem Kleid zu sehen. Die eleganten Kleider sind mit Dollarzeichen geschmückt.

Eine Frau ordnet kniend etwas an einem Kleid, bereitet eine Schaufensterpuppe vor. Ein Mann lugt bei einem leicht beiseitegeschobenen Vorhang hervor, hält vorsichtig beobachtend Ausschau.

Ein Schild am Fenster teilt mit, was angeboten wird: „‘The New Look’ Model in the new Anti-Red Shade“ (‘Das neue Aussehen’-Modell in dem neuen Anti-Rot-Farbton“) Ein anderes Schild wirbt mit der Aufschrift: „Sale! Practically given away�? (“Verkauf/Ausverkauf! So gut wie verschenkt�?).

Ein uniformierter Mann mit tief herabgezogener Schirmmütze, der „commissionaire“ (Portier/Pförtner/Türhüter) mit der Aufschrift „Congress“ („Kongreß“), steht wachend am Eingangsbereich des noch geschlossenen Ladens.

Vor dem Geschäft herrscht Andrang, es steht schon eine dicht gedrängte Gruppen von Frauen an, zum Teil mit Einkaufsbeutel bzw. Einkaufskorb. Die Frauen wirken von dem Angebot begeistert, schauen teils voll freudiger Erwartung auf die Kleider, teils nach ihrer Körperhaltung bereit, sich sofort weiterzubewegen. Eine vorne stehende Frau mit Hut und kurzen Stiefeln hat auf ihre Kleidung die britische Nationalflagge, den Union Jack. Die Frau neben ihr trägt eine phrygische Mütze mit Kokarde (seit der Französischen Revolution 1789 – 1799 ein französisches Nationalsymbol). Dahinter hat eine Frau eine weiße Flügelhaube auf und trägt Holzschuhe.

Deutung

Harry S. Truman, Präsident der USA, und George C. Marshall, Außenminister der USA, wichtige Urheber Marshall-Plans, an Gesichtszügen und der Aufschrift des Geschäftes (sie sind als die Inhaber genannt) zu erkennen, bieten mit dem Marshall-Plan ein lockendes Angebot für die europäischen Staaten vor. Es wird mit günstigen Bedingungen geworben, die wirtschaftlichen Wiederaufbauhilfen/Finanzhilfen (durch die Dollarzeichen symbolisiert) seien fast ohne Gegenleistung zu bekommen.

Die Frauen stehen für europäische Staaten, die das Angebot des Marshall-Plans nutzen möchten (unter anderem Großbritannien, Frankreich und die Niederlande). Die schicke Kleidung kann möglicherweise als fortschrittliche kapitalistische Ware gedeutet werden, in Kontrast zur landestypischen Kleidung stehend. Europa stand nach dem Zweiten Weltkrieg weithin alles andere als wirtschaftlich blühend da.

Der Farbton Rot symbolisiert in politischem Zusammenhang in moderner Zeit den Sozialismus und Kommunismus. Die antikommunistische Zielsetzung des Marshall-Plans wird hervorgehoben. Damals war der Kalte Krieg zwischen Westmächten und Ostblock unter Führung der Sowjetunion ziemlich neu, im Zweiten Weltkrieg waren die USA, Großbritannien und die Sowjetunion Verbündete. Der Marshall-Plans wird im Zusammenhang mit einer Politik der Eindämmung (containment) des Kommunismus/der Ausbreitung des Macht-und Einflußbereiches der Sowjetunion gesehen.

Präsident Harry S. Truman, Mitglied der Demokratischen Partei, hatte im Dezember 1947 dem Kongreß der USA den Haushaltsentwurf für den Marshall-Plans vorgelegt. Im Kongreß (Senat und Repräsentantenhaus) hatte seit den Wahlen 1946 die Republikanische Partei eine Mehrheit, nicht mehr die Demokratische Partei. Es wurde längere Zeit über die Finanzierung beraten und es gab auch Gegnerschaft. Im April 1948 wurde das Programm vom Kongreß verabschiedet und vom Präsidenten in Kraft gesetzt.

Eine Zustimmung des Kongresses war erforderlich. Die Kontrolle des Portiers über den Eingangsbereich drückt dies aus. Die europäischen Staaten haben großes Interesse und der Präsident kann dies beobachten, aber das Programm ist im Januar 1948 noch nicht verabschiedet, das Geschäft ist noch nicht geöffnet. Wenn die Frauen aber erst einmal am Portier vorüber sind, werden sie sehr gerne bei dem Angebot zugreifen und sich die neue Mode zulegen. Eine Reihe europäischen Staaten wartet schon voller Verlangen, Hilfe zu bekommen und hat nichts dagegen, sich antikommunistisch auszurichten.

Karikatur 2

Cartoon des britischen Karikaturisten Leslie Gilbert Illingworth in der britischen Tageszeitung „Daily mail“, 23. März 1948

Beschreibung

Zu sehen ist ein Geschäft „Truman et cic.“ („Truman & company“). Eine Schaufensterpuppe wird von einem Mann schön arrangiert. Sie trägt ein elegantes Kleid, mit Dollarzeichen geschmückt. Die Aufschrift dazu ist: „Model: Marshall-Plan“. Unten ist eine Bemerkung aufgeschrieben „No coupon“, was wohl „Keine Zinszahlung“ bedeuten soll. Ein Mann in Anzug und mit Brille beugt sich zu einer vorbeigehenden Gruppe vor.

Die Menschen dieser Gruppe tragen alle Mäntel mit Pelzbesatz, Kopftücher und Stiefel. An der Spitze geht ein Mann mit Schnurrbart, viel Leibesumfang und einem Regenschirm. Sein Mund ist geöffnet, als ob er etwas sagt. Die Frauen hinten (unter anderem mit der Mantelaufschrift „Czecho Slowakia“, und „Finland“) schauen begeistert in das Schaufenster auf das Kleidermodell. Sie bewundern es anscheinend und wünschen es zu haben. Der Mann will die von ihm geführte Gruppe aber offenbar an dem Geschäft vorbeiführen. Die Frauen sollen nicht zugreifen. Drei Frauen (mit der Mantelaufschrift „Bulgaria“, „Yugoslawia“ und „Rumania“) folgen ihm schon mit verschränkten Händen. Sie sehen betrübt bis verärgert (grimmige Miene von „Yugoslawia“) aus.

Deutung

Harry S. Truman, Präsident der USA, und George C. Marshall, Außenminister der USA, bieten mit dem Marshall-Plan ein lockendes Angebot für die europäischen Staaten an.

Der Mann mit Schnurrbart steht für Stalin und die Sowjetunion. Bei Staaten im Einflußbereich der Sowjetunion (auch das blockfreie und neutrale Finnland hatte auf den mächtigen Nachbarn besondere Rücksicht zu nehmen) gibt es nach der Karikatur einen starken Wunsch, aber Stalin möchte dies nicht. Die Sowjetunion hat Staaten in ihren Einflußbereich dazu gedrängt, sich nicht auf eine Beteiligung am Marshall-Plan einzulassen, auch wenn sie anfänglich Interesse zu haben schienen.

Die gleiche Bekleidung der Gruppe könnte für eine gewisse Gleichförmigkeit in einer Anpassung an die Sowjetunion stehen. Die Mäntel und der Regenschirm (gegen Kälte und Regen nützlich) scheinen auf eher schwierige und unangenehme Verhältnisse hinzudeuten. Stalin würde es nach der Karikatur nicht gefallen, wenn Staaten in seinem Einflußbereich am Marshall-Plan teilnehmen. Er scheint sie zu bevormunden und von einer Teilnahme abzuhalten. Auch andere Staaten (Tschechoslowakei, Finnland und andere [in der Frauengruppe sind hinten auf jeden Fall noch Polen und Ungarn zu vermuten]) könnten sich hinter Bulgarien, Jugoslawien und Rumänien einreihen und das Angebot ausschlagen.

4

Ok, jetzt habe ich`s glaube ich verstanden. Vielen Dank für die sehr ausführliche Antwort:)

1

Das sind Karikaturen aus amerikanischen Zeitschriften, welche die geplante riesige Geldförderung durch die USA in europäischer Länder karikieren und kritisieren. Links bietet die Firma Marshall & Truman die neue Kleidermode an, während Frauen mit Einkaufskörben davorstehen, rechts Frauen die die europ. Staaten in Bettlerhaltung darstellen. Der Kongress beschloss aber den Marshallplan, der drei wichtige Ziele hatte: Absatz amerikanischer Waren, wirkliche Hilfe für die notleidende Bevölkerung europ. Länder und Eindämmung des sowjetischen Einflusses. Dafür wurde in Deutschland die Kreditanstalt für Wiederaufbau geschaffen, die noch heute dieses Sondervermögen als Förderbank ausreicht. (siehe aber auch bei Wiki selbst nach unter Marshallplan usw.)